Caritas-Gespräche 2011 im Bildungshaus St. Arbogast.

Von Dietmar Steinmair

2012 ist das Jahr der Generationen. Über diesbezügliche gesellschaftliche Veränderungen diskutierten hochkarätige Referenten mit einem interessierten Publikum Anfang dieser Woche bei den Caritas-Gesprächen.

Bild rechts: Die Referenten Prof. Dr. Lothar Böhnisch, Prof Dr. Gerald Hüther, Prof. DDr. Ulrich Körtner und Prof. Dr. Ursula Lehr (v.l.n.r. )

Für das kommende Jahr hat die EU das „Europäische Jahr des aktiven Alterns und der Solidarität zwischen den Generationen“ ausgerufen. Im Blick auf die demographische Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist das nicht überraschend. Während 1990 rund 20% der Bevölkerung 60 Jahre und älter waren, sind es heute 23%. Für das Jahr 2030 prognostiziert die Statistik Austria diesen Anteil bereits mit 31%. Knapp ein Drittel der Bevölkerung wird dann kurz vor oder schon im beruflichen Ruhestand sein.

Den Jahren Leben geben
Gegen den Begriff „Ruhestand“ wehrte sich bei den Caritas-Gesprächen die renommierte deutsche Altersforscherin Ursula Lehr. Da könne man doch gleich „Ruhelage“ sagen - als Synonym für das Sterbebett. Nicht das Leben sei mit Jahren zu füllen, so die ehemalige deutsche Bundesministerin, sondern umgekehrt: den Jahren gilt es Leben zu geben.

Der Entwicklung zu immer mehr Menschen mit immer höherem Alter entsprächen übrigens viele heute faktisch bestehende Altershürden nicht: „Versuchen Sie mal, heute ein Auto zu mieten, wenn Sie über 80 sind, obwohl Sie das Leben lang unfallfrei gefahren sind! Oder einen Kredit zu bekommen,“ merkte Lehr kritisch an.
Unter die Haut gehen. Doch womit können Menschen ihre Altersjahre sinnvoll füllen? Indem sie etwas Neues lernen, so der bekannte deutsche Hirnforscher Gerald Hüther. Kein Problem, selbst für 70-Jährige, wenn sie sich nur dafür begeistern können. Denn Begeisterung fördere nachweislich die Bildung und vor allem die richtige Vernetzung von Nervenzellen. Lernen könne man nicht durch Üben, Ratschläge oder gar Druck. Sondern nur durch Begeisterung, wenn einem also etwas unter die Haut gehe.
Das stellt für Hüther natürlich vieles in Frage: die Schulpädagogik, den Umgang mit Suchtkranken, die Handlungsspielräume für alte Menschen. Feste Überzeugungen und fixe Wertesysteme sind für Hüther übrigens die Fesseln schlechthin, die Lernen behindern. Diese Fesseln haben aber weniger mit dem Alter, sondern mit der Persönlichkeit zu tun.

Risiko-Gebiet Religion
Die Caritas-Gespräche 2011 standen unter dem Generalthema des „Engagements“. Dieses speist sich aus unterschiedlichen Quellen. Für den „Mut sich einzumischen“ plädierte der evangelische Theologe Ulrich Körtner. Er hält es für gefährlich, Religion bloß als Rückzugsgebiet und als Weg nach innen zu sehen. Im Kontext von vielfachen Entmutigungen und der Abnahme der Kirchenmitgliedschaften sieht er gerade im Glauben eine Quelle für Begeisterung: „Glaube ist eine Weise des Mutes, daher braucht es eine politische, eine öffentliche Theologie“, so Körtner.

Im Blick auf das vieldiskutierte Papstwort zur „Entweltlichung der Kirche“ ist somit auch im nächsten Jahr für Diskussionsstoff gesorgt.

(aus KirchenBlatt Nr. 50 vom 18. Dezember 2011)