Ein weiteres Ergebnis des Pastoralgesprächs wird umgesetzt: Kirche in der Stadt. Dazu bringt das KirchenBlatt ein Gespräch mit dem Pastoraltheologen Univ.-Prof. Dr. Johann Pock aus Wien.

Neben der Errichtung von Pfarrverbänden ist die „Kirche in der Stadt“ der nächste pastorale Schwerpunkt der Diözese: „Was steht an und wie geht das?“, so die Frage der Auftaktveranstaltung zu den Planungs- und Entwicklungsprozessen 2012/13, die Anfang Februar in Dornbirn stattfinden wird. 

Dietmar Steinmair führte das Gespräch mit Prof. Johann Pock

Pock, Univ.-Prof. Dr. JohannProf. Johann Pock
war mehrere Jahre als Priester der Diözese Graz-Seckau tätig. Nach Professuren in Regensburg und Bonn ist er seit 2010 Professor für Pastoraltheologie in Wien

Die Stadt ist seit jeher ein besonderer Ort für die Kirche. Welche Veränderungen im gesellschaftlichen Gefüge nehmen Sie in den städtischen Lebensräumen derzeit besonders wahr?
Es gibt nicht „die“ Stadt. Vielmehr muss man unterscheiden zwischen großen und kleinen, reichen und armen Städten; ebenso zwischen unterschiedlichen städtischen Zonen - von der Innenstadt bis hin zum „Speckgürtel“. Stadt kann man beschreiben mit Schlagworten wie: Freiheit, Individualität, Dynamik, Kultur und auch Religionsproduktivität. Städte werden immer vielfältiger. Zugleich werden z.B. Innenstädte als Wohnbereiche immer unattraktiver, bleiben aber als Kultur- und Begegnungsbereiche hoch aktuell. Nachbarschaftlichkeit stellt einen sehr geringen Wert dar. Bei der Vielzahl der alltäglichen Begegnungen mit anderen Menschen werden die persönlichen Beziehungen bewusster gewählt. Wohnort, Arbeitsplatz und Orte der Freizeitgestaltung fallen meist örtlich nicht zusammen und werden strikt getrennt.

Wie muss Kirche in der Stadt in Zukunft auffindbar sein?
„Kirche“ - das meint sowohl die Personen wie auch die Gebäude. Und beides ist wichtig: Es braucht weiterhin Orte (wie z.B. Pfarrkirchen oder Gemeindezentren), an welche die Menschen (möglichst niederschwellig) kommen können. Und es braucht Personen an kirchlichen Orten (z.B. durch eine Pastoral der Gastfreundschaft, indem man in den Kirchen auch Christen und Christinnen treffen kann), aber auch an unerwarteten, wie z.B. in großen Einkaufszentren, in Bahnhofs- und Flughafenbereichen. Auffindbar wird Kirche z.B. durch Veranstaltungen (Events), oder auch durch die Präsenz an modernen Orten. Gleichzeitig gilt es aber, die Sehnsucht nach Orten der Ruhe und des Rückzugs ernst zu nehmen und Kontrapunkte zu setzen gegen die Betriebsamkeit und Hektik von städtischer Lebenskultur.

Für welche der klassischen vier Grundvollzüge der Pfarrgemeinden - Liturgie, Verkündigung, Diakonie, Gemeinschaft - sehen Sie besondere Chancen in der Stadt?
Als wichtigsten Bereich sehe ich hier die Diakonie, denn Stadt bedeutet auch Anonymität, Vereinsamung und viel versteckte Armut. Daher darf sich die Kirche nicht auf die klassischen Felder von Gottesdienst und Pfarrleben zurückziehen, sondern braucht Menschen, die in ihrem Lebensumfeld aufmerksam sind für die unterschiedlichen Formen von Nöten und Armut.
Aber auch die Verkündigung hat in der Stadt eine besondere Chance: Denn sie kann hier durch vielfältige Formen geschehen: durch Veranstaltungen; durch Beteiligung der Kirche in kulturellen Feldern. In der Stadt ist vieles weniger traditionell und selbstverständlich - daher kann hier leichter experimentiert werden mit neuen Formen von Verkündigung wie z.B. neuen Medien oder Musik.

Das Glaubens-Leben vieler Christ/innen in den Städten ist durch große Mobilität gekennzeichnet, vor allem was den Gottesdienstbesuch anbelangt. Ist die territoriale Struktur von Pfarren für den städtischen Bereich noch überhaupt hilfreich? Braucht es größere Seelsorge-Einheiten? Oder mehr Orte mit Schwerpunkten?
Die gewachsene Einteilung von Pfarren passt in Städten häufig nicht mehr. Es braucht in Zukunft ein Miteinander von Territorialseelsorge mit neuen Orten, mit Gemeinschaften und spezifischen Angeboten für Personen, die sich nicht gemeindlich binden lassen möchten. Den territorialen Blick darf Kirche nicht aufgeben. Eine bessere Zusammenarbeit auf Stadt-Ebene könnte aber entlastend sein für die bisherigen Pfarren: Es muss nicht überall das gesamte Angebot von pastoralen Tätigkeiten geben. Eine Konzentration auf Schwerpunkte entsprechend der vorhandenen Ressourcen (seien es konkrete Personen mit ihren Fähigkeiten; seien es Räume) könnte dabei entlastend sein.

Welche Rolle werden Ordensgemeinschaften in den Städten spielen?
Viele Orden haben sich früher eher am Stadtrand oder am Land angesiedelt. Zugleich gibt es jene Orden und Gemeinschaften, die bewusst ein Gemeinschaftsleben innerhalb der Städte leben - gewissermaßen als Beispiel oder auch als Gegenpol zur vorfindbaren Anonymität von Städten. Orden haben hier sicher die Chance, sich auf spezifische spirituelle, rituelle, diakonale Angebote konzentrieren zu können. Ohne konkrete Pfarrverantwortung können sie Akzente setzen entsprechend ihrer Ordensspiritualität - im sozialen Bereich; in der Liturgie; durch Angebote von Exerzitien oder auch „Kloster auf Zeit“.

Wie werden sich die Berufsbilder von Priestern und Diakonen einerseits und die Möglichkeiten der Mitarbeit und der Übernahme von Verantwortung durch ehrenamtlich Engagierte andererseits in der Stadt der Zukunft verändern?
Es wird in absehbarer Zeit sicherlich weniger Priester geben - und diese werden daher vermehrt in der Sakramentenspendung und in der Pfarr- bzw. Teamleitung eingesetzt (was eine ziemliche Verengung des Berufsbildes darstellt). Es besteht ein spannungsvoller Anspruch an Priester: Von eher Kirchenfernen wird von ihnen eine gewisse „Ritendiakonie“ erwartet, also der Vollzug von Ritualen an den Lebenswenden. Für Gemeindemitglieder und Mitarbeiter/innen sollen sie koordinierend und leitend tätig sein. Es wird für Priester in dieser Situation schwerer, ein Leben zu führen, das geistlich geprägt ist.
Bei den (ständigen) Diakonen wird man darauf achten müssen, dass sie nicht „Ersatzpriester“ werden, sondern die Berufung zum Dienst am Wort und zum Dienst am Nächsten im Zentrum steht.
Kirche wird aber vor allem davon leben, dass Menschen ehrenamtlich bereit sind, sich zu engagieren - und dass ihnen auch Verantwortung zugetraut wird. Das gemeinsame Priestertum gilt es hier vermehrt zu verwirklichen. Indem die Kirche aber auf Dauer auch nicht alle ihre Gebäude und Hauptamtlichen wird halten können, wird die Weitergabe christlichen Glaubens vermehrt in der Verantwortung der einzelnen Christen liegen.

Eine letzte Frage: Was wünschen Sie der Diözese Feldkirch für den städtischen Planungs- und Entwicklungsprozess?
Zum einen wünsche ich dabei viel Kreativität und Vertrauen: Der Blick auf die Chancen, auf mögliche Aufbrüche, auf jene Orte, wo etwas wächst - das kann in einem solchen Prozess eine sehr positive Dynamik auslösen.
Zum anderen sollte viel auf die Menschen hingeschaut und hingehört werden; die Planung sollte gemeinsam mit den Menschen vor Ort erfolgen. Vor allem sollte deutlich werden, dass die Kirche für die Menschen da ist, und nicht umgekehrt -  und zwar für alle Menschen, nicht nur für einen inneren Kern oder eine „kleine Herde“.

Veranstaltung

"Kirche in der Stadt"
Fr 3. Februar, 14.30–21 Uhr, Pfarrheim Bruder Klaus, Dornbirn Schoren.

Programm:

  • 14.30 Uhr Begrüßung, Gebet und Einbegleitung
  • 15.00 Uhr Stadt, Religion, Kirche - Bilder und Stimmen: Pete Ionian, Heidi Krischke-Blum, Elfi Meusburger
  • 15.30 Uhr Inspiration Praxis – Erfahrungen aus Projekten in Mainz, St. Gallen und Schweinfurt:
    Pfr. Michael Baunacke, Past.Ref. Günter Schmitt, Dipl.Rel.Päd. Damian Kaeser-Casutt
  • 17.00 Uhr Inspiration Theologie - Die Stadt als Lernort für die Kirche und was hilft, Kirche in der Stadt zu gestalten: Univ.-Prof. Dr. Johann Pock
  • 18.15 Uhr Imbiss
  • 19.30 Uhr Marktplatz der Projekte
  • 20.15 Uhr Echo-Raum
  • 20.45 Uhr Ausschau und Segen

www.kirche-in-der-stadt.at