Vorarlberg verfügt über ein dichtes Netz an Beratungseinrichtungen. Die engagierten Mitarbeiter/innen bewegen sich in der Corona-Zeit zwischen strengen Hygiene-Vorschriften im Parteienverkehr und Telefonaten aus dem Homeoffice. Die Telefonseelsorge, die Kaplan Bonetti Sozialwerke, das Ehe- und Familienzentrum sowie die Einrichtungen der Caritas stehen für die Nöte bereit, die sich - so der Grundtenor der Berater/innen - in den persönlichen Beziehungen, aber auch in finanzieller Hinsicht in den nächsten Monaten noch verschärfen werden.
Wolfgang Ölz
Keine Umarmung, kein Kuss und kein Besuch beim Enkel, der nur ein Stockwerk tiefer wohnt - das kann einer alten Frau fast das Herz brechen, weiß Sepp Gröfler aus seiner Arbeit am Telefon. Der Leiter der Telefonseelsorge in Vorarlberg erzählt, die Anzahl der Anrufe habe sich am Beginn der Corona-Pandemie um 30 Prozent gesteigert, wobei 90 Prozent der Anfragen aus gegebenem aktuellem Anlass gestellt wurden. Mittlerweile liegt die Zahl der Telefonate immer noch 20 Prozent über der des Vorjahres. Immer noch steht die Hälfte der Anrufe in Zusammenhang mit Covid-19. Die Coronakrise verschärfe bestehende problematische Situationen in der Regel, wie etwa Beziehungskrisen, die zu Trennung und Verlust der Wohnung führen können. Bei Suizidgefahr und brennender Einsamkeit wirke Corona mitunter wie ein Brandbeschleuniger, so Gröfler.
Kein Coronafall in der Wohnungslosenhilfe.
Die Leiterin der Kaplan Bonetti Sozialwerke, Cornelia Matt, berichtet, dass ihre Beratungsstellen sehr früh in der Krise auf Telefonberatung aus dem Homeoffice umgestellt haben. Ab nächster Woche wird es mit starken Sicherungsvorkehrungen in den Beratungsstellen auch wieder Parteienverkehr geben. Maskenpflicht und gezielte Maßnahmen, die nur wenige Menschen im Wartebereich zulassen, sollen die Infektionsgefahr minimieren.
Im Bonetti Wohnhaus wird schichtweise in zwei Teams gearbeitet, damit im Falle einer Infektion das zweite Team nahtlos weiterarbeiten kann. Sehr froh ist Cornelia Matt darüber, dass sämtliche Institutionen in der Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe im Land, also die Einrichtungen der Caritas, das Dowas, die Kolpinghäuser in Götzis und Bregenz und eben das Bonettihaus bis dato keinen einzigen positiven Coronafall hatten. Gerade beim Kaplan Bonetti Haus ist das besonders wichtig, weil viele Klient/innen durch Vorerkrankungen wie Krebs oder Lungenprobleme zur Risikogruppe gehören. Matt vermutet, dass in der Beratung der große Ansturm erst in den Sommermonaten eintreten werde, wenn sich die Konsequenzen aus der Arbeitslosigkeit etwa im Verlust der Wohnmöglichkeit niederschlagen werden.
Scheidungswelle wie in Wuhan befürchtet.
Gudrun Posch-Berger, Bereichsleiterin der Lebens- und Sozialberatung im Ehe- und Familienzentrum der Katholischen Kirche Vorarlberg, berichtet von wenigen Klient/innen, die explizit wegen der Coronakrise vorstellig wurden. Allerdings vermutet sie, dass bestehende Beziehungsprobleme durch die Pandemie verschärft werden. Sie nimmt daher an, dass es nach der Zurücknahme der Beschränkungen zu vermehrten Trennungen kommen könnte. Auch im ersten Epizentrum der Krise im chinesischen Wuhan, so Posch-Berger, habe es nach der Sperre eine richtiggehende Scheidungswelle gegeben.
Corona als Anreiz zum Suchtausstieg.
Die Fachbereichsleiterin der Suchtfachstellen der Caritas, Monika Chromy, stellt fest, dass sich durch die Krise Situationen der Sucht dramatisieren können. So berichten etwa Frauen, dass ihre Männer nach dem Verlust des Arbeitsplatzes noch mehr trinken als vorher. Gleichzeitig berichtet Chromy aber auch von Klient/innen, die die Isolation - und somit auch die Trennung von Stammkneipe oder Sucht-Clique - nutzen, um vom Alkohol wegzukommen. Von 261 Klient/innen mussten in einer April-Woche in den Suchtfachstellen in Feldkirch, Bludenz, Dornbirn, Bregenz und Egg 18 Personen mit einer schweren Krise und mit einem Aufwand von je über drei Stunden betreut werden. In Feldkirch arbeitet die Suchtfachstelle direkt mit dem Caritas Café zusammen, das Klient/innen, die ein Mehr an Betreuung brauchen, in die benachbarte Suchtfachstelle schickt.
Streetworker kommunizieren Vorschriften.
Der Leiter des Caritas Café, Peter Wieser, erklärt, dass die Einrichtung derzeit nur für maximal fünf Obdachlose oder Menschen in prekären Wohnungssituationen geöffnet ist. Es herrschen strikte Regeln wie Maskenpflicht und 1-Meter-Abstand im Lokal. Armutsmigrant/innen werden von den Mitarbeiter/innen vom Homeoffice aus telefonisch betreut. Die Streetworker des Caritas Café machen sich mehrmals täglich auf den Weg durch die Feldkircher Innenstadt und das Bahnhofsareal und informieren die Menschen auf den öffentlichen Plätzen immer wieder über die aktuellen Hygienevorschriften. Je prekärer jemand lebe, so Wieser, desto schneller wirke sich die Coronakrise aus. Die „Marie“-Verkäufer etwa haben schon jetzt kein Geld mehr. Der erfahrene Sozialarbeiter rechnet damit, dass spätestens im September, wenn die gestundeten Kredite, Mieten und Steuerschulden bezahlt werden müssen, noch einmal eine weit größere Anzahl an Bedürftigen die Beratung im Caritas Café in Anspruch nehmen wird.
Hilfe bei Besuchsverbot im Pflegeheim.
Klaus Engstler ist bei der Caritas für die regionalen Hospizteams zuständig, wo ehrenamtliche Mitarbeiter/innen Schwerkranke und deren Angehörige begleiten. Die eigens in der Krise ins Leben gerufene Hospiz-Line der Caritas bemüht sich in der herausfordernden Corona-Zeit um schwer kranke Menschen wie auch um Sterbende und ihre Abschied nehmenden Angehörigen. Auch für Nöte und Ängste, die etwa aus dem Besuchsverbot entstandenen sind, haben sie ein offenes Ohr. Blumen aus dem eigenen Garten wie auch Karten oder Briefe, die vor die Tür gelegt werden, zeigen den Betroffenen, dass sie nicht allein diesen schweren Weg gehen müssen.
Das wahre Ausmaß wird erst sichtbar.
Christian Beiser, Leiter der Caritas Beratungsstelle „Existenz&Wohnen“, geht davon aus, dass das wahre finanzielle Ausmaß der Krise erst in den nächsten Monaten sichtbar wird, nämlich dann, wenn die Härtefonds von Land und Bund die Not nicht mehr abdecken. Derzeit helfen seine Mitarbeiter/innen bei der Beantragung des Geldes aus diesen Fonds, ebenso wie bei Mindestsicherung, AMS-Leistungen und Wohnbeihilfe.
Telefonseelsorge, Trauertelefon, Hospiz-Line, Rat auf Draht, Ehe- und Familienzentrum, Caritas, Land Vorarlberg und Psychotherapeutische Beratung:
Eine Übersicht über alle wichtigen Beratungsstellen finden Sie unter dem Eintrag „Hilfreiche Kontakte“ unter kath-kirche-vorarlberg.at/corona
(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 18 vom 30. April 2020)