Im Schatten des Ukraine-Krieges ist auch im Kaukasus ein alter Konflikt wieder aufgebrochen. Seit Wochen spitzt sich die Lage mehr und mehr zu und droht allmählich zu eskalieren. Die Rede ist von der zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittenen Region Bergkarabach.

Joachim Schwald

Eine, die mit der Region sehr vertraut ist, ist die Nenzingerin Laura Maria Scherer. Seit 2019 arbeitet die Oberländerin bei der Auslandshilfe der Caritas. War sie zunächst für die Caritas Österreich als Delegierte für die Ukraine zuständig, wechselte sie im Februar 2022 zur Caritas Vorarlberg und damit auch ihren Zuständigkeitsbereich. Seither ist sie für und in Armenien im Einsatz. „Es ist eine vielfältige Region, in der es aber leider auch viele Spannungen und Konflikte gibt“, sagt sie und dennoch: „Die Menschen und die Region sind mir sehr ans Herz gewachsen.“

Inklusives Gärtnern

Die Zusammenarbeit mit den Partnern vor Ort, neben der Caritas Armenien ist dies die Stiftung Emils kleine Sonne, empfindet sie als sehr bereichernd. Neben der Unterstützung für ältere Menschen liegt der Fokus der Bemühungen insbesondere auf der Hilfe für Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien bzw. Menschen mit Behinderung. „Aktuell sind wir gerade dabei, ein Projekt, das – ähnlich dem Sunnahof in Göfis – inklusives Gärtnern ermöglicht, auf die Beine zu stellen“, erzählt Scherer, die erst im November und Dezember in Armenien vor Ort war.

Angst vor Eskalation

Überschattet wird ihr Engagement im Kaukasus derzeit aber von den anhaltenden Auseinandersetzungen in der Region Bergkarabach, die die 33-Jährige als sehr belastend wahrnimmt. „Der Konflikt ist in Armenien allgegenwärtig. Angst und Verunsicherung sind groß. Zuletzt hat sich die Lage wieder verschärft“, erzählt sie und meint damit die seit Dezember anhaltende Blockade der einzigen Verbindungsstraße in die Region durch „selbsternannte aserbeidschanische Umweltaktivisten“.
Als direkte Ansprechpartnerin ist Laura Maria Scherer in regelmäßigem Austausch mit den Menschen vor Ort und somit bestens über die aktuelle Lage informiert. „Rund 120.000 Menschen leben in der Region Bergkarabach und sind nun bereits seit Wochen von der Außenwelt abgeschnitten“, verdeutlicht sie die prekäre Lage, die eine humanitäre Katastrophe befürchten lässt. „Inzwischen müssen die Grundnahrungsmittel rationiert werden. Die Energieversorgung fällt immer wieder aus“, beschreibt sie die Ausnahmesituation weiter. „Wir versuchen die Menschen, die aus diesem Gebiet flüchten, bestmöglich aufzufangen und ihnen die nötige Hilfe zukommen zu lassen. Die Sorge, dass die Situation weiter eskaliert und neuerlich ein Krieg ausbricht, ist leider groß“, bringt sie ihre Besorgnis zum Ausdruck.

Rückhalt und Hilfe

So belastend die Situation ist, so froh ist die engagierte junge Frau über den Rückhalt im Team. „Unser Chef hat immer ein offenes Ohr für unsere Sorgen und auch die Tatsache, dass die Menschen vor Ort es aushalten, gibt mir persönlich Kraft“, sagt sie. Ein weiterer Hoffnungsschimmer ist die große Solidarität der Menschen in Armenien, aber auch hierzulande. „Jeder, der kann, engagiert sich. Auch wenn die Inflation erschwerend hinzukommt, ist die Unterstützungsbereitschaft beeindruckend“, sagt die Projektmanagerin, die abschließend anmerkt: „Auch wenn wir nicht alle Feuer gleichzeitig löschen können, so ist es mir dennoch ein Anliegen, zumindest darauf aufmerksam zu machen und damit die Lage in Armenien im Bewusstsein der Menschen zu behalten."

Laura Maria Scherer
Laura Maria Scherer - Caritas-Auslandshilfe

Factbox: Bergkarabach-Konflikt
Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 eskalierte der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach, die von Armeniern besiedelt wird und völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, zu einem Krieg, sodass ab Ende 1994 Bergkarabach und angrenzende Gebiete zu einem großen Teil von Armeniern kontrolliert wurden. Im September 2020 brach der eingefrorene Konflikt wieder auf. Seither werden größere Gebiete der Region wieder von Aserbaidschan kontrolliert und es kommt häufig zu bewaffneten Auseinandersetzungen entlang der armenisch-aserbaidschanischen Grenze. Bei den bisher schwersten Auseinandersetzungen Mitte September 2022 sind über 200 Menschen gestorben.