Teil 3 der 5teiligen Serie "Himmelsträume" der Theologin und Psychotherapeutin Dr. Maria Riebl

Vielleicht haben Sie sich auch schon einmal gefragt: Warum kommen Leute, die etwas brauchen, immer zu mir? Und was hat das mit den fetten und mageren Kühen vom Nil zu tun?

Warum muss ausgerechnet ich mir die schlimmen Geschichten anderer anhören. Warum werde immer ich um Geld angepumpt? – Es gibt Menschen, die sich unendlich bemühen, anderen zu helfen; aber am Ende stehen sie ausgepumpt da und haben draufgezahlt. Ihnen geht es vielleicht wie den gesunden Kühen im Traum des antiken Pharao.

„In meinem Traum stand ich am Nilufer. Aus dem Nil stiegen sieben wohlgenährte, stattliche Kühe und weideten im Riedgras. Nach ihnen stiegen sieben andere Kühe herauf, elend, sehr hässlich und mager. Die mageren und hässlichen Kühe fraßen die sieben ersten, fetten auf. Sie verschwanden in ihrem Bauch, aber man merkte nicht, dass sie darin waren; sie sahen genauso elend aus wie vorher.“  (Vgl. Genesis 41,17–24)

Beunruhigt erwacht der Pharao aus seinem Traum. Die Bilder sind tatsächlich erschreckend; und das Schlimmste daran: Niemandem ist geholfen! Die mageren Kühe werden nicht kräftiger und die starken Kühe kommen um. Dann gibt es nur Verlierer.

Wenn sich ein Mensch „auffressen“ lässt.

Sehr unterschiedlich können die Gründe für ein solches Verhalten der „gesunden Kühe“ sein: Arglosigkeit, eine gutmütige Wesensart, die früher oder später ausgenützt wird, oder ein übersteigertes Mitgefühl, das nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Und natürlich die Schuldgefühle. Man denke an stundenlange Gespräche mit Leidenden, ob mündlich oder am Telefon, die am Ende den einen erschöpfen und dem anderen nicht wirklich helfen. Viele haben das Vorbild ihrer Eltern vor Augen, die selbst immer nur gerackert haben; oder sie sind durch eine sehr einseitige christliche Lebensauffassung geprägt, wonach das (selbstverständlich mit Leid und Selbstaufgabe verbundene) Dienen immer noch wichtiger und vor Gott wertvoller ist als die Lebensfreude und die gesunde Selbstliebe. Dann ist es schlicht und einfach nicht erlaubt, in aller Ruhe als „gesunde Kuh“ zu leben und vielleicht auch einmal unbeschwert glücklich zu sein.
Oft ist eine so „fette Kuh“ auch ein Mensch, der oder die von klein auf nur über den Weg des Gutseins und Helfens Anerkennung oder überhaupt Beachtung gefunden hat.

Und wo bleibt der Hausverstand?

Genau genommen sind fette Kühe nicht die geeig-nete Kost für ausgehungerte Kühe! Sie müssen ihnen schwer im Magen liegen, bis zum Erbrechen. Die wahre Kost wäre das Gras. Und davon scheint in unserer Traumszene wahrlich genug vorhanden zu sein!

Deshalb hier ein paar Tipps für ein Leben als „gesunde Kuh“:

  • Wenn ich mich aussaugen lasse, dann denke ich einmal in aller Ruhe nach: Ist damit wirklich geholfen? Was nützt das alles, wenn ich ewig mitspiele, Geld und Zeit investiere, auf die Dauer? Statt einen Menschen mitleidvoll an mich zu binden, ist ihm vielleicht mehr geholfen, ihm das eigene Anpacken zuzutrauen, indem ich mich auch einmal verweigere und Grenzen setze: Bitte schön, dort ist dein Gras! Da sind deine Möglichkeiten! Das wäre eine gesunde Lebenschance für alle Betroffenen. 
  • Und wenn ich es wage, ehrlich zu mir selbst zu sein, dann frage ich mich vielleicht:
    Wozu brauche ich persönlich das ständige Für-andere-Dasein? Wenn ich einmal in aller Ruhe und Klarheit sagen würde: „Nein, mit mir nicht!“ – wie ginge es mir?
    Dann wird mir vielleicht bewusst: Vielleicht brauche ich das Helfen für mich, und sei es, mein Gewissen zu beruhigen. Morgen mag es anders aussehen. Dann wird es mir besser gehen dabei und ich werde weniger „aufgefressen“. Morgen werde ich vielleicht lernen, mit gutem Gewissen „Nein!“ zu sagen. Davon werden alle Betroffenen profitieren.

Buchtipp:

Maria Riebl, SCHULDGEFÜHLE? Worin sie gründen – Wie sie heilsam werden. Tyrolia 2008, € 12,95.
Praktisch und kompetent finden Sie Wege, um mit den eigenen Grenzen versöhnter zu leben. Ein befreiendes Buch!