Pastoralamtsleiter Dr. Walter Schmolly im KirchenBlatt-Gespräch über die Schwerpunkte 2015: Pastorale Entwicklungen, Kirche(n) in der Stadt, das apostolische Schreiben „Evangelii gaudium“, das Jahr der Orden, die Erwartungen an die Familiensynode, die Herausforderungen im interreligiösen Dialog.

Walter Schmolly Dr. Walter Schmolly

 

Dietmar Steinmair

In den großen pastoralen Prozessen „Kirche in der Stadt“ in Bregenz bzw. in Dornbirn wurden im vergangenen Jahr wichtige Schritte gesetzt. Dabei traten auch Widerstände offen zutage. Welche Bedeutung haben die Widerstände in diesen pastoralen Prozessen im städtischen Bereich?
Mit 1. September 2014 sind die drei Seelsorgeräume „Kirche in Bregenz“, „Kirche in Dornbirn“ und „Kirche im Lebensraum Bludenz“ offiziell errichtet worden. Vorausgegangen ist jeweils ein mehrjähriger Planungs- und Visionsprozess, in dem gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort das Modell für die konkrete Situation entwickelt worden ist. So wie die Prozesse waren und sind, sind auch die Widerstände recht verschieden.

Dass es in solch komplexen Veränderungsprozessen Widerstände gibt, ist unvermeidlich und grundsätzlich auch eine Chance. In jedem Widerstand steckt auch ein berechtigtes Anliegen, das gehört und integriert werden will. Die Herausforderung liegt für alle Beteiligten darin, mit dem Widerstand so umzugehen, dass man im Gespräch bleiben, miteinander lernen und wachsen kann. Natürlich braucht es schlussendlich auch Entscheidungen und nicht immer ist es möglich, alle Erwartungen aufzunehmen.

Die Buntheit und Vielfalt der Erwartungen der Menschen an die Kirche ist eines der Zeichen der Zeit. In der Auseinandersetzung mit den Widerständen können alle Seiten einen guten Umgang mit Unterschiedlichkeit und auch mit dem, was zunächst fremd ist, einüben.

Im vergangenen Jahr haben Sie immer wieder auf das apostolische Schreiben „Evangelii gaudium“ von Papst Franziskus verwiesen. Was steckt in diesen Worten? Wie können sie in der pastoralen Arbeit umgesetzt werden?
In der Fußball-Sprache würde man sagen: Papst Franziskus spielt für die Kirche einen Steilpass. Er lädt die Kirche zu einem Aufbruch, zu einer „neuen Etappe“ (EG 1) ein.
Er will eine Kirche, die aus der Logik Jesu lebt: Eine Kirche, die beseelt ist von der Freude der Nähe Gottes. Eine Kirche, die weniger mit sich und ihren Konzepten und Regeln beschäftigt ist, sondern immer aufs Neue in Kontakt geht mit den Menschen und ihrem Leben. Eine Kirche, die mit dem „Blick des Glaubens“ in die Welt schaut und weiß, dass die Gegenwart Gottes unter den Menschen „nicht hergestellt, sondern entdeckt, enthüllt“ werden muss (Nr. 71).
Eine Kirche, die unverkennbar in der Spur Jesu und seines Geistes agiert, die das Evangelium radikal lebt und zur rechten Zeit auch ausdrücklich bezeugt.
Eine Kirche, die „aufmerksam“ ist, „um den Schrei des Armen zu hören und ihm zu Hilfe zu kommen“ (Nr. 187), eine Kirche, die sich einmischt.
Papst Franziskus lebt in authentischer und gewinnender Form vor, was das heißt. Warum es nicht einfach ihm gleich tun? Heute zählt nur noch das Tun, schöne Worte gab und gibt es mehr als genug.

2015 ist das Jahr der Orden. Wie sehen Sie die Orden im kirchlichen Leben in Vorarlberg?
Die Orden tragen sehr viel zu Kirche und Gesellschaft bei – als Gemeinschaften des Gebetes, als spirituelle Oasen, als soziale Zufluchtsorte, durch priesterliche Dienste, als Schulträger usw. Sie leben und symbolisieren Aspekte des Lebens und des Glaubens, die sie heute für viele Menschen in neuer Weise interessant und attraktiv machen.
Um nur zwei Themen zu nennen: Ordenschrist/innen bezeugen durch ihre Lebensgestalt, dass das Leben ein Empfangen ist, dass es seinen Sinn letztlich nicht aus dem Machen, dem Haben und dem äußeren Erfolg gewinnt, sondern aus der Hingabe an eine Aufgabe, an etwas Größeres. Das ist in unserer Leistungsgesellschaft eine frohe Botschaft. Ordenschrist/innen sind kundig im Erleben und den Erfahrungen der Stille. Im Dauerlärm unserer Zeit sehnen sich viele Menschen nach dieser Stille.

Im Oktober 2015 werden die Bischöfe mit Papst Franziskus in Rom für die Bischofssynode zu Ehe und Familie zusammenkommen. Welche Veränderungen erwarten Sie - vor allem im Blick auf das pastorale Wirken und die Glaubwürdigkeit der Kirche in den sich wandelnden Gesellschaften?
Im Vorbereitungspapier für die Synode ist vom „Evangelium der Familie“ die Rede. Damit ist die entscheidende Herausforderung und Perspektive benannt. Es geht nicht um das neuerliche Ausmalen eines Ideals, sondern um das Evangelium, dass Menschen in der Erfahrung der Liebe zuinnerst verbunden sind mit dem Geheimnis „Gott“. Dieses Evangelium so zu bezeugen, dass die Menschen es hören und verstehen, es je neu für sich entdecken und sich gerade auch in Krisen und Neuanfängen an ihm aufrichten können, das ist die Aufgabe. Eine große Aufgabe – sie fordert eine neue Sprache und ist nur möglich in einem Grundgestus, der das, was ist, nicht verurteilt, sondern seinen Weg der Liebe finden lässt.

2015 jährt sich mit dem Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils auch die Erklärung „Nostra aetate“ zum 50. Mal. Was ist deren bleibendes Erbe?
Dieses Erbe gewinnt gerade heute im Kontext des islamistischen Terrors neu an Bedeutung. Obwohl dieser Terror auch durch eine Reihe historischer, politischer und sozialer Aspekte bedingt ist, erzeugt dieser in vielen Menschen eine Mischung von Angst, Wut und Ohnmacht, die in Gefahr ist, den Islam im Gesamten zu verteufeln und das Zusammenleben mit den muslimischen Mitbürger/innen zu vergiften.

Nun steht außer Frage, dass der Islam das Verhältnis von Religion, Politik und Gewalt vertieft klären muss. Als Christ/innen aber leisten wir in dieser Situation den wertvollsten Beitrag, wenn wir die Perspektive der Konzils-erklärung durchtragen, die für den Islam so wie für die anderen Weltreligionen eine positive Rolle in der Heilsgeschichte sieht und ihm deshalb in einem Grundvertrauen und kooperativ begegnet. Das ist vor allem ein Gebot gegenüber den Muslimen, mit denen wir Tür an Tür leben.

Ein Schwerpunkt im Pastoralamt wird 2015 die Personalentwicklung für Priester und Hauptamtliche sein. Was ist hier geplant?
Die laufenden Veränderungen in der Seelsorge und in den kirchlichen Strukturen bringen für die Priester und hauptamtlichen Mitarbeiter/innen zunehmend komplexere und schwierigere Anforderungen mit sich. Wir sind deshalb dabei, die Maßnahmen im Bereich der Personalentwicklung zu strukturieren und zu erweitern. Ziel ist es, die Unterstützung für die Priester und Hauptamtlichen zur Bewältigung ihrer Aufgaben zu optimieren. Der erste Schritt ist die Erarbeitung eines entsprechenden Konzeptes. Das geschieht derzeit unter Einbeziehung der betroffenen Gruppen der Priester, Pastoralassistent/innen und Diakone.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 3 vom 15. Jänner 2015)