Das Kunsthaus Bregenz zeigt mit Wael Shawky einen muslimisch-ägyptischen Shootingstar der globalen Kunstszene. Seine Marionetten thematisieren das fast tausendjährige Trauma der Muslime bezüglich der Kreuzzüge.

Wolfgang Ölz

Zugegeben: Wer in die aktuelle Sommerausstellung im Kunsthaus Bregenz geht, um sich die hochkünstlerischen Glas-Marionetten, mehr noch die tiefgehenden zwei Filme mit diesen Marionetten anzuschauen, muss sich auf starken Tobak gefasst machen. Es geht in den Filmen, die historische Originalquellen benutzen, um Mord, Verrat, Hinrichtung. Dies wird wirkungsmächtig mit den seltsam real und gleichzeitig surreal agierenden Puppen an Fäden in Szene gesetzt. In arabischer Sprache mit englischen Untertiteln und mit einer orientalischen Musik. Die Schauplätze der Filme sind Damaskus, Mossul, Jerusalem und Aleppo, die in fataler Übereinstimmung zugleich die Brandherde der Gegenwart sind. 

Ein Drache

Wael Shawky (Jahrgang 1971) wurde 2010 mit der ersten Folge der Trilogie dieser Kreuzzugsdarstellung über Nacht berühmt. Seine Puppen, die auch in Bregenz zu sehen sind, wurden 2015 bereits im globale Impulse gebenden Museum oft Modern Art in New York gezeigt. Wael Shawky lebt in Ägypten und Philadelphia (USA). Während der Aufbauarbeiten für die Ausstellung in Bregenz, musste auf das Fastengebot im Ramadan, an das sich Wael Shawky penibel hält, Rücksicht genommen werden. Für Bregenz hat Shawky in Zusammenarbeit mit Bregenzerwälder Handwerkern für den dritten Stock des Kunsthauses auch ein riesiges Mischwesen aus Flugzeug und Drachen produziert, das neben einer großflächigen Flagge den gesamten Raum beherrscht. An der stadtseitigen Außenfassade hängt noch einmal eine riesige Fahne, die auf die aktuelle Sommerausstellung des Kunsthauses verweisen soll. Wichtig sind Wael Shawky auch seine klassischen Zeichnungen, die die Puppen ergänzen sollen.

Die Kreuzzüge

Shawky bezieht sich in seiner Arbeit auf den libanesisch-französischen Schriftsteller Amin Maaluof, selbst Nachfahre eines katholischen Priesters und Jesuitenschüler, der in seinem Buch „Der Heilige Krieg der Barbaren“ die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber aufarbeitet. Für die Muslime sind die Kreuzzüge, die 1099 in Jerusalem zu einem Gemetzel der Kreuzfahrer unter Muslimen, Juden, koptischen und syrischen Christen führte, auch noch nach beinahe tausend Jahren ein kollektives Trauma. Shawky betont, dass die Kreuzzüge klar wirtschaftliche Kriege waren, die wegen des Geldes und der weltlichen Macht geführt wurden. Eindrücklich beweist das die Tatsache, dass die katholischen Kreuzfahrer beim vierten Kreuzzug wegen des Geldes statt dem muslimischen Ägypten das christliche Konstantinopel eroberten.

Kunsthaus Bregenz: Wael Shawky, Öffnungszeiten bis 31. August täglich 10-20 Uhr, dann bis 23. Oktober 2016  Di-So, 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr,
Karl-Tizian-Platz, T 05574 48594, www.kunsthaus-bregenz.at


Kommentar


Terror in Nizza

Ein wahnsinniger Täter fährt in die Menschenmenge und tötet über 80 Menschen. Die mediale Maschinerie setzt sich sofort in Gang. Nach einem Ritual wird von der Identität des Täters, der Staatsangehörigkeit der Opfer und der Verurteilung durch die Staatsoberhäupter berichtet. Wir sind erschüttert, und doch: In wenigen Tagen wird der Anschlag Geschichte sein wie in Paris, Brüssel oder Istanbul.

Der Weg der Kunst ist ein anderer, wie der ägyptische Künstler Wael Shawky zeigt. Mit seinen gleichermaßen seltsam lebensechten wie märchenhaften Marionettenpuppen inszeniert Shawky die Kreuzzüge aus arabischer Sicht. Sowohl muslimische als auch christliche Kämpfer werden dabei in all ihrer Schrecklichkeit gezeigt. Die Fiktion der Kunst zeigt den Wahnsinn des unter dem Vorwand der Religion geführten Krieges wie in einem Prisma verschärft, und bewirkt echte Betroffenheit.

Wael Shawky ist sich als praktizierender Muslim bewusst, dass er in seinen historischen Studien nur die Wurzeln der heutigen Probleme berührt. Im KirchenBlatt-Gespräch bekennt er, dass das Heute viel komplexer ist. Heute muss die Vielschichtigkeit der Konflikte zwischen den Weltreligionen in den Blick kommen, damit Lösungen erarbeitet werden können. Der Feind sind nicht die muslimischen Intellektuellen, der Feind sind die dumpfen Ideologen einer abartigen Theologie, die die Grundlage für Attentäter wie den von Nizza liefern.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 29 vom 21. Juli 2016)