2. Sonntag nach Weihnachten - Lesejahr C, 3. Jänner 2016. Wort zum Sonntag von Roland Hofbauer.

„Der Herr hat unter uns gewohnt“, er hat unter uns „sein Zelt aufgeschlagen“, wie es im griechischen Original des Johannesevangeliums heißt. Die Kirche gilt als „pilgerndes Gottesvolk“. Gott zieht mit uns durch die Zeit. Und wo wir auch sind, steht sein Zelt unter uns, ist er uns nahe.

Evangelium
Johannes  1,1–18

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis,
und die Finsternis hat es nicht erfasst. Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.

1. Lesung
Jesus Sirach  24,1–2.8–12

Die Weisheit lobt sich selbst, sie rühmt sich bei ihrem Volk. Sie öffnet ihren Mund in der Versammlung Gottes und rühmt sich vor seinen Scharen: Der Schöpfer des Alls gab mir Befehl; er, der mich schuf, wusste für mein Zelt eine Ruhestätte. Er sprach: In Jakob sollst du wohnen, in Israel sollst
du deinen Erbbesitz haben. Vor der Zeit, am Anfang, hat er mich erschaffen, und bis in Ewigkeit vergehe ich nicht. Ich tat vor ihm Dienst im heiligen Zelt und wurde dann auf dem Zion eingesetzt. In der Stadt, die er ebenso liebt wie mich, fand ich Ruhe, Jerusalem wurde mein Machtbereich. Ich fasste Wurzel bei meinem ruhmreichen Volk, im Eigentum des Herrn, in seinem Erbbesitz.

2. Lesung
Epheser  1, 3–6.15–18

Die Gepriesen sei Gott, der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Kinder zu werden durch Jesus Christus und zu ihm zu gelangen nach seinem gnädigen Willen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn. Darum höre ich nicht auf, für euch zu danken, wenn ich in meinen Gebeten an euch denke; denn ich habe von eurem Glauben an Jesus, den Herrn, und von eurer Liebe zu den Heiligen gehört. Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und Offenbarung, damit ihr ihn erkennt. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt.

Wort zum Sonntag

Wort zum Sonntag Jänner 2016Roland Hofbauer
ist Pastoralassistent mit verschiedenen pfarrlichen
und überpfarr­lichen Aufgaben im
Dekanat Lienz in Osttirol, verheirateter Diakon.
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Das Wort und die vielen Wörter

Wörter, nichts als Wörter. Was wäre unsere Welt ohne sie? Fernsehen und Radio, Zeitung und Internet, Schulen und Behörden – ohne Wörter unvorstellbar! Wir brauchen unsere Wörter. Sie unterscheiden die Dinge voneinander und erschaffen durch ihre Ordnung erst die Welt, in der wir leben; und sie erschaffen Heil und Unheil. Ein wohltuendes Wort der Ermutigung oder des Trostes, ein freundliches Wort der Anerkennung, ein heilsames Wort der Aussöhnung, manchmal auch: vergebliches Warten darauf. Dann wieder: viel zu viele Wörter; man möchte sich am liebsten die Ohren zuhalten. Oder die falschen Wörter: solche, die besser ungesagt blieben, die Streit und Zwietracht säen, Feindschaften über Generationen entzünden.

In diese Vieldeutigkeit der Wörter hinein kommt das eine Wort und will darin wohnen. Das Wort des Ursprungs, das göttliche Wort, durch das die Welt erschaffen wurde, wird selbst zum Geschöpf; begibt sich als göttliches Wort hinein in den Streit unserer vielen Wörter. Bis in die letzte Konsequenz: Golgotha. Wo das göttliche Wort zum menschlichen Schrei geworden ist; weil die vielen menschlichen Schreie Gott nicht gleichgültig sind, hat er sie zu seinem Schrei gemacht.

„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“, heißt es im Evangelium. Genauer: es hat unter uns gezeltet. Und erinnert damit an das alttestamentliche Bundeszelt als Ort der Gegenwart Gottes, das die ­Israeliten während ihrer Wüstenwanderung mit sich führten. Dort, wo das Wort Fleisch wird, wo sich das göttliche Wort hineinbuchstabiert in unsere vielen menschlichen Wörter, dort schlägt Gott sein Zelt auf, dort geschieht Gegenwart Gottes, mitten unter uns. Dort wird man sagen: „Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“

Zum Weiterdenken 
Gibt es ein Wort Gottes, das mich zuinnerst ­bewegt – so sehr, dass es durch mich Fleisch werden möchte? Welche ­unserer tagtäglichen Wörter tragen zum Heil der Welt um uns herum bei, und welche zum Unheil?