Serie: Welt der Religionen - von Aglaia Mika

„Zeig mir, was dir heilig ist“ - mit diesem Leitsatz machten sich Ende April über hundert Menschen auf den Weg durch ein interreligiöses Bregenz. In mehreren Stationen, vor allem aber auch in Gesprächen und Begegnungen unterwegs konnten sie der Bahaireligion, der katholischen und evangelischen Kirche sowie dem sunnitischen Islam begegnen. „Heilig“ ist letztlich nur Gott, darin waren sich die Glaubensgemeinschaften einig. Doch auch Menschen, die sich ganz dem Geist Gottes hingeben, können als Heilige, „Freunde Gottes“ oder Mystiker gelten. 

Am 13. Mai 2017 wird Papst Franziskus die beiden Hirtenkinder Francisco und Jacinta heiligsprechen. Genau hundert Jahre werden vergangen sein, seit den beiden Geschwistern die Gottesmutter erschienen ist. Warum manchen Menschen eine direkte Gottesbegegnung zuteil wird und anderen nicht, kann der menschliche Verstand nicht erfassen. Sicherlich streben viele Gläubige ein Leben lang danach, und bleiben - Suchende. Andere mögen die Gnade erfahren, ohne sich bewusst dafür eingesetzt zu haben. Sicherlich jedoch vereint sie alle eine besondere Nähe zum Göttlichen, eine Authentizität der Erfahrung, welche gründlich geprüft wird.

Auch andere Religionen anerkennen eine ganz besondere Hinwendung zu Gott, ein Opfern des eigenen Lebens für ein Leben in Gott. Während der Begriff „Islam“ die Bedeutung „Hingabe an Gott“ hat, gibt es bestimmte Menschen, die diesen religiösen Auftrag besonders innig erfüllen. Sie werden als „Freunde Gottes“ bezeichnet: „wali Allah“. Der Sufismus als mystische Strömung des Islam sieht das höchste Ziel des Menschen darin, dass das Ego überwunden und das Herz ganz erfüllt werde von der Liebe zu Gott. Nicht einmal für Hass gegen den Satan sei dann noch Platz, denn das würde ja von der Liebe - und der daraus erfolgenden inneren Freiheit - abhalten.
Der Alevismus kennt vier Pforten des mystischen Weges. Das Nachsinnen über Gott und die Erfüllung des Herzens mit Sehnsucht nach Gott stehen an sehr hoher Stelle. Sie können erreicht werden von einer Seele, welche von Angst, Besitzgeist und Ego gereinigt ist.
Vielleicht geht es also eher um das, was wir Menschen loslassen können, als um besondere Verdienste, die zu erreichen sind? 

Aglaia MikaAglaia Mika
Beauftragte der Katholischen
Kirche Vorarlberg für den Interreligiösen Dialog;
Musiktherapeutin, Sängerin, Stimmbildnerin.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 19 vom 11. Mai 2017)