„Ökumene“ stammt aus dem Griechischen und heißt so viel wie „die ganze bewohnte Erde“. Mit religiösem Hintergrund versehen benennt die Ökumene den Dialog verschiedener Konfessionen. Und nicht mehr und nicht weniger will auch die Weltgebetswoche für die Einheit der Christen.

von Veronika Fehle

Es gibt die römisch-katholische Kirche und die evangelische Kirche - die gibt es zum Beispiel als A.B. und H. B. Es gibt die griechisch-orthodoxe und die russisch-orthodoxe Kirche. Da sind aber auch die anglikanische Kirche, die altkatholische Kirche, die koptisch-orthodoxe Kirche und und und.

Auftrag angenommen
Jetzt könnte man ja behaupten, dass uns gar nichts Besseres passieren könnte, als diese Vielzahl an Kirchen. Jeder soll sein eigenes Süppchen kochen. Ist doch perfekt - freie Wahlmöglichkeiten!
Jaja, das stimmt schon und jede dieser Kirchen hat auch ihre Berechtigung. Und doch ist da ein verbindendes Glied, das alle zusammenführt - es sind christliche Kirchen, die den Dialog miteinander suchen. „Warum dieses Bemühen? Das Engagement für die Einheit der Christen ist ein Grundauftrag Jesu an seine Kirche - Johannes 17,21. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dieses Herzensanliegen unseres Herrn aufgegriffen. Im Dekret über den Ökumenismus ,Unitatis redintegratio‘ wird schon im ersten Satz als eine der Hauptaufgaben des ganzen Konzils formuliert, ,die Einheit der Christen wiederherstellen zu helfen‘“, dringt Pfarrer Paul Riedmann, Vorsitzender der Ökumenekommission der Katholischen Kirche Vorarlberg, direkt zum Grundanliegen der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen vor.

Man sieht sein Gegenüber
„Da die ursprüngliche Einheit durch die verschiedenen Kirchenspaltungen verlorengegangen ist, sind Prozesse der Versöhnung unabdingbar zur Wiederherstellung notwendig. Wie sehr Mitchristen aus anderen christlichen Kirchen, Gemeinden und Gemeinschaften auf ein Zeichen der Versöhnung und der gegenseitigen Wertschätzung warten, ist mir aus Anlass der Feier ,150 Jahre evangelische Gemeinden AB+HB in Vorarlberg‘ von neuem tief bewusst geworden, als ich im Namen unserer Katholischen Kirche ein Grußwort an die in der evangelischen Kreuzkirche Bregenz versammelte Gottesdienstgemeinde richten durfte. Es sind anschließend nicht wenige Personen dankbar auf mich zugekommen. Es gab berührende Reaktionen von Pastoren und Gemeindemitgliedern“, erzählt Riedmann.

Ein ertragreiches Feld
Es ist die kontinuierliche Annäherung der Kirchen, die die Ökumenekommission nicht nur anstrebt, sondern auch umsetzt. Der „Sonntag der Orthodoxie“, „Kirche kreativ“ und Tage der offenen Tür standen in den vergangenen zwölf Monaten ebenso auf der ökumenischen Jahresplanung wie die Teilnahmen an der Schöpfungswoche am Dornbirner Marktplatz und dem Herbstsymposium der Diözese Feldkirch. Das alles sind nur Auszüge aus dem breit gefächerten Arbeitsfeld namens Ökumene, das in vielen kleineren und größeren Initiativen lebendig gehalten wird. Die Weltgebetswoche für die Einheit der Christen (18. - 25. Jänner 2012) ist nur ein Anlass mehr, sich die allseitige Dialogbereitschaft der christlichen Kirchen nochmals eindrücklich vor Augen zu halten.

Eine ökumenische Vesper, getragen durch Vertreter der römisch-katholischen Kirche, der evangelischen Gemeinden A.B. und H. B., der serbisch-orthodoxen und der rumänisch-orthodoxen, der altkatholischen und der evangelisch-methodistischen Kirche bildet den zentralen Dreh- und Angelpunkt der heurigen Weltgebetswoche in den Vorarlberger Gemeinden.

Pfr. Paul Riedmann„Rituale und Elemente aus den verschiedenen christlichen Traditionen finden Eingang in diesen Gottesdienst. Sie lassen uns etwas vom Reichtum, der Fülle und Vielfalt christlicher Liturgien erahnen. Solche ökumenischen Feiern haben in unserem Land inzwischen Tradition“, freut sich Pfr. Paul Riedmann (links) über das sich entwickelnde Miteinander. 


Eine Geste wirkt weiter
Ein Beispiel aus der Praxis: 1517 hatte Martin Luther seine 95 Thesen am Hauptportal der Schlosskirche in Wittenberg angeschlagen und damit der Reformation ordentlich Wind unter die Flügel gepustet. Bann, Kirchenspaltung, Verunglimpfung - man kennt die Geschichte, in der der katholische Kirche nicht unbedingt eine rühmliche Rolle zukommt.
In der Zwischenzeit sind beinahe 500 Jahre vergangen und wo sich einst die Fronten verhärteten, sucht man heute den Kontakt. Ein Blick zurück auf die Feierlichkeiten anlässlich der 150-jährigen Geschichte der evangelischen Gemeinden in Vorarlberg zeigt eines ganz deutlich - es hat sich viel verändert. Mit 70 evangelischen Christen begann diese Geschichte. Ihr katholisches Pendant stand ihnen anfangs reserviert gegenüber - um es charmant auszudrücken. Und doch, als die evangelische Kirche in Bregenz eingeweiht wurde, waren auch Vertreter der katholischen Kirche anwesend. Keine Selbstverständlichkeit zur damaligen Zeit, wie Pfarrer Paul Riedmann betont. Aber sie waren da und setzten mit ihrer Geste ein Zeichen, das sich in den heutigen Ökumenebewegungen wiederfindet und fortsetzt. Und das sind doch wirklich einmal schöne Aussichten.

Zur Sache

Ökumene - WeltgebetstagWir feiern gemeinsam

Wir sind schon mittendrin, in der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, die heuer noch bis zum 25. Jänner stattfindet. Ökumene, also der Dialog verschiedener Konfessionen, ist dabei nicht nur als Theorie, sondern auch ganz konkret in der Praxis vertreten. Anlässlich der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen findet am 22. Jänner in der Lustenauer Pfarrkirche St. Peter und Paul eine ökumenische Vesper statt.

Alte und neue Partner
Impulsgeber für den gemeinsamen Gottesdienst war die Ökumenekommission der Katholischen Kirche Vorarlbergs, die dabei auf alte und neue Wegbegleiter zählen durfte. Denn der Abendgottesdienst wird von Vertretern der römisch-katholischen Kirche, den evangelischen Gemeinden A.B. und H. B., der serbisch-orthodoxen, der rumänisch-orthodoxen, der altkatholischen sowie der evangelisch-methodistischen Kirche gestaltet. Das Mitwirken der evangelisch-methodistischen Kirche erweitert den Dialograum um einen neuen Partner. Nach der Kapelle des Bildungshauses St. Arbogast ist Lustenau zum vierten Mal Schauplatz der ökumenischen Vesper.