Eindringlich schaut er uns noch heute in den späten Porträts an: in der „National Portrait Gallery“ (London) und im Trinity College (Oxford). Das Leben John Henry Newmans ist bis heute ein großes Beispiel des Glaubens in der modernen Zeit.

Roman A. Siebenrock

Am 21. Februar 1801 wird John Henry New-man als ältestes von sechs Kindern in eine Bankiersfamilie hineingeboren. Das Viktorianische Zeitalter ist Newmans erste Lebenswelt. Der allgemeine Bibelglaube und die Tradition der englischen Hochkirche prägen seine Jugend. 1808 tritt er in eine der besten Privatschulen des Landes ein: „Great Ealing Scool“ (in Londons Westen). Doch die Idylle zerbricht. Der Vater geht Bankrott und stirbt 1824. Nun muss der junge Newman für die Familie sorgen. Das England Newmans ist der moderate Motor der Modernisierung: Industrialisierung, Eisenbahnen, Kapitalismus, liberale Gesellschaft und Demokratie, Nützlichkeitsdenken und Rationalismus haben hier ebenso ihre Heimat wie Traditionsbewusstsein, Gentlemen und schwarzer Humor.

Ealing 1816: die Bekehrung
Was im Sommer 1816 geschieht, wird er später als seine grundlegende Bekehrung bezeichnen. Von nun an prägen ihn folgende Überzeugungen: „Myself and my creator“ - „Ich selbst und mein Schöpfer“; „Holiness rather than peace“ - „Heiligkeit mehr denn Frieden“;  und schließlich: „Growth, the only evidence of life“ - „Wachstum, der einzige Beweis für Leben“.

Oxford: das Ideal „im Himmel des Geistes“
1816 geht der junge Newman ans Trinity-College nach Oxford. 1878 wird er hier zum Ehrenfellow ernannt. Die Universitätsstadt an der Themse blieb für Newman das große Ideal. 1822 wird er als Gelehrter in eines der führenden Colleges Oxfords gewählt: Oriel. Nun ist er im Zentrum der geistigen Auseinandersetzungen angekommen. Doch er entscheidet sich für den geistlichen Dienst und nimmt sich, als Universitätsprediger von St. Mary, besonders der Armen an. Er wird das auch in Littlemore, einem kleinen Dorf bei Oxford, so halten. Die von ihm gebaute Kirche steht noch heute.

Mit Freunden wie Keble, Pusey, Froude und Church bildet Newman ab 1833 den Kern der „Oxford-Bewegung“, der katholischen Erneuerung der anglikanischen Kirche in Rückbesinnung auf die Alte Kirche. Doch das Wagnis gerät in die Sackgasse: Könnte nicht die römisch-katholische Kirche die wahre Kirche Christi sein?

Littlemore: Ort des Eintritts in die römisch-katholische Kirche
Als Newman es wagt, die 39 Artikel der Anglikanischen Kirche katholisch zu lesen, wird er von seinem Bischof verurteilt. Alle Ämter legt er nun nieder. Was soll er jetzt tun? Mit der ganzen Weite seines Geistes schreibt er sich in die römisch-katholische Kirche hinein und erschüttert sie dadurch bis heute: nicht Stillstand und eine unveränderliche Tradition zeichne sie aus, sondern lebendiger Wandel und Identität im Wachstum. Er formuliert sein Prinzip der Entwicklung: „In einer höheren Welt ist es anders, aber hienieden heißt leben sich wandeln, und vollkommen sein heißt sich oft gewandelt haben.“

Die Schwestern vom „Werk“ haben den Ort der Konversion Newmans, eine ehemalige Postkutschenstation, in sensibler Weise hergerichtet. So können die Besucher/innen nachempfinden, was sich in der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 1845 in Littlemore ereignet: In dieser regnerischen Nacht bittet Newman völlig überraschend den italienischen Passionistenpater Domenico Barberi, ihn in die eine Herde Christi aufzunehmen. Nun hat er seinen bleibenden Frieden im Glauben gefunden. Die Konversion bedeutete damals jedoch den Schritt ins gesellschaftliche Abseits.

Birmingham
Doch: Ein Ruhekissen gefunden hat Newman nicht. Er sieht die Schwächen der realen Kirche und beginnt auch hier sein Reformwerk; nun vor allem von Birmingham aus. Als ihn Papst Leo XIII. 1879 zum Kardinal erhebt, bringt er im Kardinalsmotto seine innerste Überzeugung zum Ausdruck: „Cor ad cor loquitur“ - „Das Herz spricht zum Herzen“. Heute erinnert eine Tafel im Oratorium Birmingham an sein Leben, das er abschließend unter das Motto gestellt wissen wollte: „Ex umbris et imaginibus in veritatem“ - „Aus Bildern und Schatten zur Wahrheit“.

Auf den Spuren von Kardinal Newman
Die KirchenBlatt-Reise  mit Pfarrer Eugen Giselbrecht führt vom 5. bis 12. Juli auf den Spuren von Kardinal Henry Newman nach Südengland: Hier gehts zum Detailprogramm