Gespräch mit Experten aus drei gesellschaftlichen Bereichen über die unabdingbare Notwendigkeit des zwischenmenschlichen Vertrauens.

von Wolfgang Ölz

Beziehungskrisen, Kirchenkrise, Finanzkrise: Überall in der Gesellschaft, in den Familien, in den Glaubensgemeinschaften und bei den Banken scheint es zu kriseln. Gründe für die Krisen gibt es viele. Ein Hauptgrund ist, dass die Menschen einander nicht mehr vertrauen.

Veronika Burtscher-Kiene„Das Vertrauen spielt in der Beratungspraxis eine ganz große Rolle “, so die promovierte Klinische und Gesundheitspsychologin Veronika Burtscher-Kiene (links), die im Ehe- und Familienzentrum in den Bereichen Beratung und Gewaltprävention  tätig ist: „Zu uns kommen Menschen, die das Vertrauen in sich selbst und auch in andere Leute verloren haben. Diese Menschen können bei uns wieder lernen Vertrauen zu haben.“
Frau Burtscher-Kiene weiter: „Es ist unsere Aufgabe als Berater/innen eine Atmosphäre zu schaffen, die signalisiert: Okay, da kann ich vertrauen, da werde ich gehört und wertgeschätzt, mit allem was ich bin. Deswegen ist das Vertrauen die Basis dafür, dass wir überhaupt arbeiten können.“

Ein Glück ist es, wenn Vertrauen möglich wird. Inwieweit ist dieses Vertrauen religiös?
Burtscher-Kiene: „Es gibt dieses Urvertrauen, das wir alle haben. Das religiöse Vertrauen ist aber abhängig von der Person, die sagen kann, ich vertraue auf Gott, dass er für mich da ist. Oder bin ich so enttäuscht worden, hat das Leben mich vor so große Prüfungen gestellt, dass ich dieses Ur-Vertrauen (beinahe) verloren habe?“
Die Entwicklung eines solchen Vertrauens ist in der Beratung sehr wichtig, denn oft zweifle man ja auch, ob Gott da ist, ob er wirklich auf mich schaut oder warum ich all dieses Leid erleben muss. Der Weg in der Beratung besteht darin, dass „die Person, die mir gegenübersitzt, zunächst mir vertrauen soll. Und dann auf dieser Basis wieder beginnt, in sich selbst und in die eigenen Handlungen zu vertrauen.“ In einem weiteren Schritt werde dann auch das Vertrauen in Menschen in der Gesellschaft draußen wieder gestärkt.

Ein Glück ist es für Veronika Burtscher-Kiene, die schon viele Jahre beim EFZ-Projekt Gigagampfa für Scheidungskinder mitgearbeitet hat, „wenn in Paarbeziehungen oder Eltern-Kind-Beziehungen das Vertrauen wieder möglich wird. Ohne Vertrauen funktioniert die Beziehung nämlich weder in der Beratung noch im Alltag.“

Gegenseitiges Vertrauen in der Seelsorge

P. Christoph MüllerPater Christoph Müller (links) ist als Benediktiner Leiter des Pfarrverbandes Blons-St.Gerold-Thüringerberg. Er sagt: „Wenn ich am Morgen den Weg vom Blonser Pfarrhof zur Kirche hinunter laufe, darf ich darauf vertrauen, dass der Mesmer in der Kirche alles hergerichtet hat. Die Gottesdienstbesucher/innen ihrerseits dürfen darauf vertrauen, dass ich mich vorbereitet habe und dass sie den neuen Tag mit dem Segen Gottes und einem aufmunternden Wort meinerseits beginnen können.“ Pater Christoph stellt dieses Vertrauen in einen größeren Zusammenhang: „Die kleinen Selbstverständlichkeiten des Alltags bilden die Voraussetzung, dass gegenseitiges Vertrauen auch trägt, wenn es um Größeres geht. Dass ich z.B. darauf vertrauen kann, dass jemand mir seine Zusage gibt für einen Dienst oder eine Aufgabe in der Pfarre. Dass andererseits aber auch die Menschen darauf  vertrauen können, dass ich für sie da bin, wenn sie mich in irgendeiner Weise brauchen.“

Glaube und Vertrauen: „fides“. „Würde dieses Gespräch auf Lateinisch geführt, so wäre die Frage, wie Glauben und Vertrauen zusammenhängen, überflüssig,  da es im Lateinischen für Glauben und Vertrauen nur ein einziges Wort gibt, nämlich ‚fides‘. Allein diese Tatsache  macht deutlich, dass Glauben und Vertrauen sehr eng zusammengehören. Diese Verknüpfung wirkt sich fatal aus bei Menschen, die von zuhause her kein (Ur)vertrauen mitbekommen haben.“

Vertrauen in die Kirche. Der Missbrauch des Vertrauens“, weiß der Blonser Pfarrer, „hat für den Glauben an Gott und für das Vertrauen auf ihn tragische Folgen. Es bleibt eine wichtige Aufgabe für Seelsorger/innen, bei solchen verletzten Menschen wieder Vertrauen zu schaffen und zu fördern. Allerdings geschieht dies meiner Erfahrung nach am ehesten über freundschaftliche und persönliche Kontakte - meist außerhalb von Kirche und Pfarrhof.“ Auch die Kirche muss wieder um das Vertrauen der Menschen bitten, das macht sie nach Pater Christoph „ganz einfach, indem sie vermehrt Jesus nachfolgt in seiner Schlichtheit, Menschennähe, Dienstbereitschaft, Wahrheit und in seinem absoluten Gottvertrauen.“ Das Vertrauen in die Kirche war in letzter Zeit durch die „Aufdeckung der Missbrauchsfälle“ verheerend erschüttert. Dazu zitiert Pater Christoph Papst Benedikt XVI., der gesagt hat: „Soweit es Wahrheit ist, müssen wir für jede Aufklärung dankbar sein. Die Wahrheit, verbunden mit der richtig verstandenen Liebe, ist der Wert Nummer eins.“

Kredit: „Glaub“-Würdigkeit

Dir. Wilfried HopfnerFür den Vorstandsvorsitzenden der Raiffeisenlandesbank, Wilfried Hopfner (rechts), ist Vertrauen im Geschäftsgebaren einer Bank etwas „essentiell Wichtiges, das man sich auch nicht kaufen kann, und das man sich über lange Zeit erwerben muss.“ An der Finanzkrise von 2008 waren die Vorarlberger Raiffeisenbanken „nicht beteiligt (lacht), aber doch davon betroffen“, weil dieser „Tsunami an Vertrauensverlust auch beim Kunden hierzulande angekommen ist, weil die Welt heute so sehr vernetzt ist, dass sich dem niemand entziehen konnte.“
Vertrauen braucht es natürlich bei der Vergabe von Krediten, aber genauso muss der Sparer der Bank vertrauen, dass sie sorgsam mit seinem Geld umgeht.