Von Muntlix nach Chisinau - oder aus dem Herzen an den Rand des Kontinents: Bettina Schörgenhofer lebt und arbeitet seit eineinhalb Jahren im Armenhaus Europas.

Bild rechts: Bettina Schörgenhofer mit Laura. „Das ist zur Zeit unsere Kleinste mit 4 Jahren, die bei uns lebt.“

Dietmar Steinmair

Vor Kurzem war Mag. Bettina Schörgenhofer (40) für einige Tage in ihrer alten Heimat Vorarlberg. Von Muntlix und dem Ländle war sie vor 20 Jahren ausgezogen, um in Wien Internationale Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Sie arbeitete bei Fairtrade, dann bei der Caritas der Erzdiözese Wien, zuletzt als Leiterin des Bereichs „Soziale Arbeit“, zu dem allein 600 Mitarbeiter/innen gehörten.

Gemeinsam mit dem Rumänen-Deutschen Michael Zikeli bewarb sich Schörgenhofer schließlich um die Länderverantwortung für Concordia in der Republik Moldau. Dort sind die 1991 von P. Georg Sporschill SJ gegründeten Sozialprojekte seit 2004 tätig. „Wir haben uns für Concordia und Moldau entschieden, weil wir an den Rand gehen wollten, dorthin, wo die Armut groß ist“, so Schörgenhofer.

Moldau ist in der Klemme,
nicht nur geographisch zwischen Rumänien, der Ukraine und dem von Russland unterstützten Transnistrien. Sondern auch wirtschaftlich und sozial: Von den einmal vier Millionen Moldauern lebt rund eine Million im Ausland. Die Männer arbeiten vielfach am Bau in Russland, die Frauen als Pflegerinnen in Europa. Die Gelder, die zurückfließen, sind der drittgrößte Wirtschaftsfaktor des Landes.

Die Folge: Neben den alten Menschen bleiben die Kinder und Jugendlichen zurück. Meist bei Verwandten, oft genug auch ganz auf sich allein gestellt. In den Concordia-Einrichtungen in Pirita und Chisinau leben 260 Kinder und Jugendliche zwischen 4 und 25 Jahren. Tausende Menschen werden durch Suppenküchen versorgt. Dabei arbeitet Concordia mit den Kommunen zusammen: 20% der Aufwände für Gebäude, Mitarbeiter und Betriebskosten muss die Gemeinde vor Ort beisteuern. Dafür kann der Gemeinderat mitreden, welche Menschen konkret unterstützt werden. Dem Gießkannenprinzip stellt Concordia die Kooperation entgegen.

Der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft ist nicht sehr groß. Da schlägt die Armut doppelt zu. „Mit dem Durchschnittseinkommen kann in Moldau niemand überleben“, sagt Schörgenhofer. Die Suppenküchen und Sozialzentren strahlen auch in die Städte und Dörfer hinaus, in denen sie liegen. Besucher nehmen auf dem Heimweg etwas für Nachbarn mit, Familien werden durch mobile Hilfsdienste unterstützt.
Doch es geht auch um Nachhaltigkeit. Im Norden des Landes etwa hat Concordia sechs Familien je zehn Schafe zur Verfügung gestellt. Die Bauern können mit den Schafen genossenschaftlich wirtschaften und verpflichten sich, nach zwei Jahren wiederum zehn Jungschafe zurückzugeben.

Krisen
Fast alle Moldauer gehören zu einer der orthodoxen Kirchen, 20.000 Menschen sind katholisch. Concordia-Einrichtungen sind keine Missions-Stationen. Trotzdem wird Spiritualität bei der mittlerweile vom Jesuitenpater Markus Inama geleiteten Organisation großgeschrieben. Als besonders schlimm beschreibt Schörgenhofer die Ohnmachtsgefühle Vieler, als es im Zuge des Ukraine-Konflikts im nahen Odessa zu Unruhen kam. Die Hafenstadt am Schwarzen Meer liegt nur 150 km von Moldaus Hauptstadt Chisinau entfernt. „Die Friedensgebete, die wir angeboten haben, haben unsere Mitarbeiter gestärkt“, erzählt Schörgenhofer.

Mittel und Menschen
Concordia ist die größte Hilfsorganisation des Landes. „Die Leute sagen zu mir: Ihr Österreicher strahlt so viel Nächstenliebe aus“, weist Schörgenhofer auch auf die Verantwortung hin, die daraus erwachsen ist. Eine Gruppe der Pfarre Lochau hat schon einen Spendentransport nach Moldau organisiert. Fünf Feuerwehrautos aus Vorarlberg wurden gerade überstellt. Wichtig ist aber auch Personal. Zwei freiwillige Vorarlbergerinnen arbeiten derzeit in der „Stadt der Kinder“ in Pirita. Auch Auslandsdiener sind für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gefragt. Denn junge Männer gibt es in der Republik Moldau nicht mehr viele.

Mehr unter www.concordia.or.at

Republik Moldau

Als eigenständiger Staat existiert die Republik Moldau erst seit 1991, als die Moldauische Sowjetrepublik sich während der Auflösung der Sowjetunion für unabhängig erklärte. Auf einer Fläche von knapp 34.000 km2 leben ca. 3,2 Millionen Menschen. Die politische Entwicklung des Landes wird seit zwei Jahrzehnten durch den Transnistrien-Konflikt mitbestimmt.

Seit 2004 ist „Concordia“ in der Republik Moldau tätig.

Die Arbeit in Zahlen:

Betreute Kinder und Jugendliche in „COC Pirita“, der Stadt der Kinder: 240.
Betreute Kinder und Jugendliche im „Casa Concordia“ in Chisinau: 20.
Betreute Kinder und Jugendliche in den Sozialzentren und Suppenküchen: ca. 1.500.
Betreute alte und alleinstehende Menschen: ca. 3.500.
Sozialzentren: 10, davon auf Familien spezialisiert: 3.
Suppenküchen / Filialen: 50.
Mitarbeiter/innen: 400.
Volontäre: 10.

(Aus dem KirchenBlatt Nr. 30 vom 24. Juli 2014)