Die aktuelle Schau in der Feldkircher Johanniterkirche zeigt Arbeiten von Carol Wyss über das menschliche Skelett. Sie stellt existentiell-kosmologische Fragen. Die Initiative „StilleKlangRaum“ bietet einen spirituellen Zugang zur Kunst.

Wolfgang Ölz

Carol Wyss (Jahrgang 1969) stammt aus Mauren in Liechtenstein. Sie ging nach einer Grafiklehre nach London an eine Kunstakademie und lebt heute mit ihrem Mann und den zwei Kindern in der Themsemetropole. Der Schritt an die Kunstschule war für sie ein richtiger Akt der Befreiung: Aus der eher reglementierten Lebensweise des Alemannischen fand sie in die Offenheit künstlerischer Freiheit an der Londoner Kunstschule. Die Arbeitsweise dort empfand sie als spontan, kreativ und auch ein bisschen wild.

Naturwissenschaft und Sein
In der Johanniterkirche befindet sich Wyss, wie schon der Titel der Ausstellung sagt, „auf der Suche nach dem Ursprung“. Dabei sollten allerdings zwei Bedeutungen des Begriffs „Ursprung“ unterschieden werden. Der Ursprung als  naturwissenschaftlich fassbarer Anfang und der Beginn der Teilhabe des Universums am Sein. Diese Teilhabe kommt vom essenziellen Sein, also von Gott, wie der Kurienbischof Marcelo Sanchez Sorondo vor Kurzem anlässlich einer Würdigung von Stephen Hawking in der Wochenzeitung „Die Zeit“ gesagt hatte.
Im menschlichen Knochen vermutet Carol Wyss Informationen über den absoluten Anfang des Menschen im Sinne der Naturwissenschaft, dabei stellt sie kosmologische Fragen, die auch auf das Sein abzielen: „Was war vor dem Anfang? Wie hat das Sein begonnen?“ Auf den Menschen zentriert möchte die Künstlerin wissen: „Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?“

Ein Skelett
Als Kronzeugin hat Wyss ein menschliches Skelett ausgewählt, das sie sehr respektvoll behandelt, schließlich sind es ja die Überreste eines Menschen. Dieses Skelett setzt sie immer wieder künstlerisch in Szene, in der Johanniterkirche in drei Werkgruppen. Die erste besteht aus einem langen Band an Radierungen, das Knochenformen durchdekliniert und auf den Tabernakel zuläuft. Vor diesem ist ein vierteiliges Bild angebracht, das den Knochen aus verschiedenen Blickwinkeln übereinander geschichtet digital und computergrafisch verarbeitet darstellt. An dieser Stelle wird die Schau existentialistisch, wenn die Künstlerin darauf hinweist, dass hier das Nichts kumuliert. Allerdings ist gerade im ehemals sakralen Raum im Nichts immer gleich auch die Fülle präsent. Dieser Wechsel von Nichts zur Fülle ist etwa auch Gegenstand einer Zenmeditation mit christlichem Hintergrund. Eine weitere Werkgruppe umfasst sämtliche Knochen eines menschlichen Skeletts in Form jener Kupferplatten, die Wyss zur Fertigung der Radierungen verwendet hat. Diese Kupferknochen in Originalgröße sind wie ein frisch entdecktes Grab in der Ausgrabungssituation der Johanniterkirche platziert.

Die Rippe
Die dritte Werkgruppe hat Wyss in der Sakristei aufgebaut. Hier hat die Künstlerin versucht, in zwölf Fotos jener Rippe Adams nahe zu kommen, aus der nach Genesis, Kapitel 2, Eva entstanden ist. Wyss hat sich schon als Kind über diese Bibelstelle geärgert, weil sie diese aus weiblicher Sicht als einen Akt der zwangsläufigen Unterordnung betrachtet. Es gefalle ihr der Hinweis, es handle sich um eine aus männlichen Herrschaftsansprüchen motivierte Fehlübersetzung. Der Künstlerin geht es in ihrer Arbeit um jenen Knochen, der aus dem Himmel fiel, wie sie sagt. Biblisch ist der Knochen von der Erde und markiert den Beginn der Menschheit.

Der Alttestamentler
Der Professor für Altes Testament in Innsbruck, Dr. Georg Fischer SJ, sagt, es mache im Gesamtzusammenhang immer noch Sinn, „zela“ in Genesis 2 mit Rippe zu übersetzen. Professor Fischer gibt aber auch zu bedenken, dass korrekt von der „Rippe des Menschen“ und nicht von der „Rippe des Adam“ gesprochen werden müsste, was eine patriarchale Hierarchisierung der Geschlechter im Grunde ausschließt.

Ausstellung

Carol Wyss: Os - Auf der Suche nach dem Ursprung.
Bis 2. Juni 2018, geöffnet
Di bis Fr, 10 bis 12 und 15  bis 18 Uhr,
Sa 10 bis 14 Uhr,
Johanniterkirche, Feldkirch

StilleKlangRaum

Die Initiative „StilleKlangRaum“ bietet zur Ausstellung eine künstlerisch-spirituelle Begegnung mit den Werken von Wyss - in Form eines offenen Gebetes zwischen Musik, Raum, Kunst und Stille.
Musik: Alfred Dünser, Flöte
Veranstalter: Pastoralamt der Diözese Feldkirch, Dompfarre St. Nikolaus und Kurator Arno Egger.
Fr 13. April, 19 Uhr, Johanniterkirche, Feldkirch 

(aus dem KirchenBlatt Nr. 15 vom 12. April 2018)