Es ist ein Werk der Barmherzigkeit, Tote zu begraben. So ist es in der Bibel nachzulesen. Die österreichische Bischofskonferenz veröffentlichte nun neue Richtlinien zur Beerdigung Ausgetretener, die den Willen der Verstorbenen respektieren und die Hinterbliebenen unterstützen.


Herr Dekan Lenz, über den Tod spricht man ja nicht so gerne. Dennoch, er kommt. Theologisch betrachtet, wie ist dieser Abschied einzuordnen?

Es ist die ganz große Frage des Menschen, was nach dem Tod kommt. Wir Christen haben eine hoffnungsvolle Antwort. Wir fallen nicht ins Nichts, sondern aufgrund von Ostern ist uns der Himmel, Gottes Barmherzigkeit, Auferstehung, ewiges Leben und nie endende Freude in Gott verheißen. Die kirchliche Beerdigung ist ein Ausdruck dieser Hoffnung für den Verstorbenen. Das, was in der Taufe begonnen hat, nämlich die Zusage der Liebe Gottes zu uns Menschen, vollendet sich im Tod; und das feiern wir in der Beerdigung. Die Würdigung des Verstorbenen und die Riten, die die Kirche bei der Beerdigung feiert, ist aber auch eine große Hilfe für die trauernden Hinterbliebenen beim Abschied nehmen von einem lieben Menschen, den sie verloren haben.

Welchen Stellenwert nimmt das Begraben der Toten ganz konkret im kirchlichen Kontext ein?

"Tote begraben" ist in der Bibel eines der Werke der Barmherzigkeit. Es gehört damit zu den zentralen Aufgaben der Kirche. In der Beerdigung feiern wir die Zuneigung Gottes zum Verstorbenen, dessen Leben sich - so hoffen wir - im Angesicht Gottes fortsetzt. Natürlich sind Riten und Symbole für Hinterbliebene besonders wichtig und wohltuend, weil sie als Ausdruck der Hoffnung in der schweren Zeit des Abschieds eine große Stütze sind.

Die Beerdigung Ausgetretener war - wenn man einen Blick zurück wirft - lange kein großes Thema. Man trat nicht aus. Hat sich das in den letzten Jahren deutlich verändert? Wurde durch diese Veränderung innerhalb der Gesellschaft die Diskussion um die Beerdigung Ausgetretener erst so richtig losgetreten?

Seit ich Pfarrer bin, bin ich mit dem Thema Kirchenaustritt (aber auch mit dem Thema Wiedereintritt) konfrontiert. Leider haben in den vergangenen Jahren vermehrt Menschen die Kirche verlassen. Drum werden wir in den Pfarren in Zukunft öfters mit der Beerdigung Ausgetretener zu tun haben.

2011 verstarben in Vorarlberg 149 Menschen, die aus der Katholischen Kirche ausgetreten waren. Wäre für sie - den neuen österreichweiten Richtlinien zufolge - ein „kirchliches Begräbnis“ möglich?

Das Stichwort „Kirchliches Begräbnis für Ausgetretene jetzt möglich“ stimmt so nicht und ist verwirrend. Für uns in Vorarlberg bringen die Richtlinien der Bischofskonferenz nichts Neues. Unsere Diözesanen Richtlinien von 1999 besagen, dass wir die Entscheidung des Ausgetretenen respektieren müssen. Mit dem Austritt wendet er sich von der Kirche – und damit natürlich auch von ihren Riten und Vollzügen ab.
Wir können aber für den Verstorbenen beten und bieten den Hinterbliebenen an, ihnen beim Abschied zur Seite zu stehen.

Das heißt in der Praxis also?

Das heißt, der Pfarrer geht, da es ja kein offizieller kirchlicher Gottesdienst ist, in Zivilkleidung mit an das Grab und leitet das Gebet für den Verstorbenen. Außerdem bietet die Kirche den Angehörigen an, entweder in einem Gemeindegottesdienst oder auch in einer Trauerfeier für den Verstorbenen zu beten, sein Leben zu würdigen und von ihm Abschied zu nehmen.
Was es immer schon gab, ist, dass ein Mensch vor dem Sterben seinen Kirchenaustritt bereut und zum Ausdruck bringt, dass er in die Kirche zurückkehren möchte. Dann kann er auch kirchlich beerdigt werden. 

Die Schattierungen zwischen den Wünschen des Verstorbenen und jenen der Hinterbliebenen auszuloten, verlangt Fingerspitzengefühl.

Wie gesagt, die Richtlinien gelten bei uns in der Diözese schon seit einigen Jahren. Es ist nicht immer einfach, eine barmherzige, aber auch gerechte und ehrliche Lösung zu finden. Wichtig ist das Gespräch mit den Angehörigen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Hinterbliebenen sehr dankbar und froh sind, wenn der Pfarrer in zivil mit ans Grab geht und die Verabschiedung leitet und wenn der Verstorbene dann auch in einem Gemeindegottesdienst oder in einer Trauerfeier gewürdigt und für ihn gebetet wird. Wichtig ist dabei auch, dass der Pfarrer jeden gleich behandelt, was natürlich nicht immer so einfach ist, z.B. wenn der Verstorbene kurz vor dem Tod den Wiedereintrittswillen bekundet hat. Wir müssen in Zukunft noch mehr auf die Möglichkeit aufmerksam machen und einladen, wieder in die Kirche einzutreten, je früher je besser.   

Aus Ihrer Erfahrung gesprochen - ein Mensch weiß, dass er bald sterben wird und sehnt sich plötzlich zurück in die Kirche. Er wünscht sich, wieder Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Klischee oder doch auch ein bisschen Wahrheit?

Natürlich ist die Frage nach dem „Danach“ im Alter präsenter. Ich mache die Erfahrung, dass die Menschen, die aus der Kirche austreten, eher Menschen der ersten Lebenshälfte sind. Jüngere Menschen denken nicht so an den Tod. Die Menschen, die zur Kirche zurückkommen und wieder eintreten, sind jedoch quer durch die Altersstufen verteilt.

Zurück zu den nun österreichweit einheitlichen Richtlinien für Beerdigungen. Ein Blick zurück und einer nach vorne.

Ich glaube, dass wir bisher schon einen guten Weg gegangen sind; einen barmherzigen Weg, der den verstorbenen Menschen und seine trauernden Hinterbliebenen im Blick hat, aber auch einen gerechten Weg, der die Entscheidung des Ausgetretenen respektiert. 

 

Lenz Hubert

 

 

Dekan Dr. Hubert Lenz

ist Pfarrer in Nenzing.