Wie kein Zweiter hat Dag Hammarskjöld (1905-1961) die Rolle und Aufgabe der UNO geprägt. Anlässlich seines 50. Todestages im Jahre 2011 befasste sich ein Symposion an der Universität Innsbruck mit dem Staatsmann, Beamten, Philosophen, Literaten und Mystiker aus Schweden. Andreas Th. Müller und Jodok Troy haben die Beiträge in Buchform herausgegeben: Spannende, gut lesbare Texte auf wissenschaftlichem Nivau zu einer phänomenalen Persönlichkeit.
Bild rechts: Dag Hammarskjöld 1959 vor Beginn der Hauptversammlung
Walter Buder
In der Nacht auf den 18. September 1961 - vor 51 Jahren - ist Dag Hammarskjöld, seit 1953 als Generalsekretär der Vereinten Nationen im Amt, mit fünfzehn UNO-Mitarbeitern bei einem nach wie vor ungeklärten Flugzeugabsturz in Ndola/Sambia ums Leben gekommen. Die Leiche des 57-jährigen, weltbekannten politischen Chef-Krisenmanagers der internationalen Gemeinschaft wurde unversehrt - von zwei kleinen Verletzungen an Stirn und Kinn abgesehen - am Heck des Flugzeugwracks gefunden.
Dag Hammarskjöld
war von 1953-1961 UNO-Generalsekretär (UN Photo/Jo)
Der andere Staatsmann
„Ein Mann, der wurde, was er konnte, / und der war, was er war - / bereit, im einfachen Opfer / alles zu fassen“ - damit „ist wahrscheinlich das Wichtigste über Hammarskjöld bereits gesagt“ schreiben die Herausgeber in der Einleitung. Und legen so eine breite Spur, tief in die Bedeutung des Lebens, Werkes und Wirkens des - nach J.F. Kennedy‘s Urteil - „grössten Staatsmanns des Jahrhunderts“ hinein. Nicht als Politiker also, sondern als „Staatsmann - und (ein) Beamter“ habe sich der grundgebildete, vielfältig begabte und zutiefst religiöse Mann verstanden. Sicher kein Karrierist, machte er Karriere in seiner Heimat. Immer parteilos. Ein Staatsdiener erster Güte. Im allerbesten Sinn des Wortes.
Ein Glücksfall
Widerstrebend übernimmt der blasse Schwede „the most impossible job of this world“ und zeigt, dass er wusste, was er tat, und was er konnte. Er arbeitet sich ein, beißt sich durch, von Krise zu Krise, Konflikt zu Konflikt, Mission zu Mission, gewinnt an Farbe, Profil und Respekt. Die sieben Beiträge zu diesem Themenkreis machen klar: Der Schwede war ein Glücksfall - phänomenal (!) für die UNO und unschätzbar für die Völkergemeinschaft.
Beginn der Erkenntnis
Er ist ein begnadeter Pontifex, ein Brückenbauer, der mit kostbarem Baumaterial wie Vertrauen, Verantwortung, Dienst- und Opferbereitschaft umgehen kann. In den Tagebuchnotizen (1925 bis 1961) - „einer Art Weißbuch meiner Verhandlungen mit mir selbst - und mit Gott“ - erkennt man den Mystiker, den gotterfahrenen, religiösen Virtuosen und Glaubenskünstler. „Das einzig richtige Profil, das man zeichnen könnte, ergeben diese Notizen.“
In unerhörter Gelassenheit und phänomenaler Wahrhaftigkeit gestaltete Dag Hammarsjköld diese tiefe Gotteserfahrung und verankerte sie im hochkomplexen Feld der (Geo-)Politik. Seine letzte Anmerkung im Tagebuch, klingt wie eine Eröffnung: „Und ich beginne, die Karte zu kennen. Die Himmelsrichtungen.“ Der Kreis schließt sich. Aufs Neue.
Mystik und Politik
Die beiden Vorarlberger Wissenschaftler Andreas Th. Müller (Jurist) und Jodok Troy (Politologe) haben an der Universität Innsbruck anlässlich des 50. Todestages Dag Hammarskjölds im Jahr 2011 ein Symposion organisiert. Leben, Werk und Bedeutung des eher in Vergessenheit geratenen Schweden wollten gewürdigt sein. Die Beiträge sind nun in Buchform publiziert.
Ban Ki-Moon und Carl Bildt geben den wissenschaftlichen Beiträgen das Eingangsgeleit. Dann steht die Person Hammarskjölds im Fokus: Sein Selbstverständnis im Dienst des Weltfriedens (F. Löjdquist), im Blick der Mitglieder seines Arbeitsteams (J. Tisovsky), sein Vermächtnis für die internationale Politik (M. Fröhlich / H. Melber).
Dann wird der „unmöglichste Job der Welt“ ausgeleuchtet. Wie die Position „funktioniert“ im System und der Beitrag, den Hammarskjöld nachhaltig in seine Entwicklung eingetragen hat (A. Th. Müller); was sie im Blick des Völkerrechtes hergibt (H. Tichy); wie sehr das Amt bis heute den Einfluss des Schweden spiegelt (G. Hafner). Das ist gleich auch ein Lehrstündchen in Diplomatietechnik. Jelka Mayr-Singer führt weiter, tiefer hinein in die Praxis des „Friedenstiftens“ in Form von Initiativen, Missionen und illustriert am konkreten Fall, was „klassisches“ und was „robustes Peacekeeping“ ist.
Und: Dag Hammarskjöld, der Mystiker, ist christozentrisch orientiert (J. Troy), teilt aber die äußerste Einheitserfahrung aller Mystik. Nächstenliebe, Hingabe, Opferbereitschaft wurzeln dort, entfalten - geheimnisvoll - ihre verwandelnde Kraft in freiwilliger Hingabe, im Opfer (W. Palaver). Zur Sache einer auf Sinn und Wahrheit verpflichteten „tiefen Politik“ setzt C. Sedmak Hammarskölds Wegmarken mitten in die Aktualität und ins Stammbuch aller, die sich Gedanken um Politik heute machen.
BUCHTIPP
Andreas Th. Müller, Jodok Troy (Hrsg.)
Ein Mann, der wurde, was er konnte. Dag Hammarskjöld zum 50. Todestag.
Beiträge zur Politischen Wissenschaft (BPW), Band 173.
Berlin (Duncker & Humblot) 2012. 176 S. Broschur, € 68,-.
ISBN: 978-3-428-13798-5 Duncker & Humblot