Es sind Geschichten, die das Blut in den Adern gefrieren und einen ungläubig den Kopf schütteln lassen, wenn Regina Mukama vom Alltag der Frauen in Tansania erzählt. Ihr Leben ist geprägt von Unterwerfung, Zwangshochzeiten und Genitalverstümmelung - und das bereits vor ihrem 15. Lebensjahr. Ein Los, das die Tansanianerin nicht mehr hinnehmen wollte und dagegen aktiv wurde. In einem Land, das heuer Missio-Beispielland des Weltmissions-Sonntag ist.

Bild rechts: In einem Theaterstück wird den Tansaniern gezeigt, wie sehr Frauen unter FGM leiden.


Panische Angst macht sich in den Mädchen breit, die von mehreren Frauen festgehalten werden und versuchen sich aus deren Umklammerung zu befreien. Die alte Frau mit der Rasierklinge in der einen und der Schüssel mit Mehl in der anderen Hand kommt immer näher. Die Beine der Mädchen werden gespreizt und die Angst macht einem tiefen Schmerz Platz. Sie sind noch keine 14 Jahre alt und gelten nach diesem Initiationsritus doch als vollwertige Frau. 

Gute, alte Tradition?
Femal Genital Mutilation (FGM) oder auch weibliche Genitalverstümmelung genannt, ist in vielen afrikanischen Ländern wie Tansania nach wie vor Teil der Tradition und tief in den Köpfen der Bevölkerung verankert. Rund 20 Millionen Frauen sind in Tansania Opfer dieser Praxis geworden, obwohl sie seit 1998 verboten ist. Viele der Mädchen, die erst zwischen sieben und 14 Jahre alt sind, sterben bei dem Eingriff. Diejenigen, die es überleben, kämpfen ihr Leben lang mit den Folgen: emotionale wie auch körperliche. Neben Infektionen und Problemen beim Urinieren, während der Menstruation, sexuellem Kontakt oder der Geburt leiden die Betroffenen insbesondere auch an Traumata. Zustände, die die Tansanierin Regina Mukama erkannt hat und gemeinsam mit Bischof Michael Msonganzila bekämpft.

Keine Macht den Frauen
Seit 1993 arbeitet Mama Regina, wie sie von allen genannt wird, als Frauenbeauftragte für die Diözese Musoma im Nordosten Tansanias und setzt sich dort für die Bedürfnisse von Frauen ein. FGM ist dabei nur ein Aspekt ihrer Arbeit, denn nach wie vor gelten Frauen in Afrika als „Bürger zweiter Klasse“. „We have no decision-making power“, klärt die 62-Jährige über die Ohnmacht der Frauen auf. Das beginnt bei der Fremdbestimmung über den Körper und geht über die mangelhafte Schulbildung bis hin zur Zwangsehe. Eine Frau ist so viel Wert, wie für sie von der Familie des zukünftigen Ehemanns bezahlt wird. „Wenn du heiratest, heiratest du nicht nur deinen Mann, sondern den ganzen Clan“, erklärt Mama Regina. Die Frau hat kein Mitspracherecht und eine Rückkehr in ihr Ursprungsfamilie ist unmöglich.

Eine Frau, die kämpft
Mama Regina weiß, wovon sie spricht. Als sie mit 34 Jahren Witwe wurde, erhob die Familie ihres verstorbenen Mannes Anspruch auf ihr Haus, die kärglichen Ersparnisse und die sechs Kinder. Dank ihres Jobs als Grundschuldirektorin und ihres Kampfgeistes gelang es ihr, sich durchzusetzen und sogar eine Kooperative „für Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen und überholte Traditionen unserer Kultur ablehnen“ zu gründen, resümiert sie stolz. Das Geld, das die Frauen anfangs mit dem Anbau von Obst, Gemüse und einer Hühnerzucht einnahmen, wurde gebündelt und Kredite zu zwei Prozent Zinsen für die Bildung der Kinder vergeben. Für die Frauen, die sonst nichts besitzen dürfen, ein kleiner Sieg, lächelt Mama Regina.

Stop FGM!
Auch FGM hat sie, gemeinsam mit Bischof Michael Msonganzila, den Kampf angesagt. „Stop FGM“ heißt die Kampagne, bei der sie mit einem Team im Rahmen von Workshops wichtige Aufklärungsarbeit leistet. In den Monaten, in denen die Beschneidungen stattfinden, ermöglichen sie den Mädchen Zuflucht in einem Heim zu finden, welches an die örtliche Schule angebunden ist. Bildung ist eine wichtige Waffe gegen diese „schädliche Tradition“, ist sich Mama Regina sicher. Gemeinsam mit ihren Eltern, Dorfältesten und Beschneiderinnen lernen die Mädchen, dass ihr Körper auch ohne FGM rein ist. In einer liturgischen Feier - eine Art christliches Ersatzritual - wird ihnen zudem näher gebracht, dass sie eine Frau sein können - ganz ohne Beschneidung. Jetzt muss die Botschaft nur noch in den Köpfen ankommen. Auf die Frage, ob Mama Regina ihre Arbeit gefällt, strahlt sie über das ganze Gesicht und meint: „I like it very much“. Das kann man auch ohne Englischkenntnisse verstehen.

Eine Frau sagt FGM den Kampf an

Jedes Jahr lädt Missio zum Weltmissions-Sonntag am 21. Oktober Menschen aus dem Beispielland ein. Heuer ist dies u.a. die 62-jährige Regina Mukama aus Tansania, die sich seit 1993 als Frauenbeauftragte der Diözese Musoma für Belange der Frauen einsetzt. Die Mutter von sechs Kindern wurde mit 34 Jahren Witwe und gründete eine Kooperative, die Frauen günstige Mikrokredite für die Ausbildung ihrer Kinder ermöglicht. Sie setzt sich für Frauen in Tansania ein, die bereits mit 14 gezwungen werden einen Fremden zu heiraten und zwischen dem siebten und 14. Lebensjahr die Beschneidung, auch FGM, über sich ergehen lassen müssen. Aufklärungsarbeit und Workshops zu den Fragen der Entwicklungshilfe, HIV und FGM sind ihre Werkzeuge im Kampf.

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