Schon traditionell bittet das KirchenBlatt den Pastoralamtsleiter am Jahresbeginn zum Interview. Martin Fenkart verrät dabei seine Ausblicke für 2017: Von der PGR-Wahl über das Reformationsjubiläum bis zu seinen Wünschen an Papst Franziskus.

Interview: Dietmar Steinmair

Am 19. März 2017 werden in Österreichs Diözesen die Pfarrgemeinderäte neu gewählt. Was sind für Sie die wichtigsten Eckpunkte der PGR-Arbeit - und wie ist die Kandidaten-Suche für die Wahl bisher gelaufen?
Martin Fenkart: Die PGR-Wahlen sind eine Gelegenheit, dass Frauen und Männer mit ihren Talenten Mitverantwortung in der Leitung von Kirche vor Ort übernehmen. Diese Chance zu vertun, wäre ein Jammer. Einer der Eckpunkte lautet somit: „Gemeinsam statt einsam“, ein zweiter: „Avanti mit Freude!“ In fast allen Pfarren standen bereits im Herbst die Wahlvorstände fest. Das sind erfreuliche Vorboten für die Wahl. Wir haben in vier Regionen zu Wahlstammtischen eingeladen und dabei eine hohe Beteiligung und ein reges Interesse erlebt. Die Kandidatensuche ist noch nicht abgeschlossen. Die Ehrenamtlichen zu finden, ist immer wieder aufwändig, gleichermaßen ermöglicht dieses Aufmischen aber auch Erneuerung. Kurzum, ich sehe die Situation positiv.
Eine entscheidende Frage ist, ob es uns gelingt, viele zum Mittun zu ermutigen und mit dem inneren Kern der Gemeinden jene Menschen herzlich und gut zu empfangen, die nur gelegentlich Kontakt zur Kirche suchen. Oder um mit einem konkreten Bild zu antworten: Wenn sich die Nachbarsbäuerin gelegentlich darüber beklagt hat, dass es zu kalt in ihrer Stube sei, dann meinte ihr pragmatischer Mann: „Jo denn hou halt a Schitt i da Ofa, anstatt dass d’all jömarascht.“ Es ist also Zeit zum Zupacken.

Wie sieht es mit den Entwicklungen in den so genannten „Seelsorge-Räumen“ aus? Wie ist etwa die Stimmung in Dornbirn, wo es im letzten Jahr doch einiges an Irritationen gab?
FWort zum Sonntag April 2013enkart: In „Evangelii gaudium“ schreibt der Papst, es gelte „das bequeme pastorale Kriterium des ‚es wurde immer so gemacht‘ aufzugeben“. Veränderungen kann man auch Positives abgewinnen. Die Kirche in den Städten Vorarlbergs in einer Übergangssituation zu gestalten, bringt aber nicht nur neue Gestaltungsmöglichkeiten hervor. Die neuen Strukturen rufen beim „Stammpublikum“ nicht unisono Freude, sondern mancherorts auch Irritation oder gar Ärger hervor.
Ich erlebe uns heute in einer doppelten Spannung. Da ist eine innere Spannung, weil die „aktiven Katholik/innen“ unterschiedliche Bilder im Kopf oder im Herzen haben, wie Kirche sein soll, damit sie ihren Wertevorstellungen und Glaubensüberzeugungen entspricht. Manchen geht jede Veränderung zu langsam, anderen viel zu schnell. Noch herausfordernder erlebe ich eine zweite Spannung: die Spannung hin zu jenen Menschen, denen die gute Nachricht des Evangeliums ebenso gilt. Menschen, die zum Beispiel katholisch sind, in ihrem Alltag aber mit den Praktiken der Kirche schon lange nichts mehr am Hut haben. Sie können nicht annähernd nachvollziehen, mit welchen Fragen wir uns etwa strukturell aufhalten. Sie haben den inneren Anschluss zu uns völlig verloren - es liegt an uns, ihn wiederaufzubauen und die Zeit nicht zu vertun.

Wann werden die Ergebnisse der Umfrage zur Seelsorge in Dornbirn, bei der sich im November rund 1000 Menschen beteiligt haben, präsentiert?
Fenkart: Die Präsentation wird im Februar sein, wenn wir die wichtigsten Daten ausgewertet haben. Ich bin sehr dankbar für diese hohe Beteiligung in allen Pfarren. Das macht deutlich, dass die Zukunft der Kirche in Dornbirn vielen Menschen am Herzen liegt.

2017 ist das große Reformationsjahr - vor 500 Jahren hat Martin Luther seine Thesen zur Kirchenreform veröffentlicht. Wie wichtig ist die Ökumene für die katholische Kirche im Land?
Fenkart: Wir kennen bei uns verschiedene Initiativen gelebter Ökumene: Ökumenische Gespräche, Gottesdienste, Gastfreundschaft, indem wir Kirchen und Räume für Liturgien und Veranstaltungen zur Verfügung stellen, aber auch der gemeinsame Einsatz für Gerechtigkeit, Friede und die Bewahrung der Schöpfung. Jede Form von Mit- und Füreinander ist wichtig, vor allem aber die Haltung, dass wir voneinander stets lernen wollen. Dies gilt für unsere Beziehungen zu den fünf evangelischen Gemeinden, für jene zu den orthodoxen Kirchen und genauso zu den Freikirchen im Land.
Mich hat berührt, wie Papst Franziskus bei einem Treffen mit Pilgern wissen wollte, wer denn besser sei, die Evangelischen oder die Katholiken - und die Antwort gleich selbst auf Deutsch gab: „Besser sind alle zusammen!“ Was die Aufarbeitung der eigenen Geschichte angeht, so ist es wichtig, dass wir die unheilvollen Zeiten der Verurteilung oder Vertreibung keinesfalls vergessen, damit Vergebung möglich wird.

Papst Franziskus hat für Herbst 2018 eine Bischofssynode zum Thema Jugend, Glaube und Berufungsfindung angekündigt. Werden die Diözesen weltweit im Vorfeld wieder dazu befragt werden wie bei der Familiensynode 2015?
Fenkart: Ja, laut Bischof Benno ist das vorgesehen. Ich freue mich darauf, denn dieses Thema halte ich für zukunftsweisend.

Apropos Papst: Franziskus hat im Dezember seinen 80. Geburtstag gefeiert. Was wünschen Sie ihm für die nächsten Jahre? Und was wünschen Sie sich vom Papst für die Kirche?
Fenkart: Mit kraftvollen Worten verweist Franziskus auf die Barmherzigkeit Gottes und hat oft den Finger in die Wunden vielschichtiger Probleme von Kirche und Gesellschaft gelegt. Krankheiten können nur dort heilen, wo Wunden oder Geschwüre berührt und mit Geduld gepflegt werden dürfen. Ich wünsche ihm Ausdauer und Gesundheit, um bis ans Ende seiner Intuition und Vision zu gehen. Ein entscheidendes Match spielt sich in der Personalpolitik ab. Das ist ein sehr nachhaltiger Dienst, den ein Papst der Kirche erweisen kann, wenn er die „richtigen Bischöfe“ beruft und diese Entscheidungen nicht dem Machtspiel von rückwärtsgewandten Mitbestimmern überlässt.
Die Zukunft könnte Franziskus prägen, wenn er zum Beispiel seinen Worten über die Rolle der Frau in der Kirche jetzt auch die nötigen Taten folgen ließe, in dem er in seiner Nähe kompetenten Frauen bisher nicht dagewesene Verantwortung übertragen würde. Mit Mut und Kreativität könnte er so eine neue Epoche einläuten, entgegen jeglicher „Männerseilschafts-Leitungskultur“.

2016 haben Sie mit dem neuen Kommunikations-Format „W‘ortwechsel“ die Kirche ins Gespräch mit den Leuten gebracht. Ist eine Wiederholung geplant?
Fenkart: Ja, die Initiative werden wir im Mai 2017 wiederholen. In Privathäusern wird so das Gespräch über die Grundfragen des Lebens ermutigt. Interessante Gesprächspartner aus Wirtschaft, Kultur, Sport, Medienwelt und Kirche können nach Hause eingeladen werden. Im Titel des Vorhabens verbirgt sich das Wortspiel Ortswechsel & Wortwechsel. Beides - der gelebte Dialog und die neuen Orte für kirchliches Handeln - werden auch das bevorstehende Diözesanjubiläum 2018 bestimmen.

2018 feiert also die Katholische Kirche Vorarlberg einen runden Geburtstag, denn seit 50 Jahren gibt es die eigenständige Diözese Feldkirch. Welche Vorbereitungen auf das Diözesanjubiläum laufen schon und was ist geplant?
Fenkart: Die Aktivitäten des Jubiläums laufen in der Zeit von März bis Dezember 2018. Ein Traum ist, dass dieses Jubiläum vielen Menschen eine überraschende Begegnung mit Gott bringen kann. Wir werden durch verschiedene Veranstaltungen dankbar zurückschauen und vor allem aber „Wegbereiter-Initiativen“ einer „Geh-Hin-Kirche“ ausprobieren. „Wer keine neue Ideen hat, feiert Jubiläen“, habe ich einmal gelesen. So wollen wir es nicht handhaben. Es gibt gute neue Ideen, die wir anlässlich des Jubiläums angehen werden. Zum Beispiel ein großes Fest am See für alle im Mai 2018. Mehr will ich jetzt aber noch gar nicht verraten. Geschenke soll man ja bekanntlich nicht vor dem Geburtstag auspacken.

Vielen Dank für das Gespräch! 

(aus dem KirchenBlatt Nr. 2 vom 12. Jänner 2017)