Serie: Welt der Religionen – von Aglaia Mika

Es sei etwas Gefährliches, haben wir in der Schule gelernt. Wer nicht aus der Geschichte lerne, müsse sie wiederholen. Wird also heute wiederholt, woraus nicht gelernt wurde? In Mitteleuropa scheint der Antisemitismus zur Vergangenheit zu gehören - doch das Problem ist keineswegs gelöst. Das Thema begegnet uns ständig, nicht nur im Konflikt zwischen Israel und arabischen Ländern, durch den diese Form der Unversöhnlichkeit eine neue Bedeutung bekommen hat. Auch bei uns ist es im politischen Alltag präsent. So tritt FPÖ-Kandidat Johannes Hübner zurück, nachdem er sich in einer Rede vor rechtsradikalem Publikum „Witze“ geleistet hat, die ein Mensch mit gesundem Gewissen nicht zum Lachen finden sollte. Heinz-Christian Strache macht dazu die verteidigende Bemerkung, die FPÖ sei die einzige Partei, die aktiv den wirklich gefährlichen Antisemitismus bekämpfe, nämlich den muslimischerseits (derStandard.at am 24. Juli 2017). Wie ist das zu verstehen?

Hier lohnt es sich, den Begriff „Semiten“ genauer zu betrachten: Ursprünglich umfasst er jene Völker, die eine semitische Sprache sprechen - heute gehören Arabisch und Aramäisch sowie Hebräisch dazu. Im 18. Jahrhundert bezog sich der Begriff auf die Nachkommen des Sem, eines Sohnes von Noah. In einer Völkertafel der Genesis wird auch Abraham auf ihn zurückgeführt. Somit entstammen die drei Abrahamitischen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - dem semitischen Kulturkreis. Insofern täten sie einander recht, sich wie Geschwister zu verhalten, nicht wie Feinde. Im Dokument „Nostra Ætate“ des 2. Vatikanums heißt es, die christliche Kirche achte, dass „die Anfänge ihres Glaubens … sich schon bei den Patriarchen, bei Moses und den Propheten finden“. Über die Muslime heißt es, sie „mühen sich, auch (Gottes) verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat… Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten und ehren seine jungfräuliche Mutter Maria.“ Wir dürfen also nicht zu leichtgläubig sein, wenn wir von „Stempeln“ wie Araber, Semiten und Antisemiten hören. Oft genug können wir hoffentlich den Menschen sehen sowie in den unterschiedlichen Religionen einen „Strahl jener Wahrheit…, die alle Menschen erleuchtet“. «

Aglaia MikaAglaia Mika
Beauftragte der Katholischen
Kirche Vorarlberg für den Interreligiösen Dialog;
Musiktherapeutin, Sängerin, Stimmbildnerin.

 

(aus dem KirchenBlatt Nr. 32/33 vom 10./17. August 2017)

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