Kennen Sie die Familie von nebenan? Wissen Sie, wer unter Ihnen wohnt? Die Pfarre Egg hat ein Projekt initiiert, das Menschen einander näherbringt. Ein Netz wird geknüpft, und von Tag zu Tag wird es tragfähiger.
Patricia Begle
In Zeiten der Anonymisierung und Vereinsamung sind gute Nachbarschaften wichtiger denn je. Sie unterstützen Einzelne, stärken die Verantwortung füreinander und damit die Dorfgemeinschaft. Sie laufen unkompliziert und schaffen Atmosphäre. Doch wie entstehen sie? Wie werden Kontakte geknüpft und gepflegt?
Durchs Leben begleiten. Die Pfarre Egg hat ein Projekt gestartet, das nachbarschaftliche Beziehungen stärkt. Entstanden ist die Idee dazu auf der Klausur des neu gewählten Pfarrgemeinderates (PGR) vor knapp zwei Jahren. „Wir wollten das Miteinander stärken“, erzählt Elisabeth Bleimschein, Mitglied des PGR und des Projekt-Teams, „dass Menschen aufmerksam aufeinander schauen und sich gegenseitig durchs Leben begleiten.“ Mittlerweile engagieren sich 23 Frauen und ein Mann in dem Projekt, für 22 Weiler (Ortsteile) konnten bereits Verantwortliche gefunden werden.
Freudige Anlässe. Simone Pircher, Gabi Kaufmann und Susanne Geiger sind drei junge Frauen, die seit eineinhalb Jahren in ihrem Weiler Menschen besuchen - bei besonderen Anlässen: Hochzeit, Geburt, Neuzuzug und „halbrunder“ Geburtstag (65, 75 und 85 Jahre). Sie bringen ein kleines Geschenk mit und eine Glückwunschkarte. So gibt es für die Babys selbstgestrickte Patschen, für das Brautpaar eine Flasche Wein, für die Geburtstagskinder einen Honig und für die Neuzugezogenen Brot und Salz sowie eine Infobroschüre seitens der Pfarre. „Der Besuch verfolgt keine Werbezwecke, er soll einfach Begegnung sein“, erklärt Simone Pircher das Ziel.
Einsatz für die Gemeinschaft. Für die drei Eggerinnen ist das Projekt eine Möglichkeit, selbst Menschen kennenzulernen - seien es Neuzugezogene oder Alteingesessene, zu denen sie noch keinen Kontakt hatten. Die Begegnungen, die dabei entstehen, sind für beide Seiten eine Bereicherung. „Git as so schneidige Moatla dohoma“, war einmal der Ausruf eines 75-Jährigen beim Geburtstagsbesuch. Die Frauen sehen in ihrem ehrenamtlichen Engagement einen wichtigen Beitrag für die Gemeinschaft - eine Haltung, die gerade auch jungen Menschen immer mehr abhandenkommt. Denn vielfach geht es heute nur um finanziellen Gewinn. Dass er auch auf zwischenmenschlicher Ebene liegen kann, ist vielen nicht mehr bewusst.
Tragfähiges Netzwerk. Auch für Elisabeth Bleimschein ist jeder Besuch ein Gewinn. Es sind kleine Dinge, die sich dadurch verändern - man kennt sich plötzlich, lächelt sich beim Grüßen anders zu, tauscht sich kurz aus. Sie ist mit drei anderen für den größten Weiler im Dorf zuständig, 131 Haushalte gehören dazu. „Leider darf uns die Gemeinde aus Datenschutzgründen keine Informationen geben“, erläutert Bleimschein. So sind sie darauf angewiesen, dass aufmerksame Dorfbewohner/innen weitersagen, dass jemand neu hier ankommt oder heiratet. Bis sich dies im Denken verankert hat, braucht es natürlich Zeit. Insgesamt entwickelt sich das Netzwerk gut. Für Herbst ist eine Fortbildung zum Thema „Umgang mit Trauernden“ geplant. Vielleicht ist ja auch einmal ein Todesfall Grund für einen Besuch. Noch sind es die freudigen Ereignisse, an denen Anteil genommen wird.
Aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 17 vom 2. Mai 2019