Glaubensserie "Den Wandel gestalten" - Teil 1 von 4

Franz Kogler Von Franz Kogler
Leiter des Bibelwerks Linz

Wir selbst, die Gesellschaft und die Kirche stehen oft vor der Herausforderung des Wandels. In unserer neuen Serie greifen wir vier Leitmotive auf, die aus biblischer Perspektive in Wandlungsprozesse einfließen können.
Christ-Sein heißt der Spur Jesu folgen, daraus das Leben im Glauben formen und spirituelle Erfahrung gewinnen. Menschen sehnen sich heute nach dieser spirituellen Tiefe –  nach Gotteserfahrung. Sie suchen nach Kontakt zum Grundwasser, zur Quelle des Lebens und des Glaubens.
Im Wort „Spiritualität“ steckt spiritus, der Geist. Und um diesen Geist, diese Begeisterung geht es, wenn der Glaube stärkend und hilfreich werden soll. Früher wurde dafür oft das heute aus der Mode gekommene Wort „Frömmigkeit“ verwendet. Ein Wort, das verstaubt und vorgestrig klingt, aber letztlich genau das meint, was mit Spiritualität zum Ausdruck kommt: Den Glauben aus einer Tiefe heraus leben – und Kraft aus einer lebendigen Gottesbeziehung schöpfen.

Zurück zur Quelle

Der christliche Glaube ist eine Quelle, die unser Leben nährt und belebt. Darum ist es wesentlich, unsere Quellen zu pflegen und immer wieder auch neue Quellen zu erschließen. Deshalb ist die erste und wichtigste Dimension jeder Reform die Hinwendung zu unseren eigenen Quellen.
In unserer christlichen Tradition haben wir im Laufe der Jahrhunderte eine Vielzahl von unterschiedlichsten Quellen entdeckt. Und immer wieder sind wir in Gefahr, diese verschiedenen Traditionen dann für das Eigentliche zu halten – und nicht mehr nach dem dahinterliegenden Impulsgeber, nämlich Gott, zu suchen.
So manche Traditionen verdecken aber mehr den Zugang, als sie ihn freilegen. Sie sind sozusagen eher abgestandenes Wasser – und gerade nicht erfrischendes Quellwasser. Bei all der Vielfalt von Feierformen, Festen, Bräuchen und religiösen Übungen ist immer wieder nach dem spiritus zu fragen. Wird darin noch derselbe Geist lebendig, der uns stärkt und Kraft schenkt?

Kraft aus der Bibel schöpfen

Zahlreiche Texte der Bibel sind solche Kraftquellen, die es neu zu entdecken gilt. Ich denke da zum Beispiel an die Begegnung des Mose mit dem lebendigen Gott im Buch Exodus (Ex 3,1–12), wo Mose den Zuspruch „Ich bin mit dir“ erfährt. Ein anderer Krafttext ist im 1. Buch der Könige, wo Elija Gott ganz anders als gewohnt erlebt, nämlich im sanften Säuseln (1 Kön 19,9–13).
Wieder ganz anders erfährt der Prophet Jeremia, wie er von Gott ergriffen wird: „Ich bin mit dir, um dich zu retten“ (Jer 1,4–19). Und dann ist im Johannesevangelium noch die Frau am Jakobsbrunnen, die zu Jesus sagt: „Herr, gib mir dieses Wasser“ (Joh 4,1–29).
Diese und viele weitere Texte eignen sich zu Tiefenbohrungen, damit der spirit, der Esprit lebendig bleibt. So wird Kirche wieder als Quelle der erneuernden Kraft aus Gottes solidarischer Liebe und Barmherzigkeit erfahrbar.

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 1 vom 2. Jänner 2020)