Mitten in Dornbirn bleibt ein junges Mädchen bewegungslos liegen. Was tun? An den Börsen wäre die Reaktion klar - schnell weiter und möglichst gewinnbringend kaufen und verkaufen. Beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch wurde dazu heftig diskutiert.

Veronika Fehle

Was das Mädchen am Dornbirner Marktplatz mit dem Börsenhandel zu tun hat? Scheinbar nichts und doch alles. Weltweit stirbt alle zwölf Sekunden ein Kind an Hunger. Sie zählen zu den Opfern der Nahrungsmittelspekulationen wie sie an den Börsen betrieben werden. Die Preise werden künstlich hochgetrieben, die Rohstoffe ungleich verteilt und während die Einen Gewinne einfahren, verhungern die Anderen. Die erschreckende Tatsache: der Hunger wäre nicht nötig, könnte die Erde heute doch rund zwölf Milliarden Menschen ernähren.

„Zukunft ohne Hunger“
Eine „Zukunft ohne Hunger“, daran arbeiten u. a. die Mitarbeiter/innen der Caritas Auslandshilfe. Mitarbeiter wie Michael Zündel, der beim Gesellschaftspolitischen Stammtisch des EthikCenters von seinen Erfahrungen erzählte.  „Wir haben sehr viel mit Schüler/innen aus Vorarlberg zu diesem Thema gearbeitet, in den Klassen aber auch mit gezielten Aktionen. Zwei Mädchen haben mir dann erzählt, dass sie die Reaktionen der Menschen auf Hilflose selbst ausprobiert haben. Alle zwölf Sekunden, also in genau dem Abstand, in dem weltweit ein Kind an Hunger stirbt, sind sie am Dornbirner Marktplatz zu Boden gefallen. Die meisten Passanten gingen einfach weiter.“ Es soll nicht das Spiel vom bösen Wohlstandsmenschen gespielt werden. Dennoch sind die Reaktionen vom Dornbirner Marktplatz bezeichnend für die weltweite Situation, die Markus Henn von „WEED“, einer unabhängigen Organisation, die für die Regulierung der Finanzmärkte auftritt, nachzeichnet.

Kaufen und verkaufen
Warum? Weil hier die Proportionen von Handel und Spekulation längst nicht mehr übereinstimmen. Die Preise schnellen in die Höhe, Spekulationen werden angeheizt, Händler beginnen ihre Bestände einzulagern, um zu einem späteren Zeitpunkt einen höheren Preis zu erzielen. So baut sich rund um das Leid der Menschen eine Spirale von Kaufen und Verkaufen auf - und keiner bleibt stehen.

Ein Heilmittel?
Die Forderungen von „WEED“, mehr Transparenz an den Börsen, mehr Aufsichts- und Regulierungsmöglichkeiten. Dem stimmte in gewisser Weise auch Roland Ruprechter, Börsenexperte der Hypo Landesbank Vorarlberg zu. „Ich bin sehr für Transparenz und es muss Regulationen geben, jenseits der Gefahr der Überregulierungen. Es muss nachvollziehbar sein, wer an den Börsen kauft, verkauft und wo Spekulation betrieben wird. Hier ist vor allem die Politik gefordert, Möglichkeiten der Restrukturierung und der Reformen zu finden.“

Was kann nun getan werden, dass der Preiskampf nicht auf dem Rücken der Machtlosen ausgefochten wird? Ein Lösungsansatz ist so simpel wie bekannt - es fängt mit jedem Einzelnen an. Wer bewusst kauft, der bestimmt mit. „Fair Trade“ ist sicher nicht das „alleinseligmachende Universalheilmittel“ - aber es ist ein Anfang.

Hintergrund

Vom Diskutieren am Stammtisch

Die Gesellschaftspolitischen Stammtische des EthikCenters der Diözese Feldkirch sind jene Orte, an denen aktuelle, brisante und gesellschaftlich relevante Themen auf den Tisch kommen. Das Kolpinghaus in Dornbin ist seit Jahren Schauplatz der Diskussionen. 

Themen der Zeit
Wie sehr die Stammtische am Puls der gesellschaftlichen Entwicklungen sind, zeigt ein Rundumblick auf die Themen der vergangenen und der kommenden Saison.
Familien in Trennungssituationen, Finanzkrise, Sparpaket und Euthanasie sind nur einige der heißen Eisen, die im Dornbirner Kolpinghaus diskutiert wurden.
Am vergangenen Montag stand nun der weltweite Hunger und die Rolle der Börsen im Zentrum der Stammtisch-Gespräche. Der Saal - bis auf den letzten Platz vollbesetzt. Die Diskussionen - sachlich und engagiert.

Schuld und Sühne
Am 5. November folgt mit „Schuld und Sühne“  das nächste gesellschaftspolitische Thema. Primar Dr. Reinhard Haller, Mag. Cornelia Leitner, Leiterin der Justizanstalt Feldkirch, Winfried Ender, Leiter des Vereins „Neustart“ Vorarlberg und Gefängnisseelsorger Anton Pepelnik beleuchten dabei den Weg der Straftäter zurück in die Gesellschaft.

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www.ethikcenter.at