Heidi Maria Glössner überzeugt in einem Ein-Frau-Stück am Vorarlberger Landestheater. Der doppelte Schmerz des Verlustes von Ehemann und Tochter erfüllt diesen Theaterabend eindringlich mit starker, authentischer Emotion.

Wolfgang Ölz

Die renommierte US-amerikanische Schriftstellerin Joan Didion (Jahrgang 1934) verlor am 30. Dezember 2003 ihren Ehemann, der ebenfalls Schriftsteller war. Ihre Tochter Quintana Roo starb am 26. August 2005 im Koma. Die wortgewaltige Autorin verarbeitete diese Verlusterfahrungen in den beiden Büchern „Das Jahr des magischen Denkens (2005)“ und „Blaue Stunden (2011)“. Das „Jahr des magischen Denkens“ hatte Didion innerhalb von 88 Tagen abgefasst, es wurde mit dem National Book Award ausgezeichnet. Die beiden Bücher dienten als Grundlage für eine Bühnenfassung, die als Monolog 2007 am Broadway uraufgeführt wurde. Die existentielle persönliche Betroffenheit lässt kaum an innere Distanz zwischen Stoff und Autorin denken. Joan Didion bestätigt im Interview die stark autobiografischen Züge dieser literarischen Texte: „In gewisser Weise musste ich die Geschichten (…) schon deshalb erzählen, weil sie sich direkt vor meiner Nase ereigneten. Es waren die echten Geschichten, die ich erzählen musste, um zu leben.“ Der Rahmen der Verlusterfahrung bildet das Milieu der Upperclass in New York. Es wird deutlich, dass Todesfälle das Leben eines Menschen, egal welcher gesellschaftlichen Schicht er angehört, innerhalb eines Augenblicks in Verzweiflung und Trauer stürzen können, denn, so meint die Schriftstellerin, „der Tod ist für uns alle ziemlich alltäglich.“

Tosender Applaus

Heidi Maria Glössner fasst das Theaterstück in der Regie von Wolfgang Hagemann als einen durchgehenden Schrei des Schmerzes auf. Die Behandlung im amerikanischen Gesundheitssystem beleuchtet grell, wie professionelle Hilfe (ein zugeteilter Sozialarbeiter) schnell das Gefühl von Gefühllosigkeit gegenüber dem Leid eines Angehörigen erzeugen kann. Keine sichtbare Interaktion zwischen verschiedenen Schauspielern, kein Witz, allenfalls leicht sarkastischer Humor und ein stark reduziertes, nicht bewegliches Bühnenbild lassen nicht zu, dass der Zuseher geistiger Weise ausweichen könnte. Wie eine griechische Todesgöttin beherrscht Heidi Maria Glössner den Theaterraum. Die Tragik erhöht sich, wenn man mitbedenkt, dass die Protagonistin, die ja weitgehend mit der Autorin identifiziert werden kann, den Glauben an ein Leben nach dem Tod aufgegeben hat.

Kritisch angemerkt sei, dass die Schweizer Schauspielerin Glössner, die über fünfzig Jahre Bühnenerfahrung mitbringt, die Rolle zu wenig akzentuiert. Vielleicht ist es auch ein Manko der Regie, dass zu wenig leise Passagen eingestreut sind, die dem lauthals hinausgeschrieenen Schmerz noch mehr Ausdrucksstärke geben könnte. Das Premierenpublikum war jedenfalls restlos begeistert und feierte den ca. 1,5 Stunden dauernden Theaterabend mit tosendem Applaus und lobenden Rufen. «

Joan Didion. Das Jahr magischen Denkens

So 27. / Do 31. Oktober, Sa 2. / Di 5. November, Fr 13. / Di 17. Dezember, 19.30 Uhr
Vorarlberger Landestheater, Großes Haus, Seestraße 2, Bregenz.
Karten: 05574 42780, E

(Aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 42 vom 17. Oktober 2019)