Ein todkrankes Kind: Das ist für viele eine der schlimmsten Vorstellungen überhaupt. Gut, dass es Hospizbegleiter/Innen gibt, die in solch schwierigen Situationen unterstützen. Ein Team von derzeit 22 Ehrenamtlichen begleitet Kinder, Jugendliche und deren Familien in ganz Vorarlberg. Priska Ganahl, selbst Mutter von zwei Buben, ist eine dieser Begleiterinnen und erzählt, wie es ist, wenn sich ein Kind auf seinen letzten Weg macht - und wie kostbar solche Begegnungen sind.

Charlotte Schrimpff

Priska, wie reagieren Menschen, wenn du dich als Kinderhospizbegleiterin vorstellst?
Priska Ganahl: Die Reaktionen sind unterschiedlich. Wir erfahren viel Wertschätzung für das, was wir tun. Manche Menschen stellen sich unsere Tätigkeit sehr schwer vor. Sie fragen dann: „Wie schaffst du es, mit so herausfordernden Situationen fertig zu werden?“

Und was antwortest du?
Ganahl: Dass man in den Begleitungen so viel mehr zurückbekommt als man gibt. Das ist bei den Kindern so und bei den Erwachsenen auch. Aber gerade von kranken Kindern kann man extrem viel lernen.

Zum Beispiel?
Ganahl: Kinder sind authentisch. Wenn sie Schmerzen haben, haben sie Schmerzen und weinen. Aber auch bei kranken Kindern gibt es Zeiten der Freude. Ich kann mich an meinen ersten Besuch auf der Kinderstation erinnern. Ich fühlte mich noch unsicher. Das kleine Kind, das ich betreuen sollte, hing an Schläuchen. Als ich mich dann behutsam mit einer kleinen Stoffmaus näherte, begannen die Augen des Kindes zu leuchten. Trotz all der Schwere der Situation war da auch Freude. Es entstand ein ganz besonderer Kontakt, eine sehr berührende Begegnung, die mir in Erinnerung blieb. Wir Hospizbegleiter/Innen kommen mit ganzem Herzen und mit Zeit im Gepäck. Für mich bedeutet Ehrenamt „Zeit schenken“. Oft genügt es einfach da zu sein, ein Bilderbuch gemeinsam anzuschauen, zu singen oder eine spontan erfundene Geschichte ins Ohr des Kindes zu flüstern. Wir machen die Erfahrung, dass unsere Begleitungen helfen und das Leben der Kinder und auch der Eltern ein wenig leichter machen. Oft gehe ich ganz beseelt und zutiefst dankbar nach Hause.

Hospizbegleitungen für Kinder und Jugendliche sind im Land dennoch nicht gerade bekannt.
Ganahl: Stimmt. Hospizbegleitungen für Erwachsene kennen viele, aber dass es speziell für Kinder ein Angebot gibt, wissen wenige. Und es geht bei uns auch nicht nur um sterbende Kinder, wir sind auch für die Geschwister da oder für Kinder, deren Eltern schwer krank sind. Außerdem unterstützen wir Kinder, Jugendliche und deren Familien auch in Zeiten der Trauer.

Wie spricht man mit Kindern über den Tod?
Ganahl: Es ist ganz wichtig, dass man mit Kindern ehrlich ist. Dass man ihnen sagt, wie es ist, dass man sie vorbereitet. Wenn ein Geschwisterkind im Sterben liegt - oder die Mutter oder der Vater - sollte man nicht versuchen, sie zu schützen indem man sie außen vorlässt oder gar Dinge sagt wie „Es wird wieder gut werden“, obwohl man weiß, dass es nicht so ist. Sie müssen die Chance haben, derjenigen Person zu sagen, wie gern sie sie haben und was ihnen auf dem Herzen liegt. Denn das können sie nachher nicht mehr.

Puh...
Ganahl: Es ist furchtbar, wenn man einem Kind sagen muss, dass die Mama, der Papa, die Oma, ein Bruder oder eine Schwester sterben wird. Es bricht dir selbst fast das Herz. Als einmal in einer solchen Situation ein Kind herzzerreißend weinte, kamen auch mir die Tränen. Du bist dann einfach auch nur Mensch. Als Hospizbegleiterin bleibe ich in meiner Begleitung ehrlich und gleichzeitig immer auch stützend für die betroffenen Kinder und deren Familien. Gemeinsames Trauern kann tröstlich sein. Kinder spüren, dass sie mit ihrem Schmerz nicht allein sind. Es ist wichtig, dass wir achtsam hinhören, wenn Kinder Fragen über den Tod stellen. Wenn wir altersgerecht antworten, klare Worte finden und nachspüren, ob es mehr braucht oder für den Moment genügt, sind Kinder auch nicht überfordert. Wenn man sich nicht sicher ist, kann man eine Gegenfrage stellen. Die Antworten sind sehr berührend. Kinder haben schöne Vorstellungen, wie das Leben nach dem Tod sein könnte.

Nach dem Motto „Was glaubst denn du…?“
Ganahl: Genau. Gut ist es, wenn man sich dabei richtig ausdrückt. Dass man zum Beispiel nicht sagt: „Der Opa ist jetzt eingeschlafen“. Sonst kann es passieren, dass die Kinder Angst vorm Einschlafen entwickeln, weil sie denken, dann sterben sie auch. Besser wäre es zu sagen: „Der Körper, der jetzt da liegt, ist nur die Hülle und nicht der Mensch.“ Gut ist es auch, Kindern zu zeigen, wie wichtig Erinnerungen sind, indem man sie fragt: „Aber erzähl doch mal von der Oma, wie war sie so?“ Und dann zu sagen: „Schau, da gibt es so viel Schönes, wenn du dich an sie erinnerst.“ Und so holst du die Kinder in dem Moment aus der tiefen Trauer heraus und zeigst, dass durch das Erzählen Verstorbene wieder in unsere Mitte geholt werden können. So werden sie nie vergessen. Davor haben viele Kinder Angst - dass man vergisst.

Hat sich Eure Arbeit durch die Corona-Pandemie verändert?
Ganahl: Ja, total. Während der Zeit des Lockdowns durften wir zum Schutz der Kinder und Familien und zu unserem Schutz von einem Tag auf den anderen keine Begleitungen mehr machen. Zwar hielten wir telefonisch den Kontakt, schrieben Briefe und benutzten Videokontakte, um die Beziehung nicht ganz abbrechen zu lassen, aber all dies konnte einen persönlichen Kontakt nicht ersetzen. In der Zwischenzeit sind Besuche unter bestimmten Bedingungen und sehr strengen Schutzmaßnahmen wieder möglich, aber wir sind weit von dem entfernt, was früher möglich war. Ich hoffe einfach, dass das nicht so bleibt, dass die Herzlichkeit nicht verloren geht, dass die Distanz nicht bleibt. Unsere Seelen brauchen auch mitfühlende Umarmungen.

Kinderhospizbegleitung

Wenn Kinder oder Jugendliche lebensbedrohlich erkranken, verändert sich das Leben der ganzen Familie. Das Team der Kinderhospizbegleitung Vorarlberg unterstützt -  daheim, im Spital, in Schulen und Kindergärten. Beratung sowie Begleitung sind kostenlos und werden aus Spenden finanziert.

T 0676 88420-5112
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www.hospiz-vorarlberg.at

(Aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 45 vom 5. November 2020)