Caritas-Gespräche 2012 brachten die Begriffe „Leidenschaft“ und „Verantwortung“ ins Gespräch.

von Dietmar Steinmair

Die Caritas-Gespräche gingen am Dienstag dieser Woche in St. Arbogast der Frage nach, warum sich Menschen (zivil-)gesellschaftlich engagieren.

Direktor Peter Klinger hatte zu den bereits zehnten Caritas-Gesprächen geladen. Die Gespräche bilden inmitten des hektischen Advent-Alltags eine Zäsur, führen Caritas-MitarbeiterInnen, Institutionen-VertreterInnen und ReferentenInnen zusammen. Einer von ihnen, der Mediziner und Psychiater Klaus Dörner unterstützt und vernetzt seit seiner Pensionierung Bürgerbewegungen, die zum Beispiel neue, selbstorganisierte Nachbarschaftshilfen forcieren. Die Professionalisierung von sozialen Dienstleistungen, so Dörner, habe nämlich dazu geführt, dass sich die Profis der hilfebedürftigen Menschen bemächtigt hätten. Zuungunsten der Betreuten.

Familie(n)
Über Beziehung und Familie im Wandel sprach die Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim. Wobei sie „lieber von Familien - im Plural - spreche“, denn das traditionelle Ideal von „Vater, Mutter, Kinder“ sei heute zu ergänzen durch weitere Familienformen. Zwei Lager stünden sich bei der Bewertung der Entwicklung gegenüber: Jene, die alles gut finden, was früher war, und Neues als fragwürdig ablehnen; und jene, die die traditionellen Formen als Unterdrückung ablehnen und die heutigen Freiheiten loben. Welche Familienform der Staat nun unterstützen solle, darüber tobe derzeit ein heftiger Kampf. Fest steht für Beck-Gernsheim nur eines: „Ein Zurück gibt es nicht mehr.“

Vorwärts
Deutlich positiver beschrieb der Dogmatiker Wolfgang Beinert den Begriff „Tradition“. Das lateinische „tradere“ bedeute nichts anderes als „weitergeben“. Passend zum Advent, sagte Beinert: „Die eigentliche Tradition der Glaubensgemeinschaft (also der Blick zurück) ist, auf den Kommenden zu schauen (der Blick nach vorn).“ Im Zentrum des Christentums stehe das Evangelium, die Botschaft vom Heil. Heil meint mehr als Sex, Geld und Ansehen: die höchste Glückseligkeit sei für den Christen die „Gemeinschaft mit Gott“, so Beinert.

Zwar habe die Religion im Augenblick Konjunktur, nicht aber die Kirche. Gerade mit der Vermittlung ihrer Botschaft habe die Kirche ein Problem, konstatierte der Professor emeritus. Das fange bei der Sprache an. „Gott selbst ist zwar nicht simpel, aber einfach.

Warum machen wir jedoch alles so kompliziert?“ Während ein Muslim in fünf Punkten über seinen Glauben Auskunft geben könne, brauche ein Katholik gleich den ganzen Katechismus. Dazu komme, dass die Kirche sich derzeit auf dem Egotrip befinde, so Beinert. Grabenkämpfe, Unbeweglichkeit an der Spitze und Drängen von unten führe - wie auf der Autobahn - unweigerlich zum Stau.