Die „Dialoggruppe Meiningen“ veranstaltete am Mittwoch vergangener Woche im Volksschulsaal einen Informationsabend mit Professor Roman Siebenrock, und Cenap Aydin, dem Leiter eines Dialogzentrums in Rom. Auch Zeugnisse zum gelingenden Zusammenleben von Muslimen und Christen waren zu hören.

Bild oben: Professor Roman Siebenrock referierte über „komische Vögel des 20. Jahrhunderts“, die als Grenzgänger zwischen den Religionen spirituelle Pionierarbeit geleistet haben

Wolfgang Ölz

Dr. Johannes Vetter von der Fokolar-Bewegung begrüßte die rund 250 Zuhörer/innen als Obmann des „Dialogvereins Meiningen“. Der Innsbrucker Hochschulprofessor Roman Siebenrock präsentierte in einem prägnanten Referat seine Sicht auf den muslimisch-christlichen Dialog. Siebenrock ging dabei von der epochalen Zäsur des Zweiten Vatikanischen Konzils aus. Eine markante Persönlichkeit sei dabei Papst Paul VI., der gesagt hat, dass sich die Kirche im Konzil selbst zum Dialog macht. Kirchengeschichtlich neu wandte sich Johannes XXIII. in seiner Enzyklika „Pacem in terris“ nicht nur an die katholischen Christen, sondern an „alle Menschen guten Willens“. Und Kardinal Joseph Ratzinger habe gesagt, die Kirche müsse auf ihre spirituelle Kraft setzen und die Menschen in ihren Herzen bewegen.     

Auch Agnostiker sind wichtig
Eine geniale Geste sieht Prof. Siebenrock darin, dass Johannes Paul II. die Angehörigen der verschiedenen Weltreligionen 1986 nach Assisi eingeladen hat, denn in den Herzen aller Religionen ist die Sehnsucht nach Frieden und die Bereitschaft sich dafür einzusetzen. Darüberhinaus gibt es eine Aussage von Benedikt XVI., der gesagt hat, dass Gott ein paar Agnostiker will, die die Frage nach Gott umtreibt, weil sie uns lehren, dass es einen Gott gibt. Etwas launig formulierte Siebenrock, dass es im 20. Jahrhundert ein paar „komische Vögel“ gegeben habe, die das Verhältnis von Christen und Muslimen prophetisch gelebt haben. Er nennt dafür etwa Charles de Foucauld, der in Marokko auf betende Juden und Muslime traf und dadurch zum Glauben an Jesus Christus gefunden hat. Auch Louis Massingnon, ein Franzose, las den Koran und fand darin seinen christlichen Glauben wieder und wurde Priester. Er stellte sich die Frage: Was hat sich Gott dabei gedacht, als er den Propheten Mohammed in die Welt sandte?

Islam und Gewalt?
Das zweite Referat des Abends hielt der Leiter des Istituto Tevere in Rom, Direktor Cenap Aydin. Der bekennende Muslim feierte am 28. Oktober gemeinsam mit anderen Vertreter/innen der Weltreligionen mit dem Papst den 50. Jahrestag der Konzilserklärung „Nostra aetate“. In den 30 Sekunden, in denen er Papst Franziskus direkt begegnete, bedankte er sich für jene Stelle in „Evangelii gaudium“, wo steht, dass der wahre Islam jeder Gewalt entgegenstehe. Cenap betonte, dass Gutes und Heiliges in allen Religionen zu finden sei, und er wiederholte die Bitte des Papstes, für den interreligiösen Dialog zu beten, denn die friedliche Begegnung zwischen den Religonen ist nur mit und durch Gott möglich.
Im zweiten Teil standen berührende Zeugnisse von Christen und Muslimen im Focus, die gelingende  Erfahrungen miteinander gemacht haben. 

ZUR SACHE

Der "Dialogverein Meiningen"

Der „Dialogverein Meiningen“ ist eine Gründung im Geist der Fokolare. Die Fokolar-Bewegung entstand im Zweiten Weltkrieg, als junge Menschen um Chiara Lubich im Bombenhagel in Trient danach zu fragen begannen, was nicht zerstört werden kann, und dabei auf Gott kamen. Heute ist die ursprünglich rein katholische Gemeinschaft mit weltweit ca. 140.000 offiziellen Mitgliedern aus allen Weltreligionen und auch ohne Bekenntnis in 182 Ländern präsent.

Der „Dialogverein Meiningen“ besteht aus ca. 15 Personen. Darunter die Innsbrucker Hochschulprofessoren Roman Siebenrock und Wolfgang Palaver, Petra Steinmair-Pösel, die beiden an der Gregoriana lehrenden Muslime Shahrzad Housmand und Adnane Mokrani, und teils muslimische, teils christliche Menschen verschiedener Nationalitäten aus der Fokolar-Bewegung.

Die Dialoggruppe trifft sich jedes Jahr im Spätsommer in Meiningen und debattiert Fragen wie „Was bedeutet in Islam und Christentum, dass Gott liebend und barmherzig ist?“ Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass auch über jene Dinge gesprochen wird „die wehtun“, und trotzdem die „Einheit“ in der Vielfalt gesucht wird.

Eine Besonderheit der Gruppe ist, dass sie während des Treffens gemeinsam bei der (Groß-)Familie Martha und Josef Kühne in Meiningen wohnt und isst.