Das „kirchliche Engagement gegen Gewalt und Krieg“ beschäftigte 120 Gäste im Rahmen der „Fachtagung Weltkirche“ im oberösterreichischen Stift Lambach.

Walter L. Buder

Im Abschlusskommuniqué zur Tagung werden Österreichs Politik und Wirtschaft aufgefordert, in ihrem internationalen Handeln den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit zu intensivieren. Den christlichen Glauben als Antrieb für nachhaltige Friedensarbeit - in ihren vielfältigen Formen - zu vertiefen und die Themen und Hintergründe in ihrer Projekt- und Programmarbeit verstärkt zu berücksichtigen, dazu verpflichten sich die veranstaltenden Organisationen.

„Ewig“ aktuell. Die Sehnsucht nach Frieden und die Geschichten von Auswegen aus Krieg und Gewalt sind so alt wie die Welt, so alt wie die Menschheit. Und genau darin sind sie - die Frage nach Krieg und Gewalt wie auch jene nach Wegen zum Frieden - von einer eigenartig „ewigen“ Aktualität. Die Worte Jesu aus der Bergpredigt (Mt 5,9): „Selig, die Frieden stiften“, dienten der Fachtagung Weltkirche als Motto. Es steht außer Frage, dass die Bergpredigt in der Situation eines schwelenden politisch-religösen Konfliktes gesprochen worden ist. Wenn man es genau nehmen möchte, liegt ihre umstürzende und umstürzlerische Sprengkraft - ihre „frohe“ Botschaft - auch in diesem Kontext. Wo Krieg und Gewalt herrschen - und daran ist in unseren Gesellschaften weltweit und in diesen Tagen wahrhaft kein Mangel - sind die Geschichten, die Zeichen und Signale, die Ansätze in den deutlich vorhandenen „Gegen-Narrativen“ nicht weit. Die einzelnen Beiträge der Fachtagung - von den Referaten über die Podien und Zwischenresümmées bis zu den Workshops der NGOs und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern - waren auch ein kräftiger „lebendiger Beweis“ für das Engagement der Kirche gegen Gewalt und Krieg.

Peacebuilding heißt in der englischen Fachsprache der Friedensforscher das altmodisch-biblische Wort „Frieden stiften“. Dass Frieden „auferbaut“ sein will, lässt an ein Handwerk denken, eine planvoll auszuführende Tätigkeit also, die mit der Analyse des „Baugrundes“ beginnt. Es gebe - referierte Maximilian Lakitsch vom Friedenszentrum Burg Schlaining - abgesehen von der Ukrainie „keinen klassischen, zwischenstaatlichen Konflikt“ mehr. Aber ein Blick in den Nahen Osten oder nach Afrika zeige, dass es „umso mehr innerstaatliche, gewalttätige Auseinandersetzungen“ gebe, deren nachhaltige Befriedung nicht unter 20 Jahren kontinuierlicher Aufbauarbeit, nicht ohne internationale Unterstützung und - ebenso wichtig - nicht ohne „intensive Bemühungen in und aus der Konfliktregion selbst“ zu Stande komme.
Verliert die internationale Öffentlichkeit das Interesse an einem regionalen Konflikt, bricht er im Durchschnitt nach fünf Jahren wieder aus. Je länger ein Konflikt anhalte „desto weniger geht es um materielle Güter“, weiß der Konfliktforscher und „umso schwieriger ist die Lösung“. Dabei „stellen religiöse Konflikte eine besondere Schwierigkeit“ dar. Allerdings sei die Rolle „von religiösen Führern und Verantwortungsträgern nicht zu unterschätzen“, denn „ihnen sei es möglich, Einstellungen bei den Menschen zu verändern“,  betonte Lakitsch, nicht ohne leise Zweifel im Auditorium zu wecken. Dennoch ist klar: Die Friedensarbeit - kirchlich oder anderweitig motiviert - kann auf saubere Analysen und wissenschaftlich fundierte Einsichten nicht verzichten.

Gegengeschichten. Gewalt und Krieg, soziale Ungerechtigkeit und menschliches Elend haben Zuwachsraten, die den Vergleich mit jenen des Waffenhandels und den Renditen von Risikokapital nicht zu scheuen brauchen. Brutal und unmenschlich lassen die Folgen des ungehemmten Kapitalismus Menschen und Gesellschaften zu Grunde gehen.

Sr. Luma Khodher. Jeder Satz der irakischen Dominikanerin mit den großen, dunklen Augen, jeder Gedanke, jede Szene in ihrer Erzählung, ist an ein leibhaftiges Erlebnis gekoppelt, jedes Wort ist gedeckt von einer bitteren Erfahrung. Die Dominikanerin ist immer wieder zu Tränen gerührt. Sie gehört zu den rund 300.000 Christ/innen unter ca. drei Millionen Binnenflüchtlingen im Irak. Die Mörderbanden des IS haben sie aus ihrer Heimat vertrieben. Das Containerdorf in der Nähe von Erbil, wo sie untergekommen sind, ist ein Ort ohne Zukunft für entwurzelte Menschen, die „in ständiger Angst und Unsicherheit leben“.
Die Dominikanerin hat in den USA Theologie studiert. Ihre Bitte: „Vergesst uns nicht!“ gilt wohl auch für die bewusste Lüge des US-Vertreters vor dem UN-Sicherheitsrat, auf deren Basis 2003 der Irakkrieg inszeniert wurde: „Seit dem Einmarsch hat sich die Lage immer nur verschlechtert.“ In ihrer Stimme ist Trauer, aber kein Hass. „Die Flüchtlinge wollen ihre Würde zurück“ und in „Freiheit in ihren eigenen Dörfern leben“. Dennoch: „Die Hoffnung lebt“ - sie sieht sie in den 400 Kindern, mit denen sie Erstkommunion gefeiert hat, und in der Eröffnung einer Schule. Denn: „Bildung macht stark und mit Bildung können wir die Gewalt bekämpfen“. Das Schlimmste aber ist: „Wir können einander nicht mehr vertrauen.“

Abbé Philippe Grebalet ist in Vertretung seines Bischofs gekommen, der bei den Besprechungen für den Papstbesuch in Bangui in der Zentralafrikanischen Republik nicht fehlen darf. Das Wichtigste zuerst: „Der Konflikt in Zentralafrika ist kein Konflikt der Religionen. Das haben die Medien so dramatisiert.“ Er betont, dass kein religiöser Führer der Moslems oder der Christen je zu Gewalt aufgerufen habe. Dennoch spitzt sich die Situation seit 2012 zu, als die „Seleka-Rebellen“ zuerst die Kontrolle weiter Landesteile und im März 2013 die der Hauptstadt Bangui übernehmen. Die Eruption der Gewalt erlebte er aus nächster Nähe. „Vergewaltigungen und bestialische Tötungen häuften sich, es herrschte reine Barbarei“. Dann formierten sich „die ‚Anti-Balaka‘ und stellten sich ihnen mit Macheten bewaffnet entgegen“, erzählt der Priester. Weil die Seleka-Leute nahezu ausschließlich Muslime seien und viele Christ/innen sich der Anti-Balaka-Miliz angeschlossen hätten, sei der Krieg medial zu einem Religionskonflikt gemacht worden. Auch wenn es vorübergehend ruhiger sei im Land, schwele der Konflikt nach wie vor ungelöst. „Ich sage Ihnen“, schließt er das Kapitel ab, „in Wirklichkeit sind das einfach Kriminelle“ und schlägt eine neue Seite auf: „Es gibt an die 10.000 Kindersoldaten im Land“. Die Kirche reagiert mit Bildungsprojekten. Es ist schwer und langwierig, sagt der Abbé ernst, „diesen zerstörten Seelen Hoffnung und Zukunft zu geben“. Es gibt auch Schritte im interreligiösen Dialog. „In einer Diözese leben der Imam und der Bischof sogar im selben Haus“, berichtet Abbé Philippe und lächelt. Es müsse ein Ende haben „mit dieser ‚Todesmaschinerie‘, die mit internationaler Hilfe am Laufen gehalten wird.“ Damit Friede von innen wachsen kann, „müssen wir fähig werden, einander zu verzeihen.“

Entwaffnet die Herzen. Im Gespräch mit dem Auditorium wirft der Abbé diesen Gedanken in den Saal: „Entwaffnet die Herzen“. Es ist seine und Sr. Luma’s Antwort auf die Frage: Was wir hier tun können, um sie zu unterstützen? Und so wird es ganz still, für jene Zehntelsekunde, in der Einsicht keimt und vielleicht auch eine Entscheidung fällt. Neben ihm sitzt Sr. Luma, nickt, wortlos, lächelt Zustimmung - ohne jeden Vorbehalt! Es ist die Botschaft dieser Tagung, weil sie mit einem Schlag die Arsenale im Inneren eines jeden aufdeckt und ins Licht der Erlösung stellt. Eines der letzten Worte Jesu an die Kirche(n) in seiner Nachfolge ist jenes im Garten von Gethsemane an Petrus: „Steck Dein Schwert in die Scheide“ sagt der Herr zu ihm, der ihn spontan und aus ganzem Herzen mit Waffengewalt vor Waffengewalt schützen möchte. Jesus sagt ein ruhiges, bestimmtes Nein zur bewaffneten Verteidigung. Darin hat das Engagement der Kirche(n) gegen Krieg und Gewalt seine Wurzel und seine Quelle. Das Wort Jesu ist kein Befehl, hat nicht den Charakter eines Gesetzes, das von allen befolgt werden müsste - aber es setzt eine Grenze, ist wie eine Linie, die zu überschreiten eines jeden eigener Entscheidung anheim gestellt ist.

Die einzelnen Tagesberichte, den Abschlussbericht sowie Fotos von der Fachtagung Weltkirche finden Sie unter: www.fachtagung-weltkirche.at