25 Jahre Jüdisches Museum Hohenems - KirchenBlatt-Bericht von Veronika Fehle.

zu: Fakten zum Jüdischen Museum

Woher, wozu, wohin - da sind sie wieder, die drei großen Fragen der Menschheit, die alle beschäftigen und auf die jeder seine eigenen Antworten finden muss. Im Jüdischen Museum Hohenems wird seit 25 Jahren an diese Fragezeichen und die Menschen hinter ihnen erinnert.

„,V’n wie kimmt Ihr?’, - von wo kommen Sie, fragte mich gelegentlich in jiddischer Sprache ein polnischer Jude, für den Wanderschaft und Vertreibung ebenso Familiengeschichte waren, wie für mich eine sinnlos gewordene Seßhaftigkeit. Antwortete ich, dass ich aus Hohenems herstamme, konnte er natürlich nicht wissen, wo das liegt. Und war denn nicht meine Herkunft ganz und gar gleichgültig? Seine Vorfahren waren mit dem Bündel durch die Dörfer um Lwow getrottet, die meinen im Kaftan zwischen Feldkirch und Bregenz. Da war kein Unterschied mehr“, schreibt der österreichische Schriftsteller Jean Amery. „Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines Überwältigten“, so der Titel der Essay-Sammlung, die zwar 1966 geschrieben wurde, die aber eigentlich einer ganz anderen Zeit entstammt. „Heureusement arrivé“ - also glücklich angekommen - telegrafiert Amery nämlich im Jänner 1939 aus Antwerpen an seine Familie. Über das glücklich darf man sich streiten, die vorläufige Ankunft ist gewiss. Nun, was hat das mit jenem Jubiläum zu schaffen, das das Jüdische Museum Hohenems am 2. Juli zu feiern hat? Scheinbar wenig und doch alles. Jean Amery - eigentlich ja Hans Chaim Mayer - wurde in Wien geboren und trotzdem ist da Hohenems, wenn sich zwei Flüchtende an der Wegkreuzung treffen. Hohenems, eine Stadt, die für seine Vorfahren einmal Heimat gewesen sein könnte, während für ihn, umgeben von Verfolgung und Vertreibung, die Seßhaftigkeit keine Option mehr darstellte. Und trotzdem ist da Hohenems.
Es ist das Hohenems eines Salomon Sulzers, das eines Aron Tänzers, einer Klara Heyman-Rosenthal, eines Harry Weil - und es ist, und das ist es bis heute, das Hohenems all jener Menschen, die ihre Heimat zurücklassen mussten.

Auf der Suche nach der Hoffnung
168 Nachkommen Hohenemser Juden reisten im August 1998 aus 15 Ländern ins Vorarlberger Rheintal. Eine Heimkehr? Das vielleicht nicht. Eine Rückkehr in die eigene Vergangenheit aber sicher. „Schon bei der Eröffnung des Museums waren die ersten Nachkommen  nach Hohenems gereist. Aber es sollte Felix Jaffé-Brunner sein, dessen Insistieren auf die nie abgerissene Verbindung 1998 ein folgenreiches Projekt ermöglichte. Mit dem ersten Hohenemser Nachkommentreffen traten Familien auf den Plan, deren Bezug auf Hohenems schon Jahrhunderte währte - und sich auch dann nicht auflöste, als die meisten Hohenemser Juden schon im 19. Jahrhundert den Ort verlassen hatten, als Migranten auf der Suche nach einem besseren Leben, wie so viele vor und nach ihnen“, reißt Hanno Loewy, Direktor des Hohenemser Museums, ein Thema auf, das zum Dreh- und Angelpunkt seiner gesamten Museumstätigkeit in Vorarlberg werden sollte.
Was geschieht, wenn die Heimat verlassen wird? Wer ist wo fremd? Gibt es das Fremde überhaupt, oder ist das Ungewohnte nicht eine Chance, eigene Lebensentwürfe und Gewohnheiten zu überprüfen und neu zu sortieren? Vor allem aber, was geschieht, wenn die einst verlassene Heimat wieder betreten werden kann?

Zum Beispiel Hohenems
In Hohenems passiert Folgendes: Jeder kennt die Geschichte und vermag sie auch zu lesen. Es ist keine rühmliche Geschichte. Man hört das nicht gerne, will seine Ruhe und die Vergangenheit eben Vergangenheit bleiben lassen. Dann aber gibt es da seit nunmehr 25 Jahren ein kleines Museum. Und man redet darüber. Man redet über die Vergangenheit, die Erinnerung, die Zukunft - und man redet vor allem über die Menschen und ihre Geschichten. Die Nachkommen der Hohenemser Juden sind ein Teil dieser Geschichte und sie erzählen davon. Loewy: „Inzwischen sind die Nachkommen ein zentraler Bestandteil der Community des Jüdischen Museums geworden, in einer Weise, wie dies für kaum ein anderes Museum gilt. Mit ihnen, dieser selbstbewussten Hohenemser Diaspora, aber auch mit der Zuwendung von Menschen aus der Region, die die Spuren der Erinnerung aufbewahrt wissen wollen, ist das Museum zu einem Sammlungsort geworden, einem Treuhänder einer Erinnerung, die vielfach verschränkt, letztlich allen und niemandem exklusiv ,gehört’.“
Damit ist klar, was im Kern der Hohenemser Museumstätigkeit steckt. Erinnern und aus der Erinnerung das Gegenwärtige und Neue begreifen. Erkennen, dass das eigene Ich nur ein Glied in der langen Kette der Menschen vor und nach uns ist. Dass sich aus dieser Kette auch Identitäten konstruieren lassen, die sich permanent selbst demontieren und damit wieder ins überprüfende Erinnern münden.

JMH-Kinder

Ein Museum wird hörbar: Das Jüdische Museum Hohenems schafft es, mit seiner interaktiven Ausstellungsgestaltung auch kindliche Besucher zu begeistern.

Mit Blick in die Zukunft
Das reicht dann auch weit hinaus über die Jahre 1938 - 1945. Das reicht in die Gegenwart, in der wir Heimatsuchenden begegnen und das reicht in die Zukunft, in der traditionelle Heimatentwürfe längst als Kitschgemälde an der Wand hängen. Erinnern, ein schöner Ansatz und was noch schöner ist, er funktioniert und das seit 25 Jahren.
Wenn also Jean Amery dem polnischen Flüchtling auf seine Frage Hohenems als Antwort präsentiert, dann hat er recht. So wie all jene, deren mit zahlreichen Ur’s bestückten Vorfahren einst Hohenems verlassen mussten. Das Jüdische Museum folgt ihren Spuren und wenn wir also schon beim Thema sind: Woher kommen Sie eigentlich? Veronika Fehle

www.jm-hohenems.at

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ZUR SACHE:
25 Jahre Jüdisches Museum Hohenems

Hanno LoewyDirektor Hanno Loewy
leitet seit 2004 das Jüdische Museum Hohenems

Die Idee, in Hohenems ein Jüdisches Museum zu eröffnen, war nicht neu, als es im April 1991 dann tatsächlich so weit war. Bereits in den 1970er Jahren wurde heftig über diese Möglichkeit diskutiert. 1983 schließlich erwarb die Stadt Hohenems das heutige Museumsgebäude - die ehemalige Villa Heimann-Rosenthal. Das Haus an der Schweizer Straße war prädestiniert dazu, Museum zu werden. Das dachten sich auch die Mitglieder des Vereins Jüdisches Museum Hohenems, die ab 1986 versuchten, einen Ort zu schaffen, an dem jüdische Kultur, Geschichte, Gegenwart und Zukunft erfahrbar werden können. Drei Jahre später erhielt schließlich Kurt Greussing den Auftrag, ein Museumskonzept für die Ausstellungsräume in spe zu erarbeiten.

Ein Museum wächst
Seit April 1991 ist das Jüdische Museum Hohenems nun Wirklichkeit. Den thematischen Beginn der Ausstellungstätigkeit markierte die Aufarbeitung der jüdischen Vergangenheit in Hohenems unter den Gesichtspunkten von Mehr- und Minderheit. Heute hat sich die Themenpalette hin zum Erinnern, dem Dialog und der Begegnung mit anderen Kulturen nicht nur Schritt für Schritt verbreitert, sondern auch in die direkte Gegenwart verzweigt.
Am 2. Juli werden jetzt die ersten 25 Jahre des Jüdischen Museums, das sich als Treuhänder der lebendigen Erinnerungsarbeit versteht, gefeiert.

Homepage des Jüdischen Museums: www.jm-hohenems.at

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