Wer von „Berufung“ hört, denkt oft an Priester oder Ordensleute. Aber es gibt sie für jeden Menschen, sie zu finden ist vielfach ein langer Prozess. Die kirchliche Tradition kennt zur Unterstützung dieses Prozesses einen besonderen Weg: die geistliche Begleitung. Was eine solche Begleitung bewirken kann und wie Menschen zu ihr befähigt werden, darüber erzählen zwei „Expert/innen“.

Patricia Begle

Geistliche Begleitung spielt in der großen Palette gegenwärtiger spiritueller Angebote kaum eine Rolle, allein das Wort ist vielen nicht bekannt. Diese Erfahrung macht auch Thomas Netzer-Krautsieder. Der Theologe arbeitet als Krankenhaus-Seelsorger im Krankenhaus Maria Ebene und hat selbst die Ausbildung zum geistlichen Begleiter absolviert. Seit Oktober trägt er seitens des Pastoralamtes die Verantwortung für den Bereich „geistliche Begleitung“.

Netzer-Krautsieder Thomas Thomas Netzer-Krautsieder

Zu seinen Aufgaben gehört es, dieses Angebot der Kirche präsent zu machen und die geistlichen Begleiter/innen in der Diözese untereinander zu vernetzen. 22 Menschen bieten derzeit geistliche Begleitung an, Interessierte finden sie auf der Homepage der Katholischen Kirche Vorarlberg. „Geistliche Begleitung ist keine Therapie oder Beratung, sondern, wie der Name schon sagt, ‚Begleitung‘ auf einem Suchweg“, erklärt Netzer-Krautsieder. Die äußere Form der Begleitung sind regelmäßige Gespräche, bei denen die spirituelle Ebene miteinbezogen wird, bei denen „Gott mit im Spiel ist“.

Innere Freiheit
„Ein christlicher geistlicher Weg ist eine Form der Persönlichkeitsbildung aus dem Geist des Evangeliums. Dabei werden Bibelworte meditativ ‚einverleibt‘. Das prägt die Persönlichkeit, es geschieht eine innerliche ‚Umformung‘ in eine christliche Haltung. Die innere Freiheit wird dabei immer größer und aus ihr heraus können dann Entscheidungen für eine christliche Lebensform getroffen werden.“ Mit diesen Worten beschreibt Elisabeth Fink-Schneider den geistlichen Weg in die eigene Berufung. Dieser Weg bedeutet, „in Aufmerksamkeit auf die Welt zu hören, für sie Verantwortung zu übernehmen und im Geist des Evangeliums zu leben“. Die Dornbirnerin ist nebenberuflich seit Jahren in der Einzel- und Exerzitienbegleitung tätig. Und natürlich ist sie selbst auf einem intensiven geistlichen Weg.

Ignatianisch
Schneider-Fink war auch involviert in die Konzeption eines Ausbildungs-Lehrganges für Ignatianische Exerzitien und geistliche Begleitung. Ein fünfköpfiges Team aus katholischen und evangelischen Theolog/innen wurde von der Leitung des Lassalle-Hauses (CH) mit der Aufgabe betraut, den bereits bestehenden Lehrgang auf neue Füße zu stellen. Orientierung dabei war das Exerzitienbuch des heiligen Ignatius. Es gibt den Weg vor, auf den die Teilnehmenden sich einlassen - sowohl auf persönlicher als auch auf wissenschaftlicher Ebene.
Ganzheitlich. Konkret heißt dies, dass nicht nur gelesen und diskutiert wird, sondern auch geschwiegen und meditiert. Dies in unterschiedlichen Formen, um auch unterschiedliche Zugänge kennen zu lernen. Die körperliche und emotionale Ebene werden ebenso angesprochen wie die geistige und geistliche. Schritt für Schritt wird der Weg eingeübt, mit anderen gegangen und reflektiert, in ein größeres Ganzes gestellt und zurückgebunden an die Tradition.
 
Menschen begleiten
Und schließlich geht es beim Lehrgang um die Befähigung, andere zu begleiten. Dafür gibt es keine fertigen Modelle, denn jeder Weg verläuft anders. Die Tradition aber kennt einen großen Schatz an Wissen und Methoden, wenn es um geistliche Entwicklung geht. Die „Unterscheidung der Geister“ und „geistliche Entscheidungen“ spielen dabei ebenso eine Rolle wie das Verstehen von spirituellen Wachstumsprozessen und die Vertiefung von Gesprächsführung und Begleitung.

Für alle
Für manche klingt das vielleicht abgehoben. Sind wir aber konfrontiert mit einer inneren Unruhe, deren Ursache uns ein Rätsel ist oder sehen wir uns vor Entscheidungen gestellt, die uns völlig überfordern, so ahnen wir, dass uns hier innerer Frieden und Klarheit fehlen. Und diese sind der Gewinn eines geistlichen Weges. So richtet sich der Lehrgang an alle Menschen, die ihren geistlichen Weg und ihr christliches Engagement vertiefen und Mitmenschen dabei ebenso begleiten wollen. Es braucht keine spezielle Vorbildung. Voraussetzung ist lediglich die Offenheit, diesen Weg zu gehen. Der erste Teil ist dabei so angelegt, dass er in vier Grundlagen-Seminaren einen Überblick über Themen und Methoden des Lehrganges verschafft und das Kennenlernen der Lehrenden ermöglicht. Erst dann erfolgt eine verbindliche Anmeldung. Die Grundlagenseminare können auch einzeln besucht werden. Damit wird allen Interessierten genügend Zeit gegeben für eine gute Entscheidung. Ganz im Sinne der ignatianischen Spiritualität.

Ignatianische Exerzitien und geistliche Begleitung

Der Lehrgang steht allen Interessierten offen, einzige Voraussetzung ist, selbst in geistlicher Begleitung zu stehen. Die Seminare bzw. Module dauern jeweils von Freitagabend bis Sonntagmittag, sind also berufsbegleitend absolvierbar.

I. Teil: Grundlagenseminare
Die vier Seminare können einzeln, in unabhängiger Reihenfolge und über einen selbst bestimmten Zeitraum besucht werden. Das erste Seminar findet am 28. Februar 2014 statt, bis zum Herbst 2015 wird jedes Seminar zwei Mal angeboten.

II. Teil: Lehrgang zur Leitung von Exerzitien im Alltag
(Beginn: Herbst 2015)
10 Module in einem Zeitraum von zwei Jahren, 9 Begleitgespräche, 7-tägige Exerzitien. Der Lehrgang ist an der Universität Fribourg akkreditiert und kann mit einer schriftlichen Arbeit mit einem DAS (Diploma of Advanced Studies) abgeschlossen werden.

III. Teil: Lehrgang zur Leitung von geschlossenen Exerzitien

5 Module in einem Zeitraum von einem Jahr, 5 Treffen einer Intervisionsgruppe, 30-tägige Exerzitien. Der Lehrgang kann auch mit einem MAS (Master of Advanced Studies) abgeschlossen werden.

www.lassalle-haus.org