„Darüber sprechen“ ist der Titel einer Open-Air-Ausstellung der Initiative erinnern.at. Der Titel ist auch ein Auftrag. 14 Frauen und Männer, die den Holocaust überlebt haben, sprechen darüber, was sie er- und überlebt haben.
Veronika Fehle
Verfolgung, Flucht und Tod – ja, das war einmal. Heute ist ja alles ganz anders. Warum also immer darüber sprechen was war? Ein Blick in die direkte Nachbarschaft der Freiluft-Erinnerungs-Schau „Darüber sprechen“ zeigt, dass heute nicht alles so ganz und gar anders ist.
Wie nah Vergangenes ist
Dort, an der Mauer zur Pfarrkirche von Hittisau liegen viele große und kleine Steine. Blau und gelb sind sie bemalt worden. Sie tragen die Farben der Ukraine und damit eben jenes Landes, in dem derzeit Krieg herrscht und aus dem Menschen fliehen. Auf manchen Steinen liest man das Wort „Friede“, auf anderen sieht man ein „Peace“-Zeichen. Die Steine sind wie ein aktueller Rahmen für die Schau „Darüber sprechen“, die zeigt, wie sehr Krieg, Verfolgung und Flucht das Leben von Menschen prägt und warum es deshalb umso wichtiger ist, darüber zu sprechen, was geschehen ist.
Abschiede und Anfänge
14 Frauen und Männer kommen in dieser Ausstellung auf 14 Tafeln zu Wort. Sie haben den Holocaust überlebt. Viele andere nicht. Die Geschichten ihres Lebens erzählen von Verlust, aber auch von Hilfe, von Abschieden und manchmal auch von geglückten Neuanfängen. So wie die Geschichte von Sophie Haber. Geboren wird sie in Polen. Mit ihrer Familie kommt sie nach Wien. Als 16-Jährige flüchtet sie in die Schweiz. Ihre Eltern werden im KZ Auschwitz ermordet. Dass sie überlebt, hat sie, wie sie erzählt, Paul Grüninger zu verdanken. Also jenem Polizeikommandanten, der tausenden Menschen auf der Flucht die Einreise in die Schweiz ermöglichte. Er selbst wurde dafür fristlos aus dem Dienst entlassen und lebte bis zu seinem Tod in Armut. Erst seit 2012 erinnert eine Brücke zwischen Hohenems und Diepoldsau an Paul Grüninger. Und Sophie Haber, einst Gerettete, setzte sich bis zu ihrem Tod für die Rehabilitierung ihres Retters ein. Das ist eine der glücklicheren Geschichten. Dann ist da aber auch die Geschichte von Franz Rosenbach, der als sechstes Kind einer Sinti-Familie in Niederösterreich lebt. 1943 werden er und seine gesamte Familie nach Auschwitz verschleppt. Franz Rosenbach überlebt. Als Einziger. Dann sind da die Kinder, die in der Schule plötzlich bespuckt wurden. Da sind Geschwister, die getrennt wurden, einander nie wieder sahen und die letzten Worte nie vergessen können. Und da sind die Kinder, die ihre Eltern nicht ins Exil nachholen konnten und immer und immer wieder wiederholen: „Ich hole euch nach. Ich verspreche es. Ich hole euch nach.“
Die Erinnerungs-Ausstellung „Darüber sprechen“ hausiert nicht mit Leid. Sie zeigt was war. Sie überlässt Zeitzeug/innen das Wort und setzt das Erzählte in den jeweils größeren Kontext. So wird auf der Rückseite jeder der 14 Tafeln das zentrale Thema der individuellen Lebensgeschichte noch einmal aus historischer Sicht betrachtet. Die Schau „Darüber sprechen“ macht deutlich, warum es wichtig ist, sich zu erinnern und warum es wichtig ist, darüber zu sprechen was war. Nicht nur heute, aber gerade auch jetzt. «
Die Erinnerungsschau „Darüber sprechen“ ist neben der Pfarrkirche in Hittisau noch bis zum 5. November zu sehen. Die einzelnen Zeitzeug/innen-Interviews können auch auf der Website www.erinnern.at nachgehört werden.