Gut 3000 römisch-katholische Pfarren gibt es in Österreich. Der Priestermangel, aber auch Veränderungen in der Zahl der Gläubigen stellen die Diözesen vor Herausforderungen. Klar ist in allen Diözesen, dass die Kirche bei den Menschen vor Ort bleibt. Doch muss die Seelsorge neu organisiert werden. Dabei gehen die Diözesen unterschiedliche Wege, die hier in einem Überblick dargestellt werden.

Heinz Niederleitner


Österreichs Diözesen stehen vor unterschiedlichen Situationen, sagt Johann Pock, Professor für Pastoraltheologie an der Uni Wien. Daher ist es verständlich, dass sie unterschiedliche Seelsorgekonzepte entwickeln. Die meisten Diözesen betonen, dass es um mehr als nur um Strukturen geht, sondern um geistliche Prozesse. Ziel ist es, den Menschen mit der Frohen Botschaft nahe zu sein. Die Prozesse zielen meist auf möglichst breite Beteiligung ab. Auch dass Laien und Ehrenamtliche als Getaufte und Gefirmte mehr in die Seelsorge einbezogen werden, ist fast überall ein Thema. Unterschiede sieht man, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. 

Diözese Eisenstadt
Seit Herbst 2013 verfolgt die Diözese einen „Pastoralen Weg“, der die Berufung aller Getauften zum Fundament hat. Strukturelles Ziel ist es, die 172 Pfarren der Diözese in rund 40 Seelsorgeräume einzuteilen. Dabei sollen die Pfarren rechtlich und in ihrer Identität erhalten bleiben. Die Planung soll voraussichtlich mit einem Diözesantag im Herbst 2015 abgeschlossen werden. Dann geht es um die Umsetzung. Ein umfassender Lehrgang soll besonders die Ehrenamtlichen stärken.

Erzdiözese Wien
Die Erzdiözese startete ihr Zukunftsprojekt 2008 unter dem Titel „Diözesaner Entwicklungsprozess Apg (Apostelgeschichte) 2.1.“ und betont den geistlichen Aspekt. Bei der Struktur lautet das Zielmodell „Pfarre Neu“: Mehr Gemeinden in weniger Pfarren. Innerhalb einer neu gebildeten größeren Pfarre, wo mehrere Priester wirken, soll es Filialgemeinden geben, die von Laien ehrenamtlich geleitet werden. Pfarrverbände oder Seelsorgeräume sind nur Übergangslösungen. Wie viele Pfarren es am Ende des Prozesses 2022 geben wird, ist offen. Derzeit sind es 660.

Diözese Graz-Seckau

Die Diözese hat sich für das Modell „Pfarrverband“ entschieden, damit alle 388 Pfarren bestehen bleiben können. Nach dem „Prozess 2010“ (1998–2008), bei dem es unter anderem um die Bildung größerer Pfarrverbände ging, läuft aktuell der „Diözesane Weg 2012–2018“ mit der Entwicklung von „zeit- und evangliumsgemäßen Formen der Seelsorge“. Derzeit gibt es 66 Einzelpfarren und 322 Pfarren sind in 119 Verbände zusammengeschlossen. In Pfarrverbänden sollen Zusammenarbeit und Vernetzung gestärkt werden.

Diözese St. Pölten
In einem „Diözesanen Erneuerungsprozess“ wurde zwischen 2007 und 2009 eine Rahmenordnung erstellt, die für die Pfarrstruktur (derzeit 422 Pfarren) zwei Varianten vorsieht: 1. Aufhebung und Neugründung von Pfarren; 2. Pfarrverband. Bisher wurden zwölf Pfarrverbände gegründet und es gab zwei Zusammenlegungen. Entscheidungen fallen anlassbezogen, zum Beispiel wenn ein Pfarrer in Pension geht. Für die Diözesanreform gibt es einen eigenen Bischofsrat und drei Regionalbegleiter zur Unterstützung des Übergangs.

Diözese Gurk-Klagenfurt
2008 begann in Kärnten ein Prozess unter dem Motto „Mit Jesus Christus den Menschen nahe sein“(Leitbild). Da laut Diözese in vielen Tälern die Kirche so etwas wie der letzte „Nahversorger“ ist, der den Menschen Versammlungsmöglichkeit und Identität bietet, bleibt die Pfarrstruktur unangetastet (336 Pfarren). Derzeit entsteht ein „Pfarrpastoraler Entwicklungsplan 2020“, bei dem es auch um Pfarrverbände geht. Dem Priestermangel will die Diözese mit Priestern aus anderen Diözesen begegnen. Ständige Diakone und Pastoralassistent/innen bilden laut Diözese „wichtiges Verbindungsglied zwischen Priestern, Ehrenamtlichen und Menschen vor Ort“.

Diözese Linz
Ende der 80er Jahre startete das Projekt „Seelsorge in der Zukunft“. Unter dem Stichwort „Kirche im Territorium“ wird aktuell die Zusammenarbeit zwischen den Pfarren und anderen pastoralen Orten forciert (Dekanatsprozesse). Die Diözese drängt auf keine Veränderung der Pfarrstruktur (474 Pfarren) und setzt neben dem „klassischen“ Pfarrer auf verschiedene Modelle der Pfarrleitung mit Pfarrmoderator (Priester) und Pfarrassistent/in oder Beteiligung von ehrenamtlichen Teams an der Leitung. In Seelsorgeräumen soll zusammengearbeitet werden.

Erzdiözese Salzburg
Zum Jubiläum „50 Jahre Diözesansynode“ 2018 entsteht ein „diözesaner Weg“, dessen Eckpunkte heuer fixiert werden. Seit 2008 wird das Konzept der Pfarrverbände umgesetzt, wobei es verschiedene Arten von Kooperationen, aber keine Pfarrfusionen gibt. Die 210 Pfarren (63 davon im Tiroler Unterland) sind in 64 Pfarrverbänden zusammengefasst. In der Stadt Salzburg wurden drei Dekanate zu einem Dekanat mit sechs Pfarrverbänden und 24 Pfarren umstrukturiert. Ein Modell von Seelsorgeteams ähnlich wie in Linz wird angedacht.

Diözese Innsbruck
2004/05 begann die Gemeindeerneuerung: Die Pfarrgemeinden sollen gestärkt und gefördert werden. Mit anderen „Brennpunkten christlichen Lebens“ (z. B. Klöster) bilden sie ein Netzwerk von „Kirche am Ort“. Die Pfarren arbeiten in Seelsorgeräumen zusammen, wobei deren Leiter Pfarrer dieser Pfarren sein soll. Pfarren bekommen je eine/n Pfarrkoordinator/in oder Pfarrkurator/in (angestellt oder ehrenamtlich). Von geplanten 76 Seelsorgeräumen sind bislang 56 errichtet. Veränderungen der 244 Pfarren sind nicht primäres Ziel. Wenn es vereinzelt Entwicklungen gibt, die Veränderungen nahe legen, soll es möglich sein, wenn es vor Ort mitgetragen wird.

Diözese Feldkirch
Der 2008 begonnene Prozess „Wege der Pfarrgemeinden“, an dem über 2000 Personen teilnahmen, hat drei Modelle erarbeitet: die Einzelpfarre, den Pfarrverband und den Seelsorgeraum. Geplant ist, alle 126 Pfarren der Diözese in acht Einzelpfarren, 36 Pfarrverbänden und fünf Seelsorgeräume zu strukturieren. Die Pfarren bleiben eigenständig. Seelsorgeräume entstehen im Projekt „Kirche in der Stadt“: Dabei sollen auf Stadtebene auch Schwerpunkte jenseits der Pfarrebene aufgebaut werden. In den Pfarren der Pfarrverbände setzt man auf Laien als Beauftragte für Diakonie, Liturgie und Verkündigung.

„Es ist gut, wenn möglichst viele eingebunden sind“

Johann PockÜber Erfahrungen und Risiken bei pastoralen Zukunftsplänen spricht der Pastoraltheologe Johann Pock im Interview.
Trotz des spürbaren Priestermangels gehen Österreichs Diözesen die Zukunftsplanung eher behutsam an. Wie beurteilen Sie das?
Pock: Es ist gut, dass Österreichs Diözesen vorsichtig sind: Man versucht, möglichst viele Menschen in den Planungsprozess einzubinden. Wir haben ja auch die Erfahrung aus manchen deutschen Diözesen, wo man zum Teil schon eine mehrfache  Revision dieser Pastoralpläne hat. Trotzdem: Irgendwann müssen Entscheidungen fallen. Ich höre häufig von Unsicherheiten an der Basis: Was wird letztlich entschieden? Wie lange halten diese Pläne dann? Ich denke, da braucht es mehr Planungssicherheit für die Gemeinden vor Ort.

Heikel erscheint der Umgang mit der Pfarrgemeinde, weil sich viele Gläubige mit ihr identifizieren ...
Hier ist für mich zunächst die Frage, womit man sich dabei identifiziert. Der Begriff Pfarrgemeinde entstand erst in den 70er Jahren, als der Kirchenbesuch nachließ und man versuchte, die rechtliche Institution Pfarre spirituell zu füllen: Pfarre als Gemeinde. Das wird heute – zum Teil auch zu Recht – etwas relativiert, weil es auch schon bisher in manchen Pfarren mehrere Gemeinden gab. Und für viele Christen ist eine konkrete Gemeinschaft oder Gemeinde die religiöse Heimat und nicht die Struktur „Pfarre“, auch wenn das umgangssprachlich zusammenfällt. Aber natürlich nimmt man aktiven Pfarrmitgliedern etwas weg, wenn man sagt: Ihr seid nicht mehr Pfarre. Da muss man gut hinschauen, wo Menschen einen Identifikationspunkt zu verlieren drohen.

Wie beurteilen Sie die Übertragung von Verantwortung auf Laien?
Wenn wir auf die Weltkirche schauen, dann sehen wir, dass in einem Großteil der Länder die Seelsorge vorrangig von Laien getragen wird. Das ist weniger priesterzentriert, als wir es gewohnt sind. Die gemeinsame Verantwortung von Priestern und Laien, das gemeinsame Priestertum, hat das Zweite Vatikanische Konzil betont. Aber Laien sind nicht einfach „Ersatz-Priester“, und gerade bei ehrenamtlichen Laien muss man darauf achten, sie vor allem zeitlich nicht zu überfordern: Wir haben zwar oft theologisch gut ausgebildete Laien, aber viele stehen im Beruf, haben Familie. Sie können nicht nebenberuflich und unentgeltlich das bisherige System pastoraler Versorgung aufrechterhalten.

Bleibt das Problem der seltener werdenden Eucharistiefeiern: Sollen die Menschen am Sonntag zu zentralen Eucharistiefeiern fahren, riskiert man die Lebendigkeit vor Ort. Setzt man auf Wort-Gottes-Feiern, bleibt die Frage: Riskiert man nicht den Bezug zur Eucharistie?
Das ist der theologisch heikelste Punkt. Derzeit wird vor allem versucht, innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen damit umzugehen. Damit bestimmt die Zahl der vorhandenen Priester die Anzahl von Eucharistiefeiern. Es gäbe auch die Möglichkeit, in eine andere Richtung zu denken, nämlich über die Zulassung verheirateter Männer zum Priestertum zu diskutieren. Das wird von den Bischöfen kaum verfolgt, obwohl es Papst Franziskus durchaus angeregt hat. Ich betrachte es sehr kritisch, wenn man trotz der hohen Bedeutung der Eucharistiefeier nicht mehr dafür tut, dass mehr Personen der Eucharistiefeier vorstehen können.