Mag. Edgar Ferchl-Blum leitet seit Mai das Ehe- und Familienzentrum in Feldkirch. Ein erstes KirchenBlatt-Gespräch über Schwerpunkte, Perspektivenwechsel und die Kinder und Jugendlichen als Schatz der Gesellschaft.

Dietmar Steinmair

Hintergrund: "In jeder Beziehung"

Herr Ferchl-Blum, Sie übernahmen mit Mai die Leitung des Ehe- und Familienzentrums (efz) der Diözese Feldkirch. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Beziehungen zu leben, Beziehungen zu gestalten, scheint mir die schönste aber auch schwierigste Herausforderung unseres Lebens zu sein. Menschen, die für die Gestaltung ihrer Beziehungen Hilfe brauchen und wünschen, eine solche zu geben, ist mir ein großes Anliegen. Aber auch Alleinerziehenden die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen, oder Jugendliche zu begleiten auf dem Weg zu einer verantwortungsvollen und bewusst gelebten Sexualität, oder Paaren Impulse für das gemeinsame Leben zu geben - ihnen allen durch das efz zur Seite zu stehen, ist eine sehr reizvolle Aufgabe.

Was werden die Schwerpunkte der ersten Monate sein?
In den nächsten Monaten werde ich vor allem genau hinschauen und hinhören: Was wird jetzt schon durch das efz angeboten und wie könnten diese Angebote weiter verbessert werden? Was natürlich auch sehr wichtig ist: Wer sind denn meine Mitarbeiter/innen und was brauchen sie von mir als Leiter, damit sie gute Arbeit leisten können?

Welches Menschen- und Kirchenbild ist für Sie leitend?
„Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“ Diese Aussage ist für mich Orientierung wie ein Leuchtturm. Es geht um Menschen auf ihrem Weg durch vielleicht stürmische Zeiten. Ihnen helfen, dass sie ihr Leben gut leben können. Es steht nicht die Frage im Vordergrund, wie die Menschen an jenen Punkt gekommen sind, an dem sie stehen, sondern wie sie von dort gut weitergehen können.

In welchen Bereichen der Gesellschaft - und der Kirche - sehen Sie das efz aktuell besonders gefordert?
Es gibt sie noch, die „klassische Familie“, die mit zwei Elternteilen und Kindern. Aber es gibt auch eine große Zahl anderer Lebensformen. Patchworkfamilien, Alleinerziehende, ... Die Kirche - und damit auch das efz - kommen bislang von der klassischen Familie her. Die Frage ist: Wenn wir im Geiste Jesu an den Menschen handeln, welche Position müssen wir dann einnehmen?

Was ist hilfreich, um die Familie als „Keimzelle der Gesellschaft“ vor der Austrocknung, der Überforderung zu schützen?
Das ist so einfach nicht zu sagen. Aber grundsätzlich meine ich, dass wir Vorarlberger/innen vor allem vor Überforderung geschützt werden müssen. Wir haben oft einen zu hohen Perfektionsanspruch - an uns selber, an den Partner/die Partnerin, an die Kinder. Auf Dauer macht uns das fertig, oder zumindest unzufrieden. Den Menschen helfen, mit aller Bruchstückhaftigkeit zu leben, das kann schon ein großer Dienst sein.

Stichwort „Vereinbarkeit von  Beruf und Familie“: Was bringt eine kirchliche Beratungs- und Bildungseinrichtung wie das efz hier ein?
Ich selber war als junger Vater in Teilzeitkarenz. Rückblickend war das eine der besten Entscheidungen meines Lebens: meine Frau konnte sehr bald wieder in ihren Beruf einsteigen - ebenfalls in Teilzeit - und was mir noch viel wichtiger ist: ich konnte zu meinen Kindern „von der Pike auf“ eine gute Beziehung aufbauen, die auch in schwierigen Zeiten trägt. Als Leiter des efz werde ich alles dazu beitragen, dass junge Paare dieses Familienmodell auch wählen können. In Zeiten wie diesen finde ich es unverantwortlich, wenn Frauen wegen der Familie lange Zeit zur Gänze aus ihrem Beruf aussteigen: zum einen verlieren sie selber leicht den beruflichen Anschluss und zum anderen drängen sie die Männer aus den Familien hinaus - mit schwerwiegenden Folgen für die Männer, für die Familien und (nicht nur im Trennungsfall) auch für die Frauen selbst.

Katholische Morallehre wird heute oft als Sexualmoral (miss-)verstanden. Was kann das efz gegen diese Engführung tun?
Schwierige Frage. Vermutlich ist das Entscheidende, dass Menschen, die bei uns Rat und Begleitung suchen, sich in keinem Moment be- oder gar verurteilt fühlen. Mein Blick geht da wieder auf Jesus von Nazareth. Er hat über keinen Menschen den Stab gebrochen, er hat ausnahmslos alle aufgerichtet, geheilt, zur Umkehr eingeladen, sehend gemacht, gehend gemacht, ... verziehen. Jesus gibt den Maßstab und die Handlungsrichtung vor.

Welches Angebot haben Sie besonders für Jugendliche?
Wenn unsere Gesellschaft einen Schatz hat, dann sind es unsere Kinder und Jugendlichen. Auf diesen Schatz müssen wir viel besser aufpassen. Die Versuchungen des Kapitalismus, der Werteverlust, die voranschreitende Anonymisierung der Gesellschaft, die vaterlosen Familien, die Sexualisierung durch die Medien, das alles sind riesige Herausforderungen an die ganze Gesellschaft und erzeugten einen riesigen Druck auf unsere Jugend. Mit unserem Programm „Jugend und Liebe“ gehen wir vor allem in die Schulen, um jungen Menschen zu helfen, einen befreiten, aber auch verantworteten Umgang mit ihrer Sexualität zu finden.

Stichwort „Ehe“: Warum heiratet man heute noch kirchlich?
Weil die kirchliche Eheschließung ein starkes Zeichen ist. Eine Liebesbeziehung vor Gott und vor Zeugen, vor allem aber auch mit der Hilfe Gottes auf Dauer anlegen, das ist etwas für mutige Menschen. Solche haben wir, Gott sei Dank, auch noch in unserer Gesellschaft.

 

Hintergrund

„In jeder Beziehung“, das ist nicht mehr und nicht weniger, als das Leitmotiv, unter dem die Mitarbeiter/innen des Ehe- und Familienzentrums (efz) der Diözese Feldkirch ihre tagtägliche Arbeit stellen.

Ständig erweitert
Gegründet 1979 von Willi Hagleitner gemeinsam mit dem späteren Diözesanbischof Dr. Elmar Fischer wurde das Beratungs- und Angebotsprogramm des efz kontinuierlich erweitert und das dadurch abgebildete Themenspektrum an die jeweilige gesellschaftliche Situation angepasst. So verfügt die Diözese Feldkirch heute mit dem efz über ein modernes Beratungszentrum, das für alle Fragen des Ehe- und Familienlebens Anlaufstelle ist. Unterstützung für Alleinerziehende, Begleitung von Kindern aus Trennungssituationen, Ferienwochen, Gruppen für alleinerziehende Eltern, Ehevorbereitungskurse und und und – Beratung, Unterstützung und Hilfe sind die drei Säulen des efz-Programms, das Menschen auf ihrem Weg zu einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung begleiten will.

Nischen entdecken
In seinen ersten Monaten als Leiter des efz wolle Mag. Edgar Ferchl-Blum vor allem genau hinhören und hinschauen, auf das Angebot des efz und auf die Nischen, die noch ergänzt werden können. Heute ist das efz landesweit mit sechs Beratungsstellen direkt vor Ort und begleitet Menschen jeder Altersgruppe in ihren individuellen Problemstellungen. Damit ist das Ehe- und  Familienzentrum nur ein Beispiel dafür, wie Hilfe, Beratung und Unterstützung auf direktem Wege zu jenen gelangen kann, die danach suchen.

Das Team des Ehe- und Familienzentrums ist in der Herrengasse 4, in Feldkirch von Mo-Fr von 8-12 Uhr und von Mo-Do von 13-16 Uhr für Sie da. www.efz.at