„Die Einheit der Kirchen trägt auch zur Einheit der Nationen bei.“ Das sagt der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf, Olav Fykse Tveit.

Dietmar Steinmair

Wer den Weltkirchenrat in Genf besucht, findet in seiner Nähe viele internationale Organisationen: die Vereinten Nationen im Völkerbundpalast, die UNO-Hochkommissariate für Flüchtlinge und Menschenrechte, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. International präsentiert sich auch der Hauptsitz des Ökumenischen Rates der Kirchen. In der großen Kapelle sind zahlreiche Kreuze und Ikonen aus aller Welt zu sehen, Liederbücher verschiedenster Konfessionen und Bibeln in mehreren Sprachen stehen beim Eingang bereit.

Auch das Kruzifix, das Papst Franziskus bei seinem Besuch anlässlich des Jubiläums 70 Jahre Weltkirchenrat im Juni 2018 als Gastgeschenk mitbrachte, hat seinen Platz gefunden. Der Vorarlberger Bischof Benno Elbs und der Landessuperintendent der Evangelischen Kirche H. B. in Österreich, Thomas Hennefeld, nehmen es genauer unter die Lupe. Sie sind zusammen mit einer Gruppe von österreichischen Journalisten nach Genf gereist, um sich auf die Spuren des Reformators Johannes Calvin zu begeben, mit Mitarbeitern von katholischer und reformierter Kirche über die Ökumene zu sprechen und den Generalsekretär des Weltkirchenrates, Olav Fykse Tveit, zu treffen.

Einheit
1948 sei zusammengebracht worden, was vorher getrennt war, sagt Tveit. „Das war notwendig – nicht nur zum Wohl der Kirchen, sondern zum Wohl der ganzen Welt. Die Einheit der Kirchen trägt auch zur Einheit der Nationen bei.“ Der Einfluss der Kirchen sei in diesen 70 Jahren groß gewesen. Als Beispiele nennt Tveit die Annäherung zwischen Ost- und Westeuropa und Nord- und Südkorea sowie die Überwindung der Apartheid in Südafrika. Als eine der großen Stärken der Kirchen macht Tveit das weltweite Netzwerk des ÖRK aus. Der Weltkirchenrat ist gefragter Gesprächspartner von Regierungen und internationalen Organisationen. Denn vor Ort – besonders in Entwicklungs- oder Krisengebieten – hätten die Kirchen oft viel bessere Netzwerke und auch mehr Glaubwürdigkeit und Autorität als die politischen Akteure.

Die römisch-katholische Kirche ist nicht Mitglied im Weltkirchenrat. Für den Vatikan gibt es zu wenig Übereinstimmung im Kirchen-Verständnis. Zwar ist sie Vollmitglied in zwei Kommissionen des ÖRK – Glaube und Kirchenverfassung sowie Weltmission und Evangelisation – eine Vollmitgliedschaft sieht Tveit aber in weiter Ferne: „Es ist möglicherweise problematisch, wenn eine Mitgliedskirche doppelt so viele Mitglieder hat wie der Rest zusammen. Da ist eine Zusammenarbeit auf nationaler Ebene sicher leichter.“ Das ist in Österreich der Fall, hier ist die römisch-katholische Kirche Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich.  

Mehr: www.oikoumene.org

HINTERGRUND

Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) – international bekannt als World Council of Churches, Weltkirchenrat – besteht seit 70 Jahren und ­wurde am 23. August 1948 in Amsterdam gegründet. Heute hat er seinen Sitz in Genf, unweit der Einrichtungen der UNO. Derzeit gehören dem Rat 350 Kirchen aus 120 Ländern auf allen Kontinenten an. Generalsekretär ist seit 2009 der lutherische Pastor Olav Fykse Tveit aus Norwegen. Die römisch-katholische Kirche gehört dem Rat nicht an. Dennoch ist der Weltkirchenrat das weltweit wirksamste, zentrale Organ der ökumenischen Bewegung. Im Juni 2018 besuchte Papst Franziskus als dritter Papst – nach Paul VI. (1969) und Johannes Paul II. (1984) – das ÖRK-Zentrum in Genf.

EAPPI
Neben anderen Initiativen unterhält der ÖRK auch das Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI). Es wurde 2002 auf Anfrage der Kirchen in Jerusalem gegründet. Ziel ist eine schützende, internationale Präsenz in der Konfliktregion. Die freiwilligen Mitarbeiter – sie sind durch Westen als solche erkenntlich – beobachten die Vorgänge an Checkpoints zwischen israelischen und palästinensischen Gebieten bzw. in Siedlungszonen oder begleiten Kinder in die Schule. So werden gefährliche Alltagssituationen, die potentiell eskalieren könnten, auf gewaltfreie Weise beruhigt. Militärische Sperrgebiete oder die Teilnahme an Protesten gegen die Besetzungspolitik von Israel sind für die EAPPI-Mitarbeiter/innen tabu. Bisher haben fast 1600 freiwillige Beobachter am Programm teilgenommen, 14 davon auch aus Österreich.

(Artikel aus dem KirchenBlatt Nr. 40 vom 4. Oktober 2018)