Rund 200 Interessierte kamen am Mittwochabend in die Bregenzer Seekapelle, um Bischof Erwin Kräutler zu hören. Er erzählte von der Amazonien-Synode, von Ergebnissen und Hintergründen, von Anekdoten und Nebenschauplätzen. Seine Zuversicht und Gelassenheit steckten an.
Das Interesse für den Abend war unerwartet groß und so entschieden die Veranstalter am Nachmittag, den Vortrag von der Buchhandlung Arche in die Seekapelle zu verlegen. Eine gute Entscheidung, der Ort war stimmungsvoll, die Konzentration leicht, es gab ausreichend Platz und Luft. Neben dem Altar nahmen Bischof Erwin Kräutler und Moderatorin Judith Zortea Platz. Obwohl der Geistliche erst am Vortag aus Rom zurückgekommen war, zeigte er sich frisch und wach, beantwortete die Fragen klar und engagiert. Was zuvor aus den Medien als Faktum bekannt war, bekam dadurch neue Farbe, denn Kräutler erzählte von Hintergründen und Nebenschauplätzen und machte das Geschehen in Rom damit lebendig und greifbarer.
Das Volk einbezogen
Eine Besonderheit dieser Synode, so der emeritierte Bischof von Xingu, war deren Vorbereitung. Am 18. Jänner 2018 schon verkündete Papst Franziskus bei einem Treffen mit indigenen Völkern den Beginn. Es wurden Fragebogen verteilt, die nicht nur von Experten, sondern von allen, also auch dem "kleinen Mann und der kleinen Frau" ausgefüllt wurden. Die Umfrage wurde gebündelt und nach Rom geschickt, daraus entstand das Arbeitspapier der Synode. "Während der Synode hab ich von überallher 'Sabisabis' bekommen - das sind WhatsApp-Nachrichten bei uns in Brasilien", erzählt Kräutler. "'Wir beten für euch', hieß es dort oder 'die ganze Synode über brennen Kerzen bei uns'... Die Leute durften ja mitreden, das Ganze ist ein Prozess."
Priesterfrage
Die Situation der Menschen vor Ort bestimmte die Themen und Ergebnisse der Synode. "Bei uns haben tausende von Gemeinden nur zwei- bis dreimal im Jahr die Möglichkeit, Eucharistie zu feiern. Bei den großen Festen wie Weihnachten und Ostern ist nie ein Priester da", schilderte Kräutler die Lage. "Laien - Frauen und Männer - halten Wortgottesdienste. Warum können diese nicht der Eucharistie vorstehen, warum erhalten sie keine Weihe?" Aus dieser Situation war der Wunsch nach einer Änderung der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt entstanden. "Es geht nicht um die Abschaffung des Zölibats", stellte Kräutler klar. "Sondern es soll auch andere Zugänge zum Priesteramt geben."
Stimme der Frauen
Diskutiert wurde auch über die Rolle der Frau bzw. über das Frauendiakonat. Bei der Abstimmung sprachen sich acht von zwölf Gruppen dafür aus, dieses sofort einzuführen. Dieses "Sofort" schaffte es nicht in die Schlusserklärung. "Aber das Frauendiakonat ist drin im Text, es ist nicht vom Tisch", erklärte Kräutler zuversichtlich. Zudem erweiterte der Papst die Kommission, die diese Frage seit geraumer Zeit bearbeitet. Kräutler stellte eine große Wertschätzung der Frau fest, was ihn besonders freute. "Frauen sollen in Leitungspositionen kommen, damit es nicht nur männliche Entscheidungen gibt", erklärte er überzeugt. Zudem schilderte er, wie die Beiträge der über 50 teilnehmenden Frauen während der Synode vielfach mit großem Applaus bestätigt wurden. "Es war sicher die letzte Synode, bei der Frauen nicht mitstimmen durften", zeigte sich der Kirchenmann optimistisch.
Ein "amazonischer Ritus"
Ein großes Thema - gerade in Zusammenhang mit den indigenen Völkern - war die Frage der Inkulturation. "Evangelisierung muss von den kulturellen und religiösen Erfahrungen der Menschen ausgehen - sie sind der Humus, auf dem wir verkünden", brachte Kräutler die Grundausrichtung der Synode zum Ausdruck. Es gehe darum, neue Formen zu finden, die die kulturellen Ausdrucksweisen eines Volkes berücksichtigen - ob dies nun Tänze sind oder mythologische Erzählungen. Wie ein solcher "amazonischer Ritus" konkret aussehe, stehe noch nicht fest. Es gebe hunderte verschiedene Völker in Amazonien und vier Sprachgruppen - ein solcher Ritus müsse erst entwickelt werden. "Die Synode ist lediglich ein Impuls für eine neue Vision der Liturgie", so Kräutler.
Ökologische Umkehr
Das zweite große Thema neben diesen "neuen Wegen der Kirche" waren Fragen zu einer ganzheitlichen Ökologie. Seit 54 Jahren lebt der Vorarlberger in Brasilien und wurde Zeuge der jahrzehntelangen Regenwaldzerstörung, die nicht nur indigene Völker ihres Lebensraums beraubt, sondern auch fatale Auswirkungen auf das Weltklima hat. "Die Axt ist am Baum", sagte er in Vorarlberger Weise. Die Synode erklärte, dass die "Kirche ihr Potential ausnützen müsse für Gewissensbildung und Öffentlichkeitsarbeit - in allen Gemeinden, weltweit". Kräutler ist davon überzeugt, dass jeder Einzelne dazu beitragen kann, dass wir quasi mitschuldig sind, denn Wirtschaftsabläufe sind weltweit vernetzt. Es gehe darum, alles zu hinterfragen - woher es kommt, wie es produziert wird oder verpackt ist. Der Papst spreche von einer "ökologischen metanoia" - einer ökologischen Umkehr.
Die Fragen, die nach dem ersten Teil aus dem Publikum kamen, wurden von Kräutler in aller Offenheit beantwortet - oder, je nach Thema, offengelassen. Die Stimmung in der Kirche war ebenso locker, wie der Redende selbst, immer wieder kam es zu Zwischenapplausen. Am Ende des Gespräches ermöglichte eine kurze Schweigezeit, das Gehörte wirken zu lassen. Schließlich wurde Bischof Kräutler in minutenlangem Applaus und Standing Ovations verabschiedet. Sie waren wohl auch Zeichen der Dankbarkeit und des Respekts für sein lebenslanges, außergewöhnliches Engagement. Viele BesucherInnen folgten schließlich der Einladung in die Buchhandlung Arche, in der ein Glas Wein wartete, Bischof Kräutler seine Bücher signierte und sich auf so manche Plauderei einließ.