Die Frage nach einem geglückten Leben ist so alt wie die Menschheit und verbindet alle mit allen. Dr. Peter Natter hat sich eingehend mit der philosophischen Frage nach dem Glück beschäftigt und ist zu sehr praktikablen Lösungen gekommen. Im KirchenBlatt-Gespräch geht die theoretische Verortung der Glücksfrage über in alltagstaugliche Tipps.

von Wolfgang Ölz

Glück bedeutet für den Pfarrer von Dornbirn St. Martin, Josef Schwab, wenn das Leben stimmig ist, wenn im Umgang mit Mitmenschen und Mitarbeitern der Eindruck entsteht, es passt. Dabei ist es ihm auch wichtig, dass man einen Sinn und ein Ziel im Leben findet und dabei die religiöse Komponente nicht außer Acht lässt.
Für Irmi Heil von der christlichen Buchhandlung „Die Arche“ in Bregenz hat Glück mit innerer Zufriedenheit zu tun, mit Gelassenheit, die nie isoliert von anderen gelebt werden kann.
Für Schwester Maria Stella ist es ein Glück, sich „von Gott angeschaut und geliebt zu wissen“ und gleichzeitig ist es für sie Glück, genau diese Anschauung Gottes an andere weitergeben zu können. Nachsatz: „Wir machen gerade Exerzitien und ich bin wirklich glücklich (lacht).“
Für den Leiter der Kirchenbeitragstelle in Bregenz, Andreas Ilgo ist Glück die psychische und physische Uneingeschränktheit  verbunden mit der Freiheit, alles tun und lassen zu können, was er für richtig und wichtig hält. Zudem bedeutet Glück für ihn, Menschen um sich zu haben, die ihn fordern und fördern.

Dr. Peter NatterDr. Peter Natter
ist Lektor, Lehrer und Philosoph in eigener Praxis

Gesundheit ist zu wenig
Peter Natter verortet den Begriff des Glücks philosophisch und sinnlich, einerseits mit der berühmten Formel von Arthur Schopenhauer, die Glück als Abwesenheit von Schmerz definiert, und andererseits hat Friedrich Nietzsche bei einem Italienaufenthalt erkannt, dass Glück, wenn es Glück gibt, als positive Größe, als Erleben des Schönen, des Erhabenen und einfach des Sinnlichen wahrgenommen werden kann. Aristoteles hat von Eudaimonia als dem Glück in Fülle gesprochen, während für das Christentum die Glückseligkeit von zentraler Bedeutung ist. Natter beurteilt diese Glückseligkeit sehr hoch, denn da kommt eine Dimension ins Spiel, die weit über das Glück oder Schwein haben hinausgeht. 

In der aristotelischen bzw. christlichen Glückseligkeit kommt der transzendente Faktor dazu, sonst verbleibt das Glück im Materiellen, wo es auf die Frage des Kontostandes oder des Bruttosozialprodukts reduziert wird. 

Glück nicht ohne Verzweiflung
Natter: „Ich habe vor ein paar Tagen zwei ältere Damen in einer Bäckerei beobachtet, die die Glückwünsche zum neuen Jahr ausgetauscht haben, und sich darauf beschränkt haben, sich Gesundheit zu wünschen, weil `das Wichtigste ist die Gesundheit´, als materielles rein physisches Wohlergehen. Ich war kurz davor zu fragen, ob sie glauben, dass das genug ist, weil diese Gesundheit, wie sie heute fetischisiert wird als Fitness, das ist für mich zu wenig.“ Albert Camus, der vor 50 Jahren verstorben ist, bringt es als einer der letzten großen, französischen Lebensphilosophen, deren Urthema das Lebensglück war, auf den Punkt, wenn er sagt, „es gibt das Glück nicht ohne die Verzweiflung“.  In Camus berühmter Interpretation des griechischen Mythos, lässt die Vorstellung des Glückes Sisyphos die unendlichen Qualen, die ihm bevorstehen, ertragen. Er zweifelt zwar, aber er verzweifelt nicht.

Die Wiederentdeckung der Askese
In die gegenwärtige Philosophie kehrt das Spirituelle zurück. Peter Natter ist in diesem Zusammenhang Peter Sloterdijk aufgefallen: „In seinem letzten großen Essay ‚Du musst Dein Leben ändern‘ geht es um eine Neubewertung der Askese. Sloterdijk kritisiert in diesem Buch den Missbrauch der Askese für materialistische Zwecke. Er sagt: Die heutigen Asketen sind die Sportler, und da geht es, wie in der Kunst und in so vielen Bereichen des heutigen Lebens, nur ums Geld. Da setzt der Wiener Philosoph an, weil die Askese dient natürlich dem Geist.“ Insofern könnte die Askese - klassisch betrieben - wieder zu einem Weg zum glücklichen Leben werden.  Dabei liegt das Glück nicht im Handeln, sondern im Sein. Die allgemeine Frage ist immer, was muss ich tun, um glücklich zu werden. Die philosophische Antwort auf die Frage was zu tun sei, hat einen fernöstlichen Anstrich und lautet: „Nichts“. Das heutige Tun führt vom Glück weg, weil es die Menschen von sich selbst wegbringt. Keine Werke, sondern einfach nur Sein ist die Devise, denn dementsprechend sind die Christen der Tempel des Heiligen Geistes.

Eine weitere Glücksformel stammt von  Alfred Adler, der Anfang des 20. Jahrhunderts sagte, dass das Glück in der Erledigung der urmenschlichen Aufgaben Arbeit, Familie und Liebe liege. Jede Art von gesellschaftlichem Erfolg macht dabei nicht per se glücklich. Dagegen kann die Demut, die um die eigenen Stärken und Schwächen weiß, und die jemanden einfach den sein lässt, der er ist, glückselig machen.

Zur Sache

Glück ist keine Glückssache: Das Glück ist auch machbar

Peter Natter, promovierte zu Marcel Prousts Hauptwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, ist Lektor beim Bucherverlag, Lehrer und Philosoph in eigener Praxis.

Am einem Vortragsabend wird versucht, die Philosophie als Lebenshilfe zu präsentieren. Der Clou dabei ist, dass die Philosophie u.a. mit Immanuel Kant und Karl Jaspers hilft, zu einer guten Lebenseinstellung zu finden - lange vor der Burnout-Krise.
Glücksratgeber gibt es en masse. Peter Natter sieht diesen boomenden Markt kritisch. Er nennt als positives Beispiel den „Trost der Philosophie“ von Alain de Botton. „Hier“, so Natter, „ist es wie mit allen Büchern, sie können bis zu einem gewissen Grad weiterhelfen, aber letztlich ist es nicht möglich, das Glück irgendwo herauszulesen. Genauso wenig wie man das Glück mit irgendeiner Pille schlucken kann.“
Letztlich ist Glück genauso wie Glückseligkeit Erfahrungssache.
Die sinnliche Dimension ist damit die Basis für jedes geglückte Leben. Aristoteles, so wird der Vortrag deutlich machen, empfiehlt das Sein statt bloßem Aktivismus und ein bewusstes Geistesleben.

Termin:

Peter Natter: Glück, Alltag, Philosophie
Do 26. Jän, 19.30 Uhr
Bildungshaus St. Arbogast,
Veranstalter und Anmeldung: KAB 05523/53147