Teil 2 der 5teiligen Serie "Himmelsträume" der Theologin und Psychotherapeutin Dr. Maria Riebl

Ob eine Hühnerleiter für den Pudel oder die Himmelsleiter für auf- und absteigende Engel – es gibt sie: die Trostträume. Und sie sind kein billiges Pflaster.

„Da ist eine Hühnerleiter, die bis zu den Wolken geht. Mein kleiner Pudel läuft ganz munter drauf auf und ab. Er wedelt mit dem Schwanz, läuft zu mir und beschnuppert mich. Dann läuft er wieder in den Himmel hinauf. Es ist total lustig.“ So träumt ein Kind unserer Tage. – Und recht ähnlich träumt der biblische Jakob Jahrtausende früher: „Jakob sah eine Treppe, die auf der Erde stand und bis zum Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder.“  (nach Gen 28,12)

Wenn der Himmel aufgeht
Beide träumen davon, dass der Himmel offen ist – und beide träumen von einer wunderbaren Bewegung zwischen Himmel und Erde, die einfach Freude und Zuversicht weckt. Und beide hatten ganz anderes tags zuvor erlebt. Das Kind war traurig und enttäuscht eingeschlafen – unverstanden von der Mutter, alleingelassen.
Auch beim jungen Jakob aus der Bibel war alles schief gegangen. Gemeinsam mit der Mutter hat sich deren Lieblingssohn Jakob durch die Täuschung des blinden alten Vaters das Recht auf die Vorrangstellung innerhalb der Sippe erschlichen. Als der Betrug offenbar wurde, schwört der betrogene Bruder Esau Rache. Jakob bleibt nichts als die Flucht. Er hat alles verloren, was ihm wichtig war. Und dann wird dieser Traum erzählt. Erschöpft schläft er auf einem Stein ein – und im Traum ist der Himmel offen. Die Engel steigen auf und nieder. Wohlgemerkt: Sie steigen zuerst von unten hinauf, dann erst von oben hinunter! Sie kommen also von unten, nicht von oben! Von dieser Welt des kleinen, recht armseligen Menschen mit seinen Begrenztheiten,
seiner Ohnmacht, seinem Versagen und auch Scheitern steigen Engel auf. Erde und Himmel sind verbunden, der Himmel ist offen, wo die Erde am undurchdringlichsten erscheint. Von einem späteren Verfasser wird er sogar als neuer „Stammvater“ eingesetzt. (Gen 28,13–15) Einstweilen bleibt trotz des Himmelstraums nur die Flucht.

Träume ergänzen das Leben
In der nächtlichen Welt der Träume kann alles anders sein als in unserer Tageswelt. Das scheint sogar das Typische der Traumsprache zu sein: Sie ergänzt unser Leben¸ es gibt eben auch diese andere, fröhliche Seite, wenn das Leben traurig erscheint. Der Engpass, das Nicht-weiter-Wissen ist nicht alles! Die Träume bringen jene andere Seite zum Leuchten oder zum Klingen. Nur sind wir leider manchmal so sehr verfangen in unseren Verstrickungen, dass wir uns solche Träume gar nicht merken. Aber wir haben sie trotzdem! Und sie sind nicht einfach Wunschträume, sondern sie sind eine innere Wirklichkeit unserer Seele: Denn wir sind es ja, die sie träumen. Und wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, selbst nicht so träumen, aber von diesen Beispielen
oder anderen wohligen Erfahrungen betroffen sind – dann gilt das auch für Sie: Was mich betroffen macht, hat mit mir zu tun. Es ist fast, als ob es mein Traum wäre.

 

Träume: behalten und auskosten

- Wählen Sie einen wohligen Traum – ob ein persönlicher, ob einer von den beiden Beispielen dieses Beitrags, vielleicht auch das Titelbild auf dieser Seite – und betrachten Sie das Bild und auch sich selbst dabei: Gibt es Gefühle, Körpergefühle, Wahrnehmungen? Denn diese  Bilder sind lebendig, etwas in  ihnen bewegt sich und nimmt  Sie beim Betrachten vielleicht mit.

- Lassen Sie sich in diese Bewegung hinein – und dann spüren Sie, wie es Ihnen geht, vielleicht entsteht spontan ein gemaltes Bild, seien es Farbklekse, eine Melodie, ein körperlicher Ausdruck? Vielleicht behalten Sie dieses eigene von Ihnen geschaffene Bild für Zeiten, an denen Sie es dringend brauchen. Es kann wie eine innere Kraftquelle sein.

Buchtipp: Die Himmelsleiter – Cover zu Maria Riebls neuestem Buch „Biblische Träume – heute erfahren“, Tyrolia 2012, 14,95 Euro.
Überraschend, faszinierend – so  ist die Welt unserer Träume, heute wie vor Jahrtausenden. Dieses Buch verbindet in überzeugender Weise alte und neue Erfahrungen und kann so dem oft entwurzelten Menschen von heute Sicherheit und Hoffnung geben.  Ein aufregendes Buch, das die alte Bibel näher rückt und uns in eine große Schicksalsgemeinschaft stellt. Keine/r ist allein.