Kirche ist heute anders als früher, Kirche ist im Werden. Dieser Veränderungsprozess kann als Chance gesehen und genutzt werden. Was das für die Arbeit des Pastoralamtes bedeutet, worin die Herausforderungen und Chancen liegen, dazu nimmt Pastoralamtsleiter Dr. Walter Schmolly Stellung.

Patricia Begle

Die „Kirche in der Stadt“-Prozesse wurden vom Pastoralamt angestoßen und intensiv begleitet. Dabei konnten Sie die Möglichkeiten und die Grenzen des Pastoralamtes ausloten. Wo liegen diese? Was ist möglich und was nicht?
Gegenwärtig ist es überhaupt eine der Hauptaufgaben des Pastoralamtes, Veränderungsprozesse zu begleiten. Die Städte sind dabei insofern besonders spannend, weil diese seit eh und je Kristallisationspunkte der gesellschaftlichen Entwicklungen sind. Indem wir gemeinsam lernen, möglichst genau auf die Herausforderungen für die Kirche in den städtischen Lebensräumen zu reagieren, lernen wir, wie Kirche sich unter heutigen Bedingungen bildet und entwickelt. Das ist dann weit über die Städte hinaus von Bedeutung.
Entscheidend ist, dass in diesen Prozessen drei Ausrichtungen miteinander in Dialog treten und sich gegenseitig erschließen: erstens die Wahrnehmung der konkreten Lebenssituation der Menschen in der jeweiligen Stadt; zweitens das Hören auf das Evangelium Jesu Christi; drittens das Vertrauen in die Berufungen und Charismen der Menschen, die das kirchliche Leben in der Stadt tragen. Im offenen und hörenden Dialog dieser drei Bezugspunkte konkretisiert sich der Auftrag der Kirche für das Hier und Heute. Und darauf kommt es an.
Sie fragen, was dabei die Möglichkeiten und Grenzen des Pastoralamtes sind? Wir können für diese Veränderungswege den Rahmen schaffen und die einzelnen Schritte begleiten. Den Weg gehen aber müssen die Menschen vor Ort. Niemand kann es der Kirche vor Ort abnehmen, für die jeweilige Situation ihren Auftrag zu erkennen und ihrer Berufung zu folgen. Dass sehr viele Menschen dazu bereit und auch gewillt sind, Veränderungen mitzugestalten, ist eine sehr schöne Erfahrung in den „Kirche in der Stadt“-Prozessen. Natürlich geht das Ganze nicht ohne Spannungen und Interessenskonflikte vor sich. Da ist es dann unsere Aufgabe, diese ernst zu nehmen und zugleich Anwalt der Realität und der Entwicklung zu sein, was nicht immer einfach ist. Aber Prozesse vertiefen sich nicht selten gerade entlang von Konflikten und Widerständen.

Wie ist die pastorale Entwicklung abseits der Ballungszentren – etwa in den neuen Pfarrverbänden? Sind beispielsweise die „Pastoralteams“ schon flächendeckend installiert?
Neben den fünf Seelsorgeräumen in den städtischen Lebensräumen, die im Entstehen begriffen sind, sind 36 Pfarrverbände im ländlichen Raum vorgesehen. Davon sind zwischenzeitlich 21 errichtet. Wenn ein Pfarrverband errichtet wird, so ist das zum einen eine große Herausforderung für den Pfarrer, der seine Rolle nun so gestalten und leben muss, dass er für zwei oder drei Pfarren der Geistliche sein kann. Zum andern sind die Getauften in den beteiligten Pfarrgemeinden gefordert, noch ein Stück weit mehr in die Mitgestaltung und Verantwortung für das gemeindliche Leben einzusteigen.
Was die Pastoralteams angeht, zeigt sich, dass sehr viele Pfarrer und Pfarrgemeinderäte sich die Anliegen hinter den Pastoralteams angeeignet haben: die Förderung und Unterstützung der pfarrlich engagierten Getauften durch die Pfarrbeauftragten, die gute Koordination unter denen, die das pfarrliche Leben verantwortlich mitgestalten, die Stärkung des Kontakts mit den Menschen und dem Leben vor Ort. Die Umsetzung dieser Anliegen schaut in den verschiedenen Pfarren unterschiedlich aus. Mancherorts werden sie in die PGR-Arbeit integriert, andernorts entstehen eigene Pastoralteams. Knapp 40 Pfarren haben ihre Pfarrbeauftragten für Diakonie, Verkündigung und Liturgie im Pastoralamt gemeldet.

Das Jahr 2013 brachte gleich zwei neue Hirten mit sich: Papst Franziskus und Bischof Benno. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Papst Franziskus sorgt weltweit für eine deutlich neue Großwetterlage in der Kirche, Bischof Benno verstärkt dieses „Hoch“ für Vorarlberg. Bei solch gutem Wetter arbeitet sich natürlich leichter. Papst Franziskus bringt auch sehr viele inspirierende und ausrichtende Gedanken und Bilder ein. Etwas vom wichtigsten ist für mich sein Plädoyer für eine Kirche, die sich offensiv den begegnenden Lebenssituationen stellt und dabei zusammen mit den Menschen entdeckt, was das Evangelium Jesu Christi heute konkret bedeutet.

Welche Bedeutung hat für Sie die Umfrage zum Thema „Ehe und Familie“?
Eine solche Umfrage ist – egal zu welchem Thema sie durchgeführt wird – Ausdruck des Vertrauens in den Glaubenssinn des Volkes Gottes („sensus fidelium“). Insofern ist sie im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils ein wichtiger Vorgang in der Leitung der Kirche. Im konkreten Fall ist die Umfrage Teil der Vorbereitung der Synode zur Familienpastoral im Herbst dieses Jahres. „Wir wollen wissen, wie die Menschen leben und was sie denken“, hat der Generalsekretär der Synode gesagt. Jetzt ist zu hoffen, dass die Ergebnisse der Befragung  bei den Synodenberatungen genug Gewicht bekommen, so dass sich wirklich etwas bewegt, vor allem in den Themenbereichen Wiederheirat nach Scheidung und verantwortete Empfängnisregelung. Das Ziel muss sein, dass die Kirche für die Familien und für die jungen Menschen in ihren Beziehungsfragen eine verständnisvolle und kompetente Begleiterin sein kann.

Welche Themen und Projekte stehen für das kommende Jahr schon in Ihrem Kalender?
Die „Kirche in der Stadt“- Prozesse werden uns in diesem Jahr noch sehr beschäftigen. Die Seelsorgeräume Dornbirn und Bregenz werden im Herbst errichtet werden, für Lustenau und Bludenz liegen die Konzepte im Wesentlichen vor und stehen die diözesanen Entscheidungen an, in Hohenems arbeiten wir noch am Konzept.
Darüber hinaus haben wir eine Reihe von Entwicklungsschritten in unterschiedlichen Themen vor: ein Personalentwicklungs-Konzept für die Pastoral, neue Initiativen in der Jugendarbeit in den Seelsorgeräumen und im Bildungshaus St. Arbogast, Neukonzeption unseres Angebotspakets im Bereich der Glaubensbildung, ein neuer Schwerpunkt im Bereich Kirchenräume, die bessere Präsenz in den „social media“, Ausweitung unserer Unterstützung der ethischen Fallbesprechungen in den Krankenhäusern, die Fasteninitiative „halt amol“ – heuer mit einem jugendlicheren Gesicht und vieles mehr.

Welche Themen und Projekte würden Sie gerne dazuschreiben – sowohl berufliche als auch private?
Angesichts der Fülle der Aufgaben fällt mir zuallererst kein zusätzliches Thema oder Projekt ein, sondern der Wunsch, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden.  In meinem privaten Kalender ist mir wichtig, dass es weiterhin gesicherte Zeiten für meine Frau und unsere Kinder gibt – zur Pflege unserer Beziehung, zum gemeinsamen Spielen, zum einen oder anderen Ausflug. Seit ein paar Monaten haben wir auch einen Hund. Und eine Exerzitienwoche geht sich vielleicht auch wieder aus.

Aus dem KirchenBlatt Nr. 2 vom 9. Jänner 2014