Islamische Kunst und Architektur sind in Vorarlberg präsent. Manchmal braucht es jedoch ein genaues Hinschauen oder einen Positionswechsel, um sie zu erkennen. Denn immer wieder sind sie eng mit Heimischem verwoben.

Bild rechts: Kopftuch oder Nonnenschleier? Lagerhalle oder Gebetshaus? Die Ausstellung „Innenansicht Südost“ eröffnet neue Perspektiven und Verständnis für das Fremdgeglaubte. Sie wurde im architekturforum oberösterreich konzipiert und für Vorarlberg adaptiert und erweitert.

Patricia Begle

Die Ausstellung „Innenansicht Südost“ verbindet unterschiedliche künstlerische Projekte der vergangenen fünf Jahre in Vorarlberg. Ihnen gemeinsam ist die Auseinandersetzung mit der islamischen Kultur hier im Land. Die Künstlerin Azra Aksamija hat einige von ihnen begleitet, auch diese Ausstellung ist von ihr kuratiert worden. Sie umfasst drei Kapitel.

Islam in Sicht
Moscheen machen den Islam sichtbar. Weltweit. Ihre Architektur ist dabei sehr unterschiedlich, zeigt wenig Verbindlichkeiten und hohe Elastizität, sodass die Vielfalt der Formen und Materialien staunen lässt.  Das Gebetshaus in Timbuktu ist mit jenem in Washington kaum vergleichbar.

Innen
Sehr unterschiedlich zeigen sich auch die Gebetshäuser hier im Land. Neun von ihnen werden in der Ausstellung „betreten“. Anhand von Bildern und Gesprächsaufzeichnungen wird den Besucher/innen ein Einblick gewährt, der Fremdes und Vertrautes verbindet. So erinnern die Teppiche und Wandfliesen im Innern an die Schönheiten des letzten Urlaubs, die Sprache der Menschen in der Teestube ans Café von nebenan. Sie sprechen Vorarlberger Dialekt.

Außen
Die Außenansicht der Gebäude ist meist unscheinbar. Für Gebetshäuser wurden oft bestehende Gebäude adaptiert. Lediglich zwei Gebäude wurden neu errichtet, eines davon ist gerade im Entstehen. In der Minarett-Diskussion wurde deutlich, dass Moscheen von manchen nur dann akzeptiert werden, wenn sie nicht sichtbar sind.

Kulturelle Kongruenz
Der islamische Friedhof in Altach bestimmt den zweiten Teil der Ausstellung. Er gilt als gelungenes Beispiel eines konstruktiven Dialogs zwischen den Kulturen - sowohl in Bezug auf den Bauprozess als auch hinsichtlich der Offenheit der Architektur. Er hat den Heimatbegriff für muslimische Vorarlberger/innen verändert.

Identität im Wandel
Im dritten Teil geht es darum, einen starren Identitätsbegriff aufzubrechen, denn „den Islam“ gibt es nicht. Vielmehr ist er vielfältig und vielschichtig, zudem stets im Wandel. Die Portraitserie „Viel:Falten“ zeigt neun Arten, ein Tuch am Kopf zu tragen. Sie stammen von Frauen aus Bregenz, die auf der Straße nach ihrer Falt-Variante gefragt wurden. Beim Betrachten löst jedes Bild etwas anderes aus - und macht damit klar, dass sich „Bedeutung“ im Kopf und Herzen des Sehenden entwickelt.

Erweiterung
„Dirndlmoschee“ nennt Aksamija ihren Dirndlentwurf, der die Funktionen des traditionellen Dirndls erweitert. Die Schürze wird mit ein paar Handgriffen zum Gebetsteppich, das Schultertuch zur Kopfbedeckung. Gebetskette und Taschenmesser sind mit einem Karabiner am Kleid befestigt. Das Dirndl verbindet unterschiedliche kulturelle Formen und passt sich individuellen Bedürfnissen an. Es ist praktisch. Und schön.

Verknüpfungen
Die Mashrabiya, eine Art Fenstergitter, entwarf die Künstlerin extra für das Architektur Institut. Die Spitzenteile sind so angeordnet, dass sie - je nach Raumposition - zwei Bilder vor Augen führen. Einmal ist die Inschrift „Allah“ zu erkennen, bei Positionswechsel zeigt sich das bei uns traditionelle Kreuzstichmotiv. Das Material, die Ätzspitze, verweist nicht nur durch ihre Ornamente auf die Verknüpfung der Kulturen. Die Vorarlberger Textilbetriebe waren es auch, die im letzten Jahrhundert Arbeiter/innen aus der Türkei angeworben haben.

Ziel

Hinter der Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit „okay.zusammen leben“ und dem Jüdischen Museum Hohenems entstanden ist, steht das Ziel, der Angst vor Identitätsverlust zu begegnen, Kontakt und Verständnis zu schaffen, sodass Symbole anderer Kulturen als bereichernd empfunden werden.

Innenansicht Südost

Ausstellung im Vorarlberger Architektur Institut,
Marktstraße 33, Dornbirn.

Bis 29. Juni: Di-Fr 14-17 Uhr, Sa von 11-17 Uhr
sowie nach Vereinbarung.
Eintritt frei!

 

Weitere Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung


Themenführung durch die Ausstellung
Eva Grabherr, Geschäftsführerin okay.zusammen leben -
Projektstelle für Zuwanderung und Integration
15. Mai, 18.00 Uhr

Kultur der Migration – Migration der Kultur
Transkulturalität in Musik – Kleidung – Kunst
Künstlerische Präsentation und Gespräch mit
Evelyn Fink-Mennel, Ethnomusikologin, Musikpädagogin und Autorin
Martina Mätzler, Textillehrerin, Leiterin der Juppenwerkstatt
Azra Akšamija, Künstlerin und Kuratorin der Ausstellung
4. Juni, 19 Uhr

Themenführung durch die Ausstellung
Verena Konrad, Direktorin vai
12. Juni, 16 Uhr

Der Islamische Friedhof Altach
Führung mit Gottfried Brändle, Bürgermeister Altach
Treffpunkt: Eingang zum Friedhof, Schotterried 1, Altach
(L190 Hohenems/Götzis)
13. Juni, 16 Uhr

Islamische Architektur in Vorarlberg
Bauprojekte als kultureller Dialog
Projektpräsentation und Podiumsdiskussion mit
Sonja Entner, Architektin
Bernardo Bader, Architekt
Jusuf Mešić, Architekt und Bauphysiker
Hugo Dworzak, Institutsleiter Architektur, Universität Liechtenstein
Hanno Loewy, Direktor Jüdisches Museum Hohenems
Moderation: Tobias Hagleitner, Architekt und einer der Ausstellungsautoren
27. Juni, 19 Uhr

Soweit nicht anders genannt, finden alle Veranstaltungen im vai statt.

Weitere Infos zur Ausstellung unter www.v-a-i.at