Die Theologin und Germanistin Univ.-Prof. Dr. Susanne Gillmayr-Bucher könnte sich ein Leben ohne Bücher nicht vorstellen, vor allem nicht ohne das Alte Testament.

Josef Wallner

In ihrer Heimatpfarre Telfs (Tirol) leitete sie eine Jungschargruppe, hat Jugendgottesdienste mitgestaltet, aber noch mehr war der Religionsunterricht Anstoß, sich für das Theologiestudium zu entscheiden: „Die kritischen und anregenden Stunden bei Mag. Ewald Heinz haben in mir die Vorstellung geweckt, dass es in einem Theologiestudium viel zu entdecken geben könnte.“ Und so war es auch.

Internationale Erfahrungen

Susanne Gillmayr begann 1980 an der Uni Innsbruck mit dem Studium der Religionspädagogik und Germanistik. Dort hat es Professor Josef Oesch verstanden ihr die Welt des Alten Testaments aufzuschließen und sie für die Texte der Bibel zu begeistern. Diese Begeisterung hält ungebrochen an – bis heute. Nach Abschluss ihres Studiums konnte sie an einer Reihe von Universitäten ihr Wissen vertiefen, in Tübingen, Sheffield (Großbritannien) und Tel Aviv. Ab 2004 war sie Professorin für Biblische Theologie an der Technischen Hochschule Aachen, seit 2010 lehrt sie Altes Testament an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz (KTU).

König Salomo eine schillernde Figur

An ihrem Beruf schätzt Gillmayr die Verbindung von Forschung und Lehre. Die eigenen Forschungen, die Arbeit im Team mit jungen Wissenschafter/innen – „Es ist faszinierend mit seinen Arbeiten am Puls der Zeit zu sein und das unmittelbar in die Lehre umsetzen zu können.“

Aktuell beschäftigt sie sich intensiv mit König Salomo. Sie geht der Frage der Wirkungsgeschichte dieses Herrschers nach. Einerseits wird er als idealer, weiser und gerechter König dargestellt, gleichzeitig verschweigen die biblischen Texte seine Schwächen nicht. Diese Spannung hat schon innerhalb der Bibel ihren Niederschlag gefunden und bleibt bis ins 21. Jahrhundert in Kunst, Musik und Literatur erhalten. In einem dreijährigen Forschungsprojekt wird sie sich diesem Thema umfassend widmen.

Biblische Grundmelodie

Eine Biblikerin, die sich seit beinahe drei Jahrzehnten – fast täglich – mit alt- und neutestamentlichen Texten befasst, nach einer Lieblingsbibelstelle zu fragen, hat wenig Chance auf Antwort. „Woran ich gerade arbeite, das ist mir nahe“, sagt sie. Nicht einzelne Sätze, sondern die Grundmelodie, die sich durch das Alte Testament zieht, begleitet sie: Auf der einen Seite die Hoffnung, die das Vertrauen auf Gott schenkt, wie das im Psalm 91 seinen Ausdruck findet. Auf der anderen Seite haben auch die Menschen Platz, die scheitern. Das Schöne am Alten Testament sieht sie in seiner Ehrlichkeit: „Es lässt zu, dass eine Geschichte kein gutes Ende nimmt, dass nicht alles glatt ausgeht.“

Vom Buchstaben ins Leben

Ihren Auftrag als Bibelwissenschafterin versteht Gillmayr im Bauen von Brücken: „Von der Welt des Alten Orients, die uns allen fremd ist, in die Lebenswelt heute. So versuche ich meinen Beitrag zu leisten, dass das Wort Gottes unter den Menschen lebendig bleibt.“ Die Übersetzungsarbeit in die jeweils aktuelle Situation verlangt Anstrengung und die Bereitschaft, den Geist der Texte zu entschlüsseln: „Die Bibel spuckt nicht Wort für Wort die Wahrheit aus. Sie ist Gotteswort in Menschenwort.“

Die drei Monate der vorlesungsfreien Zeit im Sommer nutzt die Professorin zum Forschen, um an wissenschaftlichen Konferenzen teilzunehmen, natürlich auch um Urlaub zu machen und zum Lesen. „Ich lese viel, ich sitze auf einem Stapel von Büchern.“ Neben Fachbüchern liebt sie große Erzählungen. „Englische und US-amerikanische Literatur ist von der Erzählart her wunderbar. Es darf auch einmal Science Fiction sein.“