Das Brauchtum des Agathabrotes hat bis heute überlebt. Es verbindet Bäcker mit Priestern, Handfestes mit Unfassbarem, Not mit Hoffnung. Es zeigt, wie alles zusammengehört und Platz hat bei Gott.

Bild rechts: Die Agathe-Kapelle am Kristberg füllt sich am Gedenktag der heiligen Agathe bis auf den letzten Platz. Im Gottesdienst werden Brot, Wasser und Salz geweiht - für Schutz und Stärkung. 

Patricia Begle

Schön soll sie gewesen sein, klug, redegewandt und äußerst mutig. Die Legenden, die sich um das Leben der heiligen Agathe ranken, entbehren zwar jeder historischen Grundlage, deren Gehalt aber wirkt bis heute. So stoßen wir auf die unterschiedlichsten Bräuche, die mit jenem Symbol verbunden sind, das am Agathatag an die große Frau erinnert: das Agathabrot.

Das Brot
Das Agathabrot ist „tief verwurzelt im Bäckerhandwerk“, erzählt Gerhard Steinberg, Bäckermeister in Tisis. „Früher lag ein Stück davon im ‚Christuseck‘, um vor Feuer zu schützen.“ Heute kommt sein Nachbar jedes Jahr, das Brot zu holen, um es an seine Tiere zu füttern, wenn diese krank sind. Steinberg selbst kann zwar nicht viel mit diesem Glauben anfangen, aber er hält Traditionen für wichtig. Und „wenn es anderen hilft, dann ist es ja hervorragend“.

Der Segen
Gesegnet wird das Brot manchmal noch in der Kirche, meist aber kommt der Pfarrer in die Backstube. „In der Großbäckerei war das schon um vier Uhr morgens“, erinnert sich Pfr. Georg Meusburger. „Wir sind dann alle im Kreis gestanden, etwa fünfzehn Bäcker, auch muslimische. Ich habe erklärt, dass wir um das tägliche Brot beten.“ Auf diesem Hintergrund betete die kleine Gruppe dann das Vaterunser, der Priester sprach das Segensgebet über das gesamte Sortiment und das Brot wurde ins ganze Land ausgeliefert. Für die Agathe blieb bei solch kurzen Ritualen natürlich keine Zeit. Für Pfr. Meusburger besteht darin aber auch nicht das Wesentliche. „Die Leute bitten um den Segen für sich selber. Das ist etwas Schönes.“

Die Heilige
Ganz im Mittelpunkt steht die heilige Agathe am Kristberg. In der Kapelle, die dort oben zu ihren Ehren um 1400 errichtet worden ist, gibt es am 5. Februar keinen freien Platz mehr, über 100 Menschen finden den Weg dorthin. Auch Schulkinder, denn an diesem Festtag ist im Silbertal schulfrei. Im Gottesdienst, der bei Schönwetter sogar im Freien stattfindet, wird nicht nur Brot sondern auch Wasser und Salz geweiht. Denn „eine Legende erzählt, dass man der Heiligen Brot und Wasser in den Kerker gebracht hat, damit sie überlebt“, erzählt Adolf Zudrell, der eng mit der Kapelle verbunden ist und dort auch Führungen macht.

Das Brauchtum
Das Agathabrot wird mit nach Hause genommen. Es soll vor Feuer schützen - in verschiedener Hinsicht. Vor Fieber und Heimweh zum Beispiel. Bei einem Brand, so heißt es, werfe man das Agathabrot ins Feuer, um es zu stoppen. Noch heute erzählt man von einem Haus in Schruns, das auf diese Weise gerettet wurde. Ein Stück Agathabrot im Kasten bewahrt davor, dass das Brot im Haus ausgeht. Für Tiere bedeutet es Schutz und Stärkung.

Der Sinn
Woher das Brauchtum am Gedenktag der heiligen Agathe stammt, ist schwer zu rekonstruieren. Es verdeutlicht das Bedürfnis nach Schutz und Segen. Und es bringt Alltägliches sozusagen in die Kirche, segnet und „verwandelt“ es.

HINTERGRUND

Die heilige Agathe

Agathe-wikicommonsAgathe wurde um 225 in Catania auf Sizilien geboren. Die Adelige wies die Brautwerbung des Statthalters Quintianus zurück, weil sie Christin war. Er griff zu allen Mitteln, um ihre Schönheit und Jungfräulichkeit zu zerstören. Vom Zwangsaufenthalt in einem Bordell bis zu Folter und Kerker. Eine besonders grausame Folter, so die Legende, bestand darin, ihre Brüste abzuschneiden. Auf manchen Darstellungen der Heiligen werden diese auf einem Tablett gezeigt. Deren Ähnlichkeit mit kleinen Broten ist eine der möglichen Erklärungen für die Entstehung des Agathabrot-Brauchtums.

Agathe hielt allem stand. In der „Legenda aurea“ wird sie sogar als redegewandte Frau dargestellt, die dem Statthalter mutig die Wahrheit ins Gesicht wirft. Ihre Standhaftigkeit kostet sie schließlich das Leben. Kurz nach ihrem Tod wird bei einem Ausbruch des Ätnas der Lavastrom mit ihrem Schleier aufgehalten. So ist Agathe zur Schutzpatronin vor dem Feuer geworden.

Agathe ist Patronin von Catania und Malta; in der Schweiz: der Feuerwehr; der Ammen, Hirtinnen, Weber, Bergarbeiter, Hochofenarbeiter, Goldschmiede, Glockengießer, Glaser und Hungerleidenden; gegen den Ausbruch des Ätna; bei Kinderlosigkeit und Brandwunden; gegen Krankheiten der Brüste, Fieber, Brandgefahr, Hungersnot, Unwetter, Viehseuchen, Erdbeben und Unglück.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 6 vom 5. Februar 2015)