Kolumne: Welt der Religionen

Ursula Rapp

Wenn man hierzulande einen katholischen Menschen fragt, was er oder sie mit religiösem Fasten verbindet, dann wird man an die vorösterliche Zeit, an Aschermittwoch und Karfreitag erinnert werden. Fasten besteht an diesen beiden strengen Fasttagen darin, nur eine sättigende Mahlzeit und kein Fleisch zu sich zu nehmen. Wie man dagegen in der so genannten Fastenzeit fastet, ist offen. „Besinnung“, Gott oder „dem Wesentlichen“ will man näher kommen.

Fragt man dagegen etwa russisch-orthodoxe Christinnen oder Christen, ist das schon anders. 40 Tage lang werden keine Tierprodukte verzehrt, richtig vegan lebt man da. Äthiopische Christen nehmen 55 Tage vor Ostern an Wochentagen bis 15 Uhr nichts zu sich.

Damit nähern wir uns etwas dem muslimischen Brauch des Ramadan-Fastens an. Im 9. Monat des muslimischen Jahres wird 30 Tage lang, heuer von 6. Juni bis 5. Juli, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts gegessen und getrunken. Sobald die Sonne untergegangen ist, wird das Fasten gebrochen, man beginnt langsam mit Wasserschlucken, Datteln und isst sich dann gut satt, wobei es regional unterschiedliche traditionelle Speisen gibt. Nach dem Essen wird gebetet, Männer gehen in die Moschee, die Gebete im Ramadan sind besonders wertvoll, gute Taten bergen besonderen Segen in sich. Manche werden sich fragen, warum Gebete und Werke in dieser Zeit besonders sein sollen?

Das hat etwas mit dem religiösen Fasten zu tun. Wer fastet, weiß, wie sehr die körperliche Leere in Seele und Geist wirken: Man wird dünnhäutig, sensibler, aber auch klarer, hellsichtiger, durchlässiger, erkennt Dinge, die man vorher nicht erkannt hat. So wird man im Beten durchlässiger für Gott, so wirkt auch das Handeln tiefer. Alles, was wir tun und sagen, wirkt in uns, formt uns. Während des Fastens umso intensiver. Wer diese Erfahrung kennt, erlebt sie gern wieder und wieder. Es ist einfach eine gute Zeit, eben eine gesegnete.

Das Fasten zu brechen ist jeden Abend ein Fest, und am Ende des Ramadan umso mehr: Dann werden die Kinder beschenkt und man kleidet sich neu ein. Ein großes Geschenk ist es, wenn man als Nichtmuslim eingeladen wird in diese großzügige Freude über die gelebte Verbundenheit mit Gott, über das Geschenk des Essens und der Gemeinschaft.

Ursula RappUrsula Rapp
Leiterin des Instituts für Religionspädagogische Bildung der KPH „Edith Stein“
sowie Beauftragte der Katholischen Kirche Vorarlberg für den Interreligiösen Dialog