Das Fest „Christi Himmelfahrt“ macht klar, dass sich Leben in der Bewegung vollzieht und Gott Grenzen von Raum und Zeit durchbricht. Für uns eine Einladung, mitzugehen und - bestenfalls - abzuheben.

Patricia Begle

Bis ins 4. Jahrhundert wurden Ostern, Christi Himmelfahrt und Pfingsten als Einheit gefeiert. Heute sind es die 50 Tage des „Osterfestkreises“, der eine Klammer um sie legt und ihren Zusammenhang verdeutlicht. Wer die Feste als Gesamtprozess betrachtet, trifft auf überraschende Aspekte.

Bewegung
Es ist ein reges Auf und Ab, auf das wir in diesen Tagen treffen. Die Wege Jesu kreuzen die horizontale Ebene gleich mehrmals und führen damit die Verbindung zwischen Himmel und Erde immer wieder vor Augen: das Hinabsteigen in die Tiefe, das Zurückkommen auf die Erde, das Abheben in den Himmel, das Herabsenden des Geistes.

Existentielle Erfahrungen

Diese Geheimnisse zu feiern bedeutet, den Weg Jesu mitzugehen und das eigene Leben darin zu finden. Oder umgekehrt: im Gehen des eigenen Weges die Gegenwart Jesu zu entdecken, weil er eben diesen Weg auch gegangen ist. Wegstationen bis Ostern sind existentielle Lebenserfahrungen:  Versöhnung und Umkehr, Tod, Hinabsteigen in die Dunkelheit, aufgeweckt werden und wieder ins Leben kommen.
Anders. Die Zeit nach Ostern, als Jesus seinen Jünger/innen immer wieder erschienen ist, als sie ihn erkannt und doch nicht erkannt haben, kann verglichen werden mit jener Zeit, in der wir mit dem Tod in all seinen unterschiedlichen Formen konfrontiert sind. Wenn etwas nicht mehr ist, wie es einmal war. Wenn sich Zweifel und Vertrauen abwechseln. Wenn uns der Wunsch nach dem Alten und Vertrauten bindet und die Freiheit für das Neue noch nicht zulässt.

Umdenken
40 Tage dauert im Osterfestkreis diese unsichere Zeit, in der die Gegenwart Jesu „anders“ ist. Die Zahl 40 steht dabei für Umkehr, für die Umkehr des Denkens, für eine Neuausrichtung. Sie mündet im liturgischen Kalender in die Himmelfahrt. Das Fresko oben aus der Kirche in St. Niklausen zeigt, wie unglaublich das Geschehen wirkt. Jesus wurde „vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und enthob ihn ihren Blicken“, heißt es in der Apostelgeschichte (Kap. 1, Vers 9).

Wolke
Schon im Alten Testament stand die Wolke für die Gegenwart Gottes. Tatsächlich ist die Beschaffenheit des Wassers hier eine Form, die auf das große Ganze verweist: nicht einordenbar, weder fest noch flüssig noch gasförmig. Unverfügbar. Sichtbar und doch nicht greifbar. Verhüllend  aber nicht verdeckend. Ständig in Veränderung, immer im Spiel mit dem Wind und Bilder auslösend - bei allen Betrachtenden ein anderes.
Kein Boden. „Ich setzte den Fuß in die Luft und sie trug mich“, schreibt Hilde Domin. Ein Bild für eine Himmelfahrt-Erfahrung? Während die Vorstellung und das Gefühl, „den Boden zu verlieren“ meist als bedrohlich erlebt werden, kommt ihm hier eine völlig neue Bedeutung zu: fliegen. Weil die Luft trägt, ist ein völlig anderes Bewegen und Leben möglich. Wer fliegen kann, wechselt mit großer Leichtigkeit den Standort und damit die Perspektive. Er bzw. sie kann jeder Gefahr entkommen und wird von nichts festgehalten. Fliegen ist Freiheit pur. Allerdings nur auf Zeit. Jeder Vogel muss zur Erde zurück. „Höhenflüge“ sind nicht von Dauer. So kommt schließlich zu Pfingsten der „Geist“ wieder auf die Erde. Er bringt die Lebendigkeit des Fliegens mit und das Bleiben. Beides gehört zum Leben.
 
Prozession
Im Voranschreiten einer Prozession kommt wunderbar zum Ausdruck, dass sich das Leben als Bewegung vollzieht. Das Eingebettet- und Verbunden-Sein mit anderen Menschen und mit der gesamten Schöpfung wird sinnlich erfahrbar. Und wenn gerade zu Christi Himmelfahrt das Fürbittgebet aus vieler Munde kommt, dann liegt das wohl daran, dass gerade ein guter Zeitpunkt dafür ist. Denn: der Himmel ist geöffnet.

Zeiten und Orte aller Gottesdienste, Flursegnungen und Prozessionen im Land - auch für die Nachtwallfahrt von Bludenz nach Rankweil.

(aus KirchenBlatt Nr. 19 vom 9. Mai 2013)