Walter Buders Lyrikband „dich“ - Eine Kooperation zwischen Autor, Hecht Verlag, Saegenvier und Druckwerk Lustenau.

Von Peter Niedermair

Am 30. März wurde im Druckwerk Lustenau ein beachtenswertes Buchprojekt präsentiert. Im Rahmen eines Workshop-Projekts war auch der Kommunikationsgestalter und weitum bekannte Signaletiker Sigi Ramoser von Saegenvier Dornbirn mit seinem Team in der Druck-Werkstatt, wo unter anderem eine alte Idee, die zwischen Sigi Ramoser und dem Autor Walter Buder bestand – nämlich „das wort. auf den tisch.“ zu bringen, realisierte wurde.

Eine, die in der vorderen ­Reihe in der Säge als kreative Powerfrau ­arbeitet, Monika Schnitzbauer, hat die Gedichte Buders gesetzt und in Kooperation mit Hechtdruck Hard (Verlag und Druck) und dem Druckwerk Lustenau ein eigenwilliges und eigenständiges Büchlein gestaltet. Der Umschlag im Siebdruck, ­siehe Foto, macht jedes einzelne Exemplar der ersten Auflage zu einem Unikat.

Der Autor
Walter Buder, Jahrgang 1948, hat als Fabriksarbeiter begonnen, eine kaufmännische Lehre absolviert und nach dem Besuch der Aufbaumittelschule katholische Theologie in Innsbruck und Lyon studiert. Seit ca. 1970 schreibt er Literatur, er ist Mitglied bei Literatur Vorarlberg, war in verschiedenen Funktionen in der Diözese Feldkirch tätig und mehrere Jahre bis zu seiner Pensionierung 2010 Chefredakteur beim Vorarlberger KirchenBlatt. In seinen weltoffenen und interreligiösen Prinzipien und Haltungen ist er auch sportlich als Friedensaktivist zuwege.

Die Texte
Die in „dich“ versammelte Lyrik ist nicht während eines kurzen Zeitraums entstanden; vielmehr über mehrere Jahre hinweg ist die Reduktion in diesen Texten, in durchgehender Kleinschreibung mit sehr sparsam verwendeter Interpunktion, als ein durchgängiges Prinzip gewachsen. Der erste Text auf Seite 7 „der anfang ist immer / ein wort nur eines“ beginnt mit einer Standortbestimmung des Autors und gleichzeitig Anspielung auf Johannes. Das Johannesevangelium beginnt nicht mit der Geburt und Kindheit oder Taufe Jesu, sondern als strophisches Lied (Joh 1,1-18) mit einem Prolog: „Im Anfang (gr. ‚arche‘) war das Wort (gr. ‚logos‘).“ Der Prolog weist einen starken sprachlichen Rhythmus auf, die Begriffe und die Form beziehen sich auf den ersten Schöpfungsbericht der Tora.

Das sprachlich feinfühlige Lektorat von Klaus Gasperi hat den reflektierten Sprachgestus Walter Buders noch zusätzlich von Wortballast befreit und den Texten jene Leichtigkeit eingeschrieben, wie wir sie von jener ausdauernd krautigen, mit fleischiger Zahnwurzel ausgestatteten Blume kennen, die in diesen Tagen die Wiesen zum Inbegriff des Frühlings machen. Gasperis Lektorieren unterstützt den Autorentext hin zu Reife und Leichtigkeit, schwebend wie die haarigen Flugschirme. Die Texte an sich sind in einer offenen Form, reimlos, mehr erzählend reflexiv denn lyrisch, gehalten: „… und schleife wörter über / weißes papier und / feile wortspäne tageslastig schwer gebrannte / lettern schatten // zeichen: die schreibtischlampe nicht für das licht / der welt zu halten und entdecken: die krone // der schöpfung ist immer / noch aus lehm: gebrannt / und brüchig“ (S. 43).

An manchen Stellen verwendet er das aus dem Französischen herrührende lyrische Stilmittel des „Enjambements“, des Zeilensprungs, das er - wie auch andere Stilformen - experimentell als Vers-Sprengung einsetzt, als Öffnung, als eine Überwindung und dennoch sich der Grenzen der Sprache bewusst werdend, als ein Weg ins Freie. Dieser sprachkritische Ton verweist in seinem Gestus an jene Idee Martin Bubers, einem österreichisch-israelischen jüdischen Religionsphilosoph, dass alles wirkliche Leben Begegnung sei und wir erst „am Du zum Ich werden“. Manche poetischen Miniaturen, die weit mehr sind als komprimierte Skizzen von Begegnungen oder mikrokosmische Momentaufnahmen aus dem Alltag, lassen in „dich“ jene französisch-jüdische Philosophin und Mystikerin durchschimmern, mit der sich Walter Buder im Rahmen seiner theologischen Dissertation in Lyon beschäftigt hatte, mit Simone Weil.

Am Ende möchte ich noch auf den Buder’schen Gestus der Ironie, vor allem der Selbstironie, hinweisen. Hier gelingen ihm wunderbare innere Dialoge mit sich selbst, Selbstgespräche, so wie die jüdische Politologin Hannah Arendt in ihrer Vorlesung über Sokrates „Die Apologie der Pluralität“ unter anderem schreibt, dass die aufgeworfenen Fragen offen bleiben und eine Pluralität von Meinungen sichtbar werden kann. In einer interessanten Gedankenfolge zeigt Arendt, dass die Pluralität der Meinungen auch in jedem einzelnen Menschen vorhanden ist. Jeder Mensch ist ständig in einem, oft auch kontroversen, Gespräch mit sich selbst.  Auf Seite 97 - nach „endlos geschliffenen schleifen / gefeilt noch gedanken ein strich / ein vielleicht und doch noch kein ende, ende, der / . / rettet alles.“ - klappt man das Büchlein zu, um es noch einmal in die Hand zu nehmen.
Mein „dich“ ist vom vielen Lesen nicht „müde“ (S. 55), doch „erfüllt, das herz“ geworden. «

dich. Gedichte von Walter L. Buder.
1. Auflage, 2017.
Hecht-Verlag, Hard.
ISBN 978-3-85298-216-8. € 18,70.