Im November übergibt Josef Kittinger, der Leiter des Bildungshauses St. Arbogast, sein Amt an seinen Nachfolger. Während 27 Jahren hat er das Bildungshaus und die Landschaft der Erwachsenenbildung in Vorarlberg durch innovative Projekte wesentlich geprägt.

Von Hans Rapp

„Ich war die erste Personalentscheidung von Bischof Küng“, schmunzelt Josef Kittinger. Er erzählt sichtlich gerne über seine Zeit als Leiter des diözesanen Bildungshauses St. Arbogast. Eine sehr bewegte Zeit war das im Frühjahr 1989, als Kittinger mit seiner Familie von Graz nach Götzis gezogen war. Beirren ließ sich der damals 36-Jährige davon nicht. Zehn Jahre lang hatte der Theologe zuvor als Pastoralassistent in der Grazer Umgebung gearbeitet. Er hatte viel Jugendarbeit gemacht und neue Formen der Spiritualität gesucht. Seine Augen leuchten, wenn er von dieser Zeit erzählt. Den Jugendlichen mit ihren Talenten und Energien Raum zu geben, in dem sie sich entfalten und ausprobieren konnten, war ihm ein großes Anliegen. Auch ihre Sorge um die Umwelt teilte er. Als das thermische Kraftwerk Mellach (Stmk.) ohne Schwefelfilter gebaut werden sollte, war er bei den Protestierenden dabei.

Weitblick
Diese Haltung hat er mit nach St. Arbogast genommen. Das Haus war mit seinen vier Häusern unter der Leitung von August Christa aufgebaut worden. Die Renovierung und Umgestaltung dieser Häuser, die zwischen 1960 und 1970 errichtet worden waren, zieht sich wie ein roter Faden durch die Zeit Kittingers als Leiter des Bildungshauses. Mut, Weitblick, ökologische Verantwortung und das Bewusstsein, dass auch Ästhetik und Kunst wichtige Elemente eines Bildungshauses sind, kennzeichnen diese Tätigkeit. Immer wieder, wenn ich mit Menschen über St. Arbogast spreche, kommt der Satz: Es ist ein besonderer Ort. Und das ist er auch schon aus rein architektonischer Sicht. Das Haupthaus, errichtet 1991-1993 nach den Plänen von Hermann Kaufmann und Christian Lenz, wurde eine der Wegmarken Vorarlberger Baukunst. Das Haus konnte dafür die Auszeichnung für „Menschenfreundliches Bauen“ entgegennehmen.

Ein Lagerfeuer
Wenn man vom Bildungshaus den Bühel hinuntersteigt, kommt man zu einem Fußballplatz. Dahinter sind ein großer Feuerplatz und ein Indianerzelt. Das Lagerfeuer spielt für Jugendliche eine wichtige Rolle. Früher wurde viel rund ums Feuer gesungen. Das ist vielleicht heute nicht mehr so sehr der Fall. Aber sich in der Kühle der Nacht von einem großen Feuer wärmen zu lassen und im Schein der Flammen die Gesichter Gleichaltriger und Gleichgesinnter wahrzunehmen, das gehört wohl zum Grundbestand der Erfahrung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Das Lagerfeuer, das in der Nacht wärmt, ist ein gutes Bild der Vision eines Jugend- und Bildungshauses, für die Josef Kittinger steht. Es sollte nie ein Haus einer katholischen Subkultur sein. Es soll Menschen mit seiner Wärme und seinem Licht anziehen. Es spielt keine Rolle, ob diese Menschen nur für kurze Zeit auftanken oder immer wieder kommen. Alle sind an diesem Lagerfeuer willkommen. Dem entsprechen auch die Angebote, die Kittinger mit seinem Bildungsteam in den vergangenen 27 Jahren entwickelt hat: Immer sind sie darauf ausgerichtet,  Menschen in ihren Lebensfragen Impulse zu geben und neue Blicke zu ermöglichen. Immer wieder hatte sich Kittinger auch mit Stimmen auseinanderzusetzen, die „das Katholische“ in diesem Programm vermissten. Wenn er davon erzählt, verschwindet das Schmunzeln nicht aus seinem Gesicht: Beharrlichkeit hat dem Steirer in seinem Leben nie gefehlt.

Innovation 
Neben dem Weitblick und der Offenheit ist die Innovation ein drittes Stichwort, das die „Ära Kittinger“ in St. Arbogast kennzeichnet. Die Erkundung von Neuem beschränkte sich nicht nur auf die Architektur, sondern auch auf das, was an Bildungsinhalten entwickelt wurde. Während seiner Zeit als Leiter verdoppelten sich die angebotenen Kurse und die Anzahl der Teilnehmer/innen. 28.500 Menschen hatten im vergangenen Jahr die 1.110 Kurse besucht. 1989 waren es noch knapp 17.000 bei 607 Kursen und Seminaren.
Josef Kittingers Verdienst um das Bildungshaus St. Arbogast und damit verbunden um die Vorarlberger Erwachsenenbildung insgesamt wird in diesen Zahlen nur zu einem geringen Teil sichtbar. Reines zahlenmäßiges Wachstum hätte Kittinger nicht interessiert. Seine Stärke als Leiter des Bildungshauses lag an seinen visionären, innovativen und wegweisenden Ideen.
Als besonderes Projekt sind hier sicher das Dialogprojekt und die „Tage der Utopie“ zu benennen, die er zusammen mit Hans Joachim Gögl entwickelt und dafür den Staatspreis für Erwachsenenbildung bekommen hat. Die ÖKO-Schullandwochen auch in Arbogast abzuhalten, war seine Idee.

Jugend 
Mit dem Thema der Jugend schließt sich der Kreis: Für die Zukunft wird das Bildungshaus wieder verstärkt als ein Haus der Jugend positioniert. Daraus entstanden ist die „junge initiative arbogast“ (freigeist) mit Katharina Lenz. Auch hier beginnen Kittingers Augen zu glänzen, wenn er davon erzählt.
Ganz von der Bildfläche verschwinden wird Josef Kittinger allerdings noch nicht. Er wird sich auch in den nächsten Jahren an der Organisation der „Tage der Utopie“ beteiligen. Darauf dürfen wir uns freuen. Am 26. Oktober dieses Jahres wird ihm der Landeshauptmann das Große Verdienstzeichen des Landes Vorarlberg überreichen.

Josef Kittinger

  • 1953 geboren
  • 1989 Übernahme des Bildungshauses St. Arbogast
  • 1990-1993 Neubau des Hauptgebäudes
  • 1999 Renovierung Gästehaus 2
  • 2005 Renovierung Gästehaus 3
  • 2016 Renovierung Jugendgästehaus 1

St. Arbogast

Diese Tätigkeiten haben nationale und internationale Anerkennung gefunden. Kittinger konnte für das Bildungshaus St. Arbogast folgende Preise und Anerkennungen entgegennehmen:

  • Auszeichnung für „Menschenfreundliches Bauen“
  • Auszeichnung für hervorragende und vorbildliche Bemühungen um den innerbetrieblichen Umweltschutz (1995)
  • Umweltpreis der Gemeinde  Götzis für umweltfreundliche Mobilität
  • Auszeichnung für den frauen- und familienfreundlichsten Betrieb Vorarlbergs
  • Auszeichnung des Bundes für den frauen- und familienfreundlichsten Betrieb Österreichs
  • Innovationspreis für Erwachsenenbildung 2001
  • Gütesiegel Österreichisches Umweltzeichen 2001
  • Neptun-Preis für das Projekt „Wasserhaus“ 2002
  • Umweltfreundliche Gemeinschaftsverpflegung in der Region Bodensee 2002
  • Vorarlberger Chancenpreis der Vorarlberger Landesregierung 2008
  • Staatspreis für Erwachsenenbildung für die „Tage der Utopie“
  • LQW-Qualitätszertifikat für Erwachsenenbildung
  • Großes Verdienstzeichen des Landes Vorarlberg 

(aus dem KirchenBlatt Nr. 42 vom 20. Oktober 2016)