Teil 1 der 5teiligen Serie "Himmelsträume" der Theologin und Psychotherapeutin Dr. Maria Riebl

„Träume sind Schäume.“ Das haben viele von uns noch gehört. Nicht nur die Psychologie, auch die Bibel scheint das anders zu sehen. Da gibt es jede Menge Träume.

Bei näherem Hinsehen begegnen wir – im Leben wie in der Bibel – auf Schritt und Tritt Träumen. Wo Menschen glücklich sind oder von Angst geschreckt werden, wo sie nicht mehr weiterwissen auf ihrem Lebensweg, wo sie sich ausgenützt und ausgebeutet erleben  oder wo sie einfach Freude am Leben haben – da werden sie von nächtlichen Träumen unterstützt und geleitet. Scheinbar gibt es keine Lebensumstände, die nicht auch von Träumen begleitet werden können. In diesem und den folgenden Beiträgen lade ich Sie ein, diesen Träumen auf die Spur zu kommen.

Gott spricht im Traum
In der jüdisch-christlichen Tradition ist der Traum eine ganz besondere Weise, wie Gott zu uns sprechen kann (oder unser Unbewusstes, unsere innere Tiefe, wie immer wir es nennen). Das Wichtigste dabei ist – wie immer, wenn wir uns mit der Bibel beschäftigen –, dass das alles mit mir und mit meinem Leben zu tun hat. Es geht darum, aus den biblischen Träumen für unser eigenes Leben und Träumen zu lernen.

Josefs Träume
„Einst hatte Josef einen Traum: Wir banden Garben mitten auf dem Feld. Meine Garbe richtete sich auf und blieb stehen. Die Garben der Brüder umringten sie und neigten sich tief vor meiner Garbe …
Er hatte noch einen anderen Traum. Er erzählte ihn ebenfalls seinen Brüdern und sagte: Ich träumte noch einmal: Die Sonne, der Mond und elf Sterne verneigten sich tief vor mir…“ (Gen 37,5–11)

Traum und Leben
„Wenn Sie so träumen würden, wie erginge es Ihnen?“ Befreit atmet die Bäuerin auf meine Frage auf: „Da bin ich endlich einmal wer!“ Anders sieht ihr Leben sonst aus: Da kreist alles um die anderen. Es tut ihr sichtlich gut, sich zumindest in dieser Vorstellung einmal so ernst genommen zu fühlen. Andere in der Gruppe reagieren peinlich berührt: „So im Mittelpunkt stehen, das ist mir unangenehm“; oder: „So wichtig darf ich mich doch nicht nehmen, das wäre ja Stolz …“ – Außerdem: „Da würde ich mich total einsam fühlen …“ Lacherfolg erntet die spontane Äußerung einer Teilnehmerin: „Meinem Mann tät’ der Traum schon passen. Alle sollen nach seiner Pfeife tanzen!“

Jahrtausendealt sind diese Bilder, aber sie haben eine Strahlkraft bis heute, wie immer unsere Lebensumstände sind. Die Bäuerin mit ihrer spontanen Reaktion merkt, dass ihr genau das im täglichen Leben fehlt, was in den Bildern lebt. Ihr wurde bewusst, wie selbstverständlich sie die Rolle der „Dienstmagd“, wie sie von sich sagt, übernommen hat und ausübt; das hat sie bisher gar nicht gemerkt. In der Folge hat sie versucht, sich selbst und ihre Bedürfnisse bewusster wahrzunehmen; vorsichtig und durchaus erfolgreich ist ihr so manche Veränderung in kleinen Schritten gelungen. Wieder anderes lernt jene Gruppenteilnehmerin, die sich durch das Traumbild peinlich berührt erfährt: Ihr wird bewusst, wie schwer es ihr fällt, auch einmal im Mittelpunkt zu stehen, weil ihr die innere Sicherheit dazu fehlt. Lieber Mäuschen sein und still und unbemerkt tun, was zu tun ist. Wieder ein anderer merkt, wie sehr er von seiner Erziehung geprägt ist – ja nicht stolz sein! Die gesunde Selbstliebe hat er nicht gelernt.
 
Nichts gelernt
Ähnlich ergeht es offenbar dem jungen Josef in der Bibel. Arglos erzählt das Liebkind des Vaters seiner Familie den Traum. Nicht nur die Brüder, auch der Vater ist verärgert, er ändert aber nichts an der ungerechten Situation. Keiner versteht die Warnung – das ist nun doch etwas zu viel der Vorrangstellung! So gesehen – oder besser eben nicht gesehen–, schürt der Traum nur die Eifersucht der Brüder und es kommt zur Katastrophe. Josef landet in der Zisterne und schließlich im Gefängnis. (Gen 37,18–36; 39) Er hat nicht aus seinem Traum gelernt, würden wir heute sagen. Aber uns kann das Bild bis heute berühren – jede/n in anderer Weise.

Wie steht es um meine Träume?

Die Träume der Bibel, die in dieser Reihe betrachtet werden, können nur bei Ihnen ankommen, wenn sie ein Echo in Ihren eigenen Träumen finden. Deshalb ein paar Tipps, um auch die eigene Traumwelt zu entdecken:

Stress in der Tagesgestaltung und besonders in den Stunden vor dem Schlafengehen und beim Aufstehen vermeiden.

Bleistift und Papier neben die Schlafstelle legen und den Traum beim Aufwachen sofort festhalten oder jemandem erzählen.

Die Gefühlswelt und das spirituelle Leben auch am Tag pflegen. Denn Träume sind Gefühlsbotschaften, nicht Protokolle oder einfache Handlungsanweisungen. (Davon mehr im nächsten Beitrag.)