Er war ein Soldat, wie ihn sich eine Armee nur wünschen kann. Bereit, sich zu opfern, sich der Gewalt anzuvertrauen, den Feind niederzumachen. Aber Jean Goss wechselte die Fronten, wurde durch eine Erfahrung „umgedreht“ und predigte Versöhnung auf dem Weg der Gewaltlosigkeit Jesu.

zu: Pfr. Rudi Siegl erinnert sich an Jean Goss

Walter L. Buder

Am 20. November 1912 ist er in Caluire, einem Dorf in den Hügeln um Lyon, zur Welt gekommen. Er war der Älteste der sehr armen Familie Goss. Dass das Leben ein Kampf ist, lernte er früh. Aber auch, dass es Werte gab. Glauben, Hoffnung, Liebe, Zuneigung, Gerechtigkeit kannte der katholische Christ. Aber zuerst war da der Krieg. 1939 wird er eingezogen, wird hochdekorierter Unteroffizier.

Tage- und nächtelang tötet er befehlsgemäß den deutschen Feind, deckt den Rückzug in den Schützengräben um Lille. Aber dann „eines Tages, mitten im Zweiten Weltkrieg - es war 1940, kurz vor meiner Gefangennahme - erwachte ich plötzlich, wie außer mir“, schreibt er - 40 Jahre später - in einem Brief. „Mit einer ungeheuren Kraft brachen Friede und Freude in mir aus. (...) Ich war erfüllt von Vertrauen, Gewissheit und Frieden, völlig unverständlich ...“ Er erkennt den Menschen im „Feind“ bzw. hinter dem „Feindbild“ und lernt, dass die Menschlichkeit des Menschen im Zentrum des christlichen Glaubens steht. Das ist das Wunder der Bekehrung im Leben des Jean Goss. Dessen Botschaft und Wahrheit lebt er seit 1948. Er richtet sein Leben danach aus, bricht mit dem Militär, indem er seine militärischen Auszeichnungen zurückgibt.

Gewaltfreiheit und Kirche
Jean Goss und Hildegard Mayr (sie heiraten 1958) stehen in der Tradition gewaltfreien Handelns nahe bei Mahatma Ghandi oder Martin Luther King. Ihr Lebenszeugnis steht im Dienst der vom christlichen Evangelium inspirierten Gewaltfreiheit, das von der institutionellen katholischen Kirche nur sehr zögerlich aufgenommen wird. Im Internationalen Versöhnungsbund fand das Ehepaar Goss einen Rahmen und eine Plattform für die Verwirklichung ihrer Berufung, Versöhnung und Frieden zu bringen, auf Wegen, die zuerst und zuletzt vom Geist des Evangeliums Christi inspiriert sind.

Mit Ghandi und King galt auch für Jean Goss: „Man muss die Wahrheit aussprechen, das Unrecht anprangern, so wie Jesus es getan hat. (…) Dieser Weg ist so mächtig wie die Atombombe. Er kann alle ungerechten Strukturen auf der ganzen Welt verwandeln.“ Seine Worte seien in vieler Menschen Ohren und Herzen gelegt.

NACHGEFRAGT

Rudi SieglPfr. Rudi Siegl
erinnert sich an Jean Goss

Wie ein Sämann...
Jean Goss war ein „Militanter“ wie er im Buche steht: kämpferisch, streitbar, engagiert, aktiv. Irgendwie radikal. „Von einer Härte und Klarheit“, sagt Pfarrer Rudi Siegl nachdenklich, „wie Buchenholz“. Er hat Jean Goss zu seiner Zeit als Pfarrer in Nenzing mehrfach in Vorarlberg gehört und gesprochen.

Doch „dahinter steckte ein feinfühliger, einfühlsamer Mensch, er war voller Menschlichkeit“, sagt Siegl, und nach einer kleinen Nachspürpause: „... ja, reine Menschlichkeit.“ Auch nach den vielen Jahren ist der nach wie vor aktive „Friedensarbeiter“  Siegl immer noch von der Radikalität des Franzosen fasziniert.
„Seine Achtung vor dem Menschen und seiner Würde, das war uns damals eigentlich ganz unverständlich, rational kaum nachvollziehbar, obwohl man schon damit liebäugelte.“ - Doch de facto stand dann die seelsorgliche Arbeit im Vordergrund. Aber „Goss war schon inspirierend und motivierte uns auch, die Friedensarbeit in der Kirche voranzubringen“, so Siegl.

Wie ein Sämann habe Jean Goss seine Gedanken zur Gewaltfreiheit gestreut. Das biblische Bild spricht deutlich. Mancher Same ist auf guten Grund gefallen und ist sogar aufgegangen. In Afrika, Asien, Lateinamerika und auch in Europa ist das der Fall. Mancher ging wohl verloren, aber da kann man nicht sicher sein. Im Unterholz der Träume, Wünsche und Sehnsüchte der Menschheit sind sie gut geborgen und warten auf ihre Zeit, die kommen wird ...   Walter L. Buder

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