Dr. Helga Kohler-Spiegel ist eine Fragende. Sie wollte es immer schon genauer wissen. Und dafür studierte sie - ja genau: Theologie. Natürlich hatte ihre Erziehung auch etwas damit zu tun. Und die Liebe zum Buch der Bücher.

Teil 3 von 5: Mit TheologInnen im Gespräch: Prof. Dr. Helga Kohler-Spiegel, Feldkirch

Dietmar Steinmair

„Ich habe in meiner Familie eine gute Religiosität erfahren“, blickt die 1962 in Dornbirn geborene Helga Kohler-Spiegel zurück. Für das Studium der Theologie ging sie 1980 nach Salzburg - auch weil dort die biblischen Fächer einen guten Ruf hatten. Neben ihrer heutigen Profession und Professur - im Fachbereich Humanwissenschaften

(Religionspädagogik und Pädagogische Psychologie) an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg in Feldkirch - fasziniert sie im Fächerkanon der Theologie besonders die Bibel. Das Buch der Bücher ist für Kohler-Spiegel bis heute Heimat, weil sie so reich ist „an Erfahrungen von Menschen mit und auch gegen Gott.“
Biblisch geprägt ist auch ihre theologische Grundformel, die im jüdisch-christlichen Gottesbild und im Gottesnamen „JHWH“ enthaltene Zusage: „Ich werde da sein, als der/die ich da sein werde!“ (Ex 3,14) Das psychologische Pendant dazu findet sie in der „Bindungstheorie“. Nach ihr ist die Gewissheit, gebunden und verbunden zu sein, für uns Menschen zentral.

Welt-Fragen

Helga Kohler-Spiegel beschäftigt sich - in der Ausbildung angehender Lehrer/innen oder auch als gefragte internationale Referentin - jedoch nicht nur mit den (Glaubens-)Fragen Erwachsener. Gemeinsam mit Albert Biesinger hat sie eine Buch-Reihe über Kinderfragen herausgebracht: „Kinder fragen - Forscherinnen und Forscher antworten.“ Kinderfragen sind sehr direkt - und einfach: Gibt es Gott? Woher kommen wir? Was ist der Tod? Was macht Jesus in dem Brot? Und die Antworten? Es geht ihr erstens darum, Kinder in unserem Reden über Gott einzubeziehen. Und damit hilft sie zweitens auch den Erwachsenen in den Gesprächen mit ihren
Kindern - ob das nun beim Eis-Essen oder auf langen Autofahrten ist. Die Welt steckt ja voller Fragen - und Kinder stellen sie, am liebsten jetzt und gleich. In ihrem neuen Buch „Kirche heute leben“ steht für Kohler-Spiegel nicht die Frage im Zentrum, wer in der Kirche was darf, sondern die Frage, was zu tun ist. „Wir müssen
miteinander ins Gespräch kommen. Wir müssen die Fähigkeiten der Menschen sehen, sie ermutigen, manche auch aus dem Abseits holen.“

Lebens-Themen

Die Beziehungen zu und zwischen Menschen ist für Helga Kohler-Spiegel, die auch in freier Praxis als Psychotherapeutin, Supervisorin und Coach tätig ist, wohl so etwas wie ein Lebensthema. Wofür sie brennt? „Ich will Menschen dazu anregen, in Kontakt zu sich selbst und zu anderen zu kommen, sich zu entwickeln und zu entfalten. Dazu können auch spirituelle Erfahrungen gehören.“ Aus ihrer Arbeit als Therapeutin weiß sie, wie wichtig Religion und konfessionelle Erfahrungen sind. Gerade auch weil sich die spirituellen Dimensionen in den Lebensgeschichten heutiger Menschen wandeln.
Theologie muss daher „in der Welt sein“, sagt Kohler-Spiegel. Zur Wirklichkeit in der Welt gehört nicht zuletzt auch die Genderfrage. Geprägt von der feministischen Theologie
spielt für die Feldkircher Religionspädagogin und Psychoanalytikerin auch das soziale Geschlecht eine nicht wegzuinterpretierende Rolle.
Zur Welt gehören auch andere Mentalitäten. Von ihren Aufenthalten in Lateinamerika hat Helga Kohler-Spiegel die Aufmerksamkeit für das Interkulturelle mitgebracht. „Wer nur
ein Land kennt, kennt keines“, ermutigt sie dazu, den Blick zu weiten. Und dann? „Prüft alles und behaltet das Gute!“