Die Pfarre Nenzing veranstaltet ab 2. November vier Impulsabende zum Thema „Christentum und Islam“. Das KirchenBlatt sprach vorab mit dem Muslim und Doktorand für katholische Theologie an der Universität Innsbruck, Durmus Gamsiz, der am zweiten und dritten Abend über den Islam referieren wird.

Die Fragen stellte Wolfgang Ölz

Welche Koranübersetzung empfehlen Sie ChristInnen, die sich selbst ein Bild von der Sprache des heiligen Buches des Islams machen wollen?
Unlängst habe ich einer Kollegin, sie ist katholische Religionslehrerin, die Bücher „Die Botschaft des Koran, Übersetzung und Kommentar“ von Muhammad Asad und „Der Koran: Vollständige Übersetzung mit umfangreichem Kommentar“ von Ali Ünal empfohlen. Auch könnten an dieser Stelle die zwei Werke von Rudi Paret - „Der Koran: Übersetzung“ und „Kommentar und Konkordanz“ - empfohlen werden. Wie Sie merken, rate ich zu Werken, die neben Übersetzungen auch Kommentare beinhalten. Ich persönlich schlage, wenn sich mir gewisse Stellen trotz Übersetzung und Kommentar nicht erschließen lassen, auch in Bedeutungswörterbüchern nach.
Insgesamt ist die Auseinandersetzung mit dem Qur'ān recht herausfordernd. Denn neben eindeutigen Sätzen gibt es auch solche, die uneindeutig sind. Dies ist der Grund dafür, dass ich zu Werken rate, die nebst einer Übersetzung auch Kommentare liefern. Erst mit diesen können Hintergrundinformationen erfasst, Anlässe zur Hinabsendung nachvollzogen und der Kontext, in denen die Hinabsendungen erfolgten, erschlossen werden. Der Qur'ān will zum Verstehen anregen.

Gibt es gute Einführungen, die auch der Zeitbedingtheit der Aussagen im Koran Rechnung tragen?
Wie bereits erwähnt, sind Qur'ān-Kommentare gute Hilfen für Kontextualisierungen. Mit der Ausgabe „Der Koran: Eine Einführung“ von Hartmut Bobzin kann die Empfehlungsliste erweitert werden. Bobzin geht darin auf die Entwicklung und den Aufbau des Qur'āns ein. Auch behandelt er darin sprachliche und literarische Eigenheiten. All jenen, die sich für die Genese des Qur'ān und mehr interessieren, kann auf das Buch „Ulum al-Qur'ān - Einführung in die Koranwissenschaften“ von Ahmad von Denffer verwiesen werden.

Wie sieht es mit den vielen Gewaltstellen im Koran - vor allem aus der Zeit in Medina – aus? Widersprechen sie nicht den mekkanischen Versen, die von Barmherzigkeit und Liebe sprechen?
Dass qurꞌānische Stellen auf Anlässe hin herabgesandt wurden, habe ich schon durchklingen lassen. Und ja: Es gibt Stellen in medinensischen Versen, die Gewalt beinhalten. Aber es gibt auch Stellen, die ebenfalls medinensisch sind und auf Frieden aus sind.
Ich denke da beispielsweise an die 48. Sūṛaḫ, die in die deutsche Sprache mit „Der Sieg“ übersetzt wurde. Thematisiert wird darin ein Sieg, der offenkundig errungen worden sei. Ohne Hintergrundwissen könnte dabei an eine kriegerische Auseinandersetzung gedacht werden. In die Kommentarwerke blickend wird aber klar, dass der Sieg ohne einen kriegerischen Vormarsch erlangt wurde. Konkret geht es an dieser Stelle um den Friedensvertag, der am Ort Hudaybiya für zehn Jahre geschlossen wurde. Trotz den nachteiligen Bedingungen willigte der Gesandte Muḥammed dem Abschluss des Vertrages zu. Wie zu sehen ist, würden wir - wenn uns jegliches Kontextwissen verborgen geblieben wäre - die Stelle missverstehen. Ob die medinensischen Verse im Widerspruch zu den mekkansichen stehen, kann also nur aus den jeweiligen Kontexten erschlossen und nicht ausschließlich aus dem Text selbst entnommen werden.
Bezüglich jener Stellen, in denen zu direkten Gewaltanwendungen aufgerufen wird, gilt neben der Kontextualisierung auch zu unterscheiden zwischen allgemeingültigen und situationsbedingten Verhaltensregeln. Die 2. Sūṛaḫ (Āyaḫ 256) ist eine solche allgemeingültige Regel, die besagt, dass Gewalt nicht dem Willen Gottes entspricht.

Für Muslime gilt, gemäß den Worten Muḥammeds zu handeln, welche er bei der Ankunft in Medina sprach: „Betet den Barmherzigen an und verbreitet den Frieden“. Auch sagte er: „Bei dem Einen in Dessen Hand meine Seele! Ihr werdet nicht ins Paradies eingehen, eher ihr glaubt und ihr werdet nicht glauben, eher ihr einander liebt. Soll ich euch über eine Sache informieren, mit der, wenn ihr sie tut, einander lieben werdet? Verbreitet den Frieden untereinander.“ (Sunan Ibn Mādscheḫ, Ṣaḥīḥ Muslim)

Welche Rolle kommt der Heiligen Schrift im Christentum und Islam zu? Sind die sogenannten "Schwertverse" vergleichbar mit Stellen im Alten Testament?
Grundsätzlich gelten die Thora, die Psalmen, das Evangelium und der Qur'ān als göttlich. Die Ablehnung eines dieser Heiligtümer würde für die Muslime einen Übertritt über die Grenzen eines der sechs Glaubensgrundsätze bedeuten.
Als unumgänglich erweist sich in diesem Kontext die Unterscheidung zwischen der immateriellen göttlichen Botschaft, die wir Muslime als „Kelāmullāḫ“, als die Rede Allāḫs verstehen, und des jeweiligen Mediums, in denen die Botschaften festgehalten werden. Dass Gott zu unterschiedlichen Zeiten zu unterschiedlichen Menschen gesprochen hat, und dass diese Reden (plural) festgehalten wurden, zeigt sich in verschiedensten Formen, nicht zuletzt in der Form des Muṣḥaf, des Buches also. Mit dieser Unterscheidung können wir verstehen, dass eine entehrende Behandlung eines Muṣḥafs, des materiellen Buches also, nicht eine Entehrung der göttlichen Rede bzw. Botschaft miteinschließt. Nichtsdestotrotz kann ein entehrender Umgang mit den heiligen Büchern eine Verletzung auslösen. Dies ist Grund für das würdevolle Umgehen mit dem Qur'ān. Aber auch mit der Bibel: Während meines Studiums, als meine christlichen StudienkollegInnen und ich in der Bibel lasen, legte eine christliche Kollegin diese auf den Boden. Als ich das sah, empfand ich in mir das Bedürfnis, die Bibel vom Boden aufzuheben. Schließlich tat ich das dann auch, denn für mich war das Buch, das da auf dem Boden lag, der Träger der göttlichen Botschaft. Nicht selten ist in diesem Zusammenhang auch eine eher unbedachte und aus dem Reflex ausgehende Reaktion zu vernehmen. Ein solches Verhalten ist sowohl dem Qur'ān, als auch der Sunnaḫ, und auch dem anatolischen Muslimentum samt ihrer Tradition zuwider.

Der Qur'ān, der nach der oberen Unterscheidung nicht nur das materielle Buch an sich, sondern eigentlich die göttliche Botschaft darin ist, ist den Menschen mittels dem Gesandten Muḥammed nicht nur mündlich verkündet, sondern auch vorgelebt worden. Einst gab ʿĀ'ischeḫ auf die Frage, ob sie nicht über den Charakter des Gesandten Muḥammed erzählen könnte, folgende Antwort: Liest du nicht den Qur’ān? Die Lebensweise des Gottesgesandten (F.u.H.) war der Qur’ān. (Sunan Abu Dawud). Im Qur'ān wird von der Sendung eines Lichtes und der offenkundigen Schrift berichtet. (50. Sūṛaḫ, Āyaḫ 16) Dem berühmten Exegeten eṭ-Ṭaberī zufolge handelt es sich dabei um keinen anderen als Muḥammed. Gemäß der Aussage der ʿĀ'ischeḫ und der Āyaḫ ist es nicht falsch, wenn man sagt, dass Muḥammæd der lebendige Qur'ān war.

Neben der gebetsartigen und meditativen Rezitation soll der Mensch nicht nur die Tiefen der Botschaften ergründen, sondern sie auch als ein Index der Schöpfung und des darin lebenden Menschen verstehen. Er soll die alltäglichen Geschehnisse anhand der im Qur'ān vorkommenden Zeichen vor Augen führen und sich besinnen. Dies ist jener dynamische Prozess, der den Menschen zur Erkenntnis führen soll. Nicht wenige Stellen verweisen auf dieses Denken.

Bezüglich der Bibel wird im zweiten Vatikanum, in der Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei verbum“ erklärt, dass die Heilige Schrift Gotteswort im Menschenwort ist. Auch hat hier das Wort Gottes eine Aufzeichnung erfahren. Die göttliche Botschaft wurde sowohl im christlichen und auch im muslimischen Denken dem Menschen zuteil und zwar durch Menschen.

Hinsichtlich der „Schwertverse“ gilt, wie bereits erklärt, zu hinterfragen, in welchem Kontext der Gesandte Muḥammed die Āyaḫ, den Vers also, vernommen und verkündet hatte. Ist es, wie sie in ihrer Frage es formulieren, eine kriegsverherrlichende Stelle? Eine Kriegsoffensive oder vielleicht eine Kriegsdefensive? Geht es um das Treffen von Maßnahmen? War man dabei im Kriegszustand oder herrschte Frieden? Die wichtigste Frage dabei ist, ob damit eine allgemeingültige oder eine situationsbedingte Anordnung geäußert wurde. Wie gesehen werden kann, muss um zu verstehen, ein ganzheitlicher Denkprozess unternommen werden. Stellen aus dem Kontext zu reißen, wäre, wie man zu sagen pflegt, nichts anderes als eine Steinbruchexegese. Diese gilt für die Bibel genauso wie auch für den Qur'ān.

Warum lässt sich der Islam von Islamisten missbrauchen?
Es gibt Menschen, die ihre Interessen mit Mitteln zu erzielen versuchen, welche als plausibel und legitim gelten. Aber gibt es auch solche, die ihren Interessen nachgehen und sich dabei an Mitteln bedienen, welche keineswegs plausibel und legitim sind. Im Zusammenhang der Islamisten geht es um Menschen, die den Islām, den Qur'ān, usw. für die Durchsetzung ihrer Interessen heranziehen. Sie formulieren Sätze in religiöser Sprache, argumentieren qurꞌānisch und vermitteln gemäß ihrer Zielsetzung das Gefühl der Verpflichtung zu einer religiös-notwendigen Solidarität. Dabei vergreifen sie sich nicht nur am Heiligsten der Menschen, sondern instrumentalisieren dieses und bringen es auch in Misskredit. Ob der Missbrauch durch die ausgeklügelte Rhetorik oder durch etwaige Versprechen auf der einen Seite oder ob durch Leichtsinnigkeit, Rachegefühl oder ähnliches auf der anderen Seite zustande kommt bzw. kam, kann auf theoretischer Ebene weitergedacht werden.

Dass ein Missbrauch aber überhaupt möglich ist, hat meines Erachtens mit Unwissen zu tun. Eine Abhilfe würde durch mehr Bildung und Aufklärung geschafft, die zu einer Haltung führen, in der das kritische und prüfende Denken die missbrauchenden Akteure in die Schranken weisen würden.

Leben Sie selbst nach den fünf Säulen des Islams, nach Mekka pilgern, tägliches Gebet, Almosen, Glaubensbekenntnis und Fasten im Ramadan?
Um ihrer Frage eine erste Antwort gegeben zu haben. Ja, ich versuche mit dem besten Gewissen diesen grundpraktischen Verpflichtungen nachzukommen. Aber das ist nur ein Teil der Anforderungen, die sich mir stellen. Neben diesen grundpraktischen Verpflichtungen gibt es auch andere, wie beispielsweise die soziale Verpflichtung: Darin werde ich aufgerufen zum Guten einzuladen, zum Gebilligten aufzurufen und vom Missbilligigendem abzuraten (Sūṛaḫ:3, Āyaḫ:104). Eine weitere Verpflichtung ist etwa die erkenntnistheoretisch. Wie sie sehen, besteht der Islām nicht nur aus den grundpraktischen Verpflichtungen, aus den fünf Säulen also. Zudem gilt es auch zu schauen, wie die Zufriedenheit Gottes noch erlangt werden kann. Islām meint nämlich die Erreichung jener Haltung, die dem Willen, der Erwartung und der Zufriedenheit Gottes entspricht.

Warum promovieren Sie in katholischer Theologie?
Im Grundstudium Katholische Fachtheologie wurde uns geraten, uns durch die Brille des anderen einmal zu betrachten. Als ich dies tat, merkte ich, dass es zwischen den Muslimen und den Christen viele Gemeinsamkeiten gibt, aber sie diese nicht auf den Punkt bringend ausformulieren können. Erst da habe ich mir beispielsweise Gedanken über den Begriff „Religion“ gemacht. Konnte dieses bedeutungsreiche Wort ohne überprüft zu werden auf den Islām angewendet werden? Hatte man sich damit schon auseinandergesetzt? Passte das Konzept, das dem Wort inne war? Mit der Zeit lernte ich das theologische ABC und ich konnte Antworten auf Fragen formulieren, die interkulturell und interreligiös waren. Gegenwärtig frage ich, ob die Diskussion über die Europäisierung des Islām, so wie sie geführt wird, überhaupt möglich ist. Meine ersten Erkenntnisse fordern neue Begriffe, neue Formulierungen. Im Dialog zwischen Christen und Muslimen entwickelt sich eine neue Sprache, wo ich der Meinung bin, meinen Teil leisten zu können.

Wie und warum ist Gott den Menschen im Islam besonders nah?
Um der Frage eine angemessene Antwort geben zu können, muss ich ein wenig ausholen und fragen, was gemäß dem Qur'ān unter dem Begriff „Islām“ überhaupt zu verstehen ist. In der folgenden Āyaḫ, im qurꞌānischen Satz also, heißt es: Gewiss, der Dīn bei Allāḫ ist der Islām. (3. Sūṛaḫ, Āyaḫ 19). Wenn der Begriff Dīn nicht mit Religion, sondern gemäß der muslimischen Gelehrsamkeit, mit göttlichem Gesetz, An-Ordnung, An-Weisung, Wille, Bestimmung oder mit System übersetzt wird, lautet der Satz wie folgt: Gewiss, der Wille bei Allāḫ ist der Islām.

Aus der 3. Sūṛaḫ, Āyaḫ 83 kann entnommen werden, dass der Begriff „Islām“ einen Bedeutungshorizont aufweist, der die Übersetzungen Ergebenheit, Entsprechung, Hingabe oder Demut miteinbeschließt. Wenn eine dieser Übersetzungen in den vorherigen Satz eingesetzt wird, lautet dieser dann: Gewiss, der Wille bei Allāḫ ist die Ergebenheit.

Daraus folgt zum einen, dass der Qur'ān den Islām als Dīn, mit dem Bedeutungshorizont göttliches Gesetz, An-Ordnung, An-Weisung, Wille, Bestimmung oder System erklärt. Zum anderen ergibt sich aus der Erklärung, die Haltung, die dem Willen Allāḫs entspringt, von Allāḫ erwartet wird und dem der Mensch durch Ein- und Ausübung entsprechen soll.

Der Grund für meine weitläufige Erläuterung ist, dass die Aussage, der Islām sei der Name einer Religion, weder dem Qur'ān, noch dem Religionsbegriff gerecht wird. Wenn ich also vom „Islām“ rede, dann nicht in der Kategorie „Religion“, sondern der Islām ist für mich die Haltung bzw. der Habitus, den der Mensch erreichen soll. Diese Haltung, dem Willen Gottes zu entsprechen, kennen wir auch aus der Bibel. In Psalm 40,8 heißt es: Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern, und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen. Im Lukasevangelium heißt es: Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen (Lk 22,42). Nicht zuletzt heißt es auch: Da er sich nicht überreden ließ, gaben wir nach und sagten: Der Wille des Herrn geschehe (Apg 21,14).

Goethe schreibt in diesem Zusammenhang:
„…Wenn Islam 'Gott ergeben' heißt, In Islam leben und sterben wir alle."
(West-östlicher Divan,1819)

Die Nähe Gottes ist demnach in der Hinwendung, in der demütigen Ergebenheit zu der An-Ordnung bzw. zu dem Willen Gottes zu finden. Nicht aber in der Abwendung oder in einer hochmütigen Art Ihm gegenüber. Im Qur'ān, in Seiner Rede also, sagt Gott, dass er dem Menschen näher als seine Halsschlagader ist. (50. Sūṛaḫ, Āyaḫ 16). Daraus ist zu verstehen, dass Gott immer da ist. Zudem sagt Gott, der Aussage Muḥammeds zufolge: „Ich bin so wie mein Geschöpft denkt, dass Ich bin. Ich bin mit ihm, wenn er sich an Mich erinnert. Wenn er sich an Mich in seinem Inneren erinnert, so erinnere auch ich Mich an ihn in Mir; Und wenn er sich an Mich in einer Gruppe von Menschen erinnert, erinnere Ich mich an ihn in einer Gruppe, die besser ist als sie; Und wenn er eine Spanne näher zu Mir kommt, komme Ich eine Elle näher zu ihm; Und wenn er eine Elle näher zu Mir kommt, komme Ich die Weite seiner zwei ausgestreckten Arme entgegen; Und wenn er gehend zu Mir kommt, laufe Ich ihm entgegen.“ (Ṣaḥīḥ el-Bukhārī, Ṣaḥīḥ Muslim)

Ein Spruch des anatolischen Dichters Yununs Emre verweist auf die Nähe Gottes, in dem er Ihn im Herzen des Menschen verortet, wie folgt:

Herzen sind des Gottes Thron, Gott blickte in die Herzen schon
jene die zerstört haben die Herzen. Unglück in beiden Welten für sie als Lohn.
(Dîvân-ı Yununs Emre 299:5f)

Zudem denke ich, einer Aussage Muḥammeds entsprechend: „So viele Atemzüge wie der gesamten Schöpfung innewohnen, so viele Wege führen zu Gott.“ Deshalb denke ich, dass all jene, die an dem Seil Gottes festhalten (3. Sūṛaḫ, Āyaḫ 103), Seine Nähe spüren und das Heil erlangen werden.

Was sind die größten Differenzen zwischen Christentum und Islam?
Während meines Studiums fand ich für etliche Inhalte annehmbare Erklärungen. In der Christologie und in der Trinitätslehre konnte ich den Ausführungen aber nicht mehr zustimmen. Nicht weil ich die Erklärungen nicht verstand, sondern weil ich die Vorstellung der Inkarnation nicht annehmen konnte. Denn der islāmischen Lehre nach sind jegliches Bestehende und alle Dinge – materiell, wie auch immateriell - Projektionsflächen bzw. Manifestationsräume der göttlichen Namen. In ihnen erlangen die göttlichen Attribute ihre Offenbarung. Die göttliche Begabung, seine Werke, Attribute und Namen zeigen sich in der Welt des Geschehens, sie manifestieren sich auf der innerweltlichen Ebene. In der Folge ergeben sich Gegebenheiten, die unter anderem auch dem Menschen zuteilwerden. Nichts aber was außerhalb des göttlichen Wesens ist, gehört zu Seiner Essenz. Was nicht zu Seinem Wesen gehört, ist außerhalb und anders als Er. Aus diesem Denken heraus können wir eine Inkarnation, in der Gott Mensch wird, nicht annehmen. Oft habe ich mich in diesem Zusammenhang die Frage gestellt: Ist die Rede von der Menschwerdung vielleicht eine allegorische bzw. metaphorische? Dem könnten wir nämlich folgen. Denn, dass sich Gott für den Menschen interessiert, sich um ihn kümmert, entspricht einem seiner Namen. Dass dieses „sich interessieren für“ in der Sendung von Jesus zeigte, entspricht wie dem Christentum auch dem Islām.

Dem Qur'ān nach ist Jesus Mesias Kelimetullāḫ, ein Wort Allāḫs (3. Sūṛaḫ, Āyaḫ 39, 45) im Sinne, dass Allāḫ „Sei!“ gesagt hat und somit Jesus Mesias von der Mutter Maria geboren wurde. Damit ist der Erschaffungsakt bzw. der Übergang von der göttlichen Wissensebene in die innerweltliche Werdensebene gemeint. Für uns heißt dies, dass Jesus ein Wort unter anderen war, mit der Macht Gottes erschaffen und seitens der Mutter Maria geboren wurde. Elmalılı Muhammed Hamdi Yazır zufolge weist die Bezeichnung „Wort Gottes“ auf die Außergewöhnlichkeit Jesu hin. Und auch, dass die Erschaffung, eben ohne ein Mittel (Vater), durch die Mutter Maria stattgefunden habe. Zudem weist die Bezeichnung „Wort Gottes“ auf die Wahrhaftigkeit des Wortes hin. Die Bedeutung des Wortes, dass seitens Jesus zum Ausdruck gebracht wurde, wird im Qur’ān wiedergegeben, wie folgt: „Gewiss, Allāḫ ist mein Herr und euer Herr! So verherrlicht Ihn, dies ist ein gerader Weg!“ (3. Sūṛaḫ, Āyaḫ 51), Aufgegriffen wird die Wahrhaftigkeit Jesu auch in der 19. Sūṛaḫ, Āyaḫ 34: „Dies ist ʿĪsa, Meryems Sohn. Er ist das Wort der Wahrheit, über den sie zweifeln.“

Wie sie sehen sind die Denkstrukturen und die Annäherungen zu den Themen eine andere, als im Christentum, wass aber nicht heißt, dass Muslime Jesus missachten würden. Keinesfalls, viele geben ihren Kindern die Namen ʿĪsa, Mesīḥ und Meryem, welche, wie sie wissen, die qurꞌānischen Entsprechungen zu Jesus, Mesias und Maria sind. Wir kennen Jesus auch unter der Bezeichnungen Rasūlullāḫ und Rūḥullāḫ.

Was können Christen von Muslimen lernen?
Mit ihrer Erlaubnis würde ich die Frage dahingehend ändern, dass ich frage, was wir voneinander lernen können. Im Qur'ān heißt es nämlich, dass wir zu Völkern und Stämmen gemacht wurden, damit wir einander erkennen (49. Sūṛaḫ, Āyaḫ 13). Was wir voneinander lernen können, ergibt sich aus dem Miteinander. Von meinen christlichen Freunden, beispielsweise, habe ich zu hören bekommen, dass ihnen das Gebet bewusster geworden ist durch die Muslime. Was mir durch meine christlichen Freunde bewusster geworden ist, ist zum Beispiel die Sanftmütigkeit. Dass das eine oder andere in der jeweiligen Religion vorhanden ist, heißt nicht, dass diese auch der einzelnen Person zuteilwurde. Allenfalls möchte ich wiederholen, dass wir durch ein Miteinander voneinander lernen können.

Christentum und Islam - 4 Impulsabende

Anmeldung bis 26. Oktober: T 05525 62243, E Veranstalter: Pfarre Nenzing in Kooperation mit dem Bildungsteam SchlinsRönsSchnifisDünsDünserberg und dem Katholischen Bildungswerk Nenzing. Mehr Infos zu den einzelnen Terminen und den Referenten finden Sie hier.
Mittwoch 2. / 9. / 16. / 23. November, jeweils um 19.30 Uhr, Pfarrsaal, Nenzing.