Im August übergibt Pater Kolumban Reichlin sein Amt als Propst von St. Gerold an Pater Martin Werlen. Seine Zeit war geprägt von Güte und Menschlichkeit sowie durch wirtschaftliche und bauliche Herausforderungen.

Wolfgang Ölz

Der neue Propst von St. Gerold, Pater Martin Werlen, hat 2009 als Abt von Einsiedeln Pater Kolumban Reichlin zum Propst von St. Gerold ernannt. Pater Kolumban findet es einen schönen Zufall, eigentlich eine besondere Fügung, dass vor elf Jahren der Abt ihm die Tür geöffnet hat und er selbst jetzt dem ehemaligen Abt die Tür öffnen kann.

Auf seine eigene Art.

Bei seiner Ordensprofess im Jahr 1997 hat der Choralmagister (Vorsteher der Choralschola) von Einsiedeln, Roman Bannwart, dem jungen Mönch geraten „Werde nicht so streng wie der hl. Kolumban!“ Dem folgend hat Pater Kolumban Reichlin in St. Gerold die Glaubensstrenge des Kolumban durch Güte und Menschlichkeit ersetzt. Die fünfzigjährige Pionierarbeit seines Vorgängers, Pater Nathanael Wirth, der in Einsiedeln bald seinen 90. Geburtstag feiern kann, hat Kolumban nie als drückend empfunden, weil er sich immer bewusst war, dass er die Propstei auf seine eigene Art leiten muss. Dabei hat Pater Kolumban den Umsatz des 25 Mitarbeiter/innen-Unternehmens in den Jahren 2014 bis 2019 verdoppelt, sodass heute jährlich 12.000 Übernachtungen und 20.000 Besuche zu verzeichnen sind.

Auch hat der gebürtige Schweizer umfangreiche Sanierungen der historischen Gebäude vorangetrieben. Das Hauptgebäude aus dem 12. bis 17. Jahrhundert musste aktuellen Brandschutzbestimmungen angepasst werden. Es wird noch 10 bis 15 Jahre dauern bis die Renovierungsmaßnahmen abgeschlossen sind. Immerhin müssen ca. 75% der Baukosten durch Fundraising erbracht werden. Pater Kolumban hatte neben der Seelsorge als Vertreter des Bauherrn zusätzlich eine arbeitsintensive Aufgabe. Abt Martin Werlen wird durch die Schaffung der Position eines Bereichsleiters für die Seelsorge mehr Zeit haben. Der derzeitige Volksschuldirektor in St. Gerold, David Ganahl (geb. 1974), wird sich in dieser Funktion u.a. um die Bauaufsicht der Sanierungen kümmern.

Hohe Ideale überfordern.

Seine Spiritualität richtet Pater Kolumban an den benediktinischen Tugenden ora (Gottesbeziehung), labora (Aufgaben) und lectio divina (Weiterbildung) aus. Er ist überzeugt, dass auch in Tätigkeiten wie dem Bauen Verkündigung geschieht. Die Benediktregel gilt ihm da als Richtschnur. Allerdings, so der Benediktiner, sollte man einen so verdichteten Text wie die Regel vergleichbar einem guten, schweren Rotwein Schluck für Schluck aufnehmen. Mit Pierre Teilhard de Chardin plädiert Pater Kolumban als pastoraler Praktiker dafür, in der Verkündigung die Situationen der Menschen zu akzeptieren und nicht mit Idealen zu überfordern.

Koffer packen.

Pater Kolumban kehrt nach Einsiedeln zurück. Seine neuen Aufgaben sind noch offen. Er wird zunächst ein halbes Jahr Auszeit nehmen und den Kolumbanweg von Bangor in Irland nach Bobbio südlich von Mailand gehen. Auch ein Monat bei den Schwestern von Mutter Teresa in Kalkutta, ein Monat in Assisi und ein Monat Weiterbildung sind angedacht. Pater Kolumban sagt: „Der Koffer ist ja schnell gepackt.“ «

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 28 vom 9. Juli 2020)