Jesus lehrt uns neue Perspektiven auf uns selbst, auf unsere Mitmenschen und auf das Leben als Ganzes zu werfen: Der Blick auf das Schwache macht stark. Die Mitte finden wir am Rand. Gott offenbart sich in den scheinbar Unbedeutenden.

14. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A, 5. Juli 2020
Wort zum Sonntag von Ernst Jäger

Evangelium

Matthäus 11,25–30
In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. Kommt alle zu mir,
die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.

1. Lesung

Sacharja 9,9–10
So spricht der Herr: Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Gerecht ist er und Rettung wurde ihm zuteil, demütig ist er und reitet auf einem Esel, ja, auf einem Esel, dem Jungen einer Eselin. Ausmerzen werde ich die Streitwagen aus Éfraim und die Rosse aus Jerusalem, ausgemerzt wird der Kriegsbogen. Er wird den Nationen Frieden verkünden; und seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde.

2. Lesung

Römer  8,9.11–13
Schwestern und Brüder! Ihr seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt. Wer aber den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm. Wenn aber der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt. Wir sind also nicht dem Fleisch verpflichtet, Brüder und Schwestern, sodass wir nach dem Fleisch leben müssten. Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, müsst ihr sterben; wenn ihr aber durch den Geist die sündigen Taten des Leibes tötet, werdet ihr leben.

WORT ZUM SONNTAG

 Ernst Jäger war von 1998 bis 2005 Generalvikar der Diözese Innsbruck. Derzeit ist er Vikar im Seelsorgeraum Westliches Mittelgebirge. Den Autor erreichen Sie unter


An die Ränder

Jesus betet. Als frommer Jude spricht er den Lobpreis Gottes (Berakah). Er tut es im Bewusstsein der einzigartigen Beziehung zwischen Gott, dem Vater, und ihm: „Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn – und der, dem es der Sohn offenbaren will.“
Dann folgt eine Einladung. Die Kleinen, Unmündigen, Mühseligen und Beladenen werden zu einer Erfrischung und Erquickung eingeladen. Auffallend ist, dass Jesus sich auch hier vorrangig an „Fortschrittsverlierer“ wendet. Sein vorrangiger Blick gilt nicht den Starken, Erfolgreichen und Mächtigen, sondern den Kleinen und Armen jeder Art.
Das ist ein Auftrag an die Kirche, an uns als Christinnen und Christen. Mutter Teresa hat die Frage gestellt: „Kennst du die Armen deiner Gemeinde?“ Gemeint sind nicht nur die materiell Armen, sondern auch sozial Arme (Ausgegrenzte) und psychisch Arme. Ja, kenne ich wenigstens einige der „Unbedeutenden“ in meiner Umgebung? Oder bewege ich mich nur in gehobenen Kreisen?
Wir sollen von Jesus lernen, der „von Herzen demütig“ ist: bodenständig, mit den Füßen am Boden bleibend, dienstwillig und achtsam! An die „Ränder“, die Peripherie, gehen (wie es sinngemäß Papst Franziskus ausdrückt) – sich nicht immer nur im Zentrum bewegen! Denn die Einladung von Jesus gilt allen, vorrangig denen, die so leicht übersehen werden und unbeachtet bleiben.

Zum Weiterdenken

Ein nachdenklicher Mensch sitzt oft am Ufer eines Flusses und schaut in das vorbei fließende  Wasser. „Warum tust du das?“ – so wird er gefragt. Seine Antwort: „Das Wasser ist wie ein sehr guter Mensch. Es fließt immer nach unten (!), ist überaus großzügig und freigebig. Und überall, wo es hinkommt, schafft es Leben.“
Welche Kontakte lasen mich (auf)leben?
Was lerne ich von Jesus?

Ich will dich erheben, meinen Gott und König,
ich will deinen Namen preisen auf immer und ewig.
Jeden Tag will ich dich preisen
und deinen Namen loben auf immer und ewig.
Der Herr ist gnädig und barmherzig,
langmütig und reich an Huld.
Der HERR ist gut zu allen,
sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.
Danken sollen dir, HERR, all deine Werke,
deine Frommen sollen dich preisen.
Von der Herrlichkeit deines Königtums sollen sie reden,
von deiner Macht sollen sie sprechen,
Treu ist der HERR in seinen Reden,
und heilig in all seinen Werken.
Der HERR stützt alle, die fallen,
er richtet alle auf, die gebeugt sind.

Antwortpsalm (aus Psalm 145)

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 27 vom 2. Juli 2020)